
Interview mit Hartmut Deiwick, Kaufmännischer Leiter, APONEO Deutsche Versand-Apotheke.
Beteiligung an E-Commerce-Unternehmen am Beispiel einer Online Apotheke
altii: Herr Deiwick, bitte beschreiben Sie kurz die Online- bzw. Versand-Apotheke Aponeo.
Hartmut Deiwick: Hinter Aponeo steht der gebürtige Grieche Konstantin Primbas. Er hat das Unternehmen 2006 aus seiner damaligen stationären Apotheke in Berlin-Lichtenberg entwickelt. Am Anfang war das Bestellaufkommen noch überschaubar, und er hat den Versand einfach im Keller organisiert. Heute versenden wir im Schnitt 3.200 Pakete pro Tag. An Spitzentagen sind es auch schon mal 4.000 Pakete oder noch mehr. Das ist enorm, und das geht nur durch ein hohes Maß an Automatisierung. Und natürlich durch Personaleinsatz. Aponeo hat heute 80 Mitarbeiter. Konstantin Primbas ist selbst Apotheker und nach wie vor Inhaber. Alle Kollegen, die in der Anfangszeit geholfen haben, sind auch immer noch dabei. Auch die stationäre Apotheke gibt es neben dem Versandhandel noch, wir wollen sogar noch zusätzliche Vor-Ort-Apotheken ins Leben rufen. Mittlerweile haben wir im Versand über 1 Mio. Kunden gezählt. Viele davon sind Stammkunden und Mehrfachbesteller. Auch das Sortiment ist gewachsen, wir haben heute 150.000 Artikel. Wir versenden vor allem rezeptfreie Medikamente und Wellness-, Kosmetik- und Bioprodukte. Rezeptpflichtige Medikamente bieten wir auch, sie spielen aber im Moment noch eine untergeordnete Rolle. Insgesamt kommen wir auf einen Umsatz von über 40 Mio. EUR im Jahr. Damit sind wir in den Top 10 der deutschen Versandapotheken. Zur Einordnung: Der deutsche Markt hat etwa 3.000 Versandapotheken. Aponeo deckt immerhin 4% des Markts ab. Die pharmazeutischen Großhändler fahren uns bis zu 20-mal täglich an. Die Ware kommt „just in time“ und wird von uns sofort geprüft, kommissioniert und an den Kunden weitergeschickt. Wir haben die Prozesse hier entsprechend optimiert und optimieren sie weiter. Es ist trotzdem nur eine Frage der Zeit, bis wir an die Grenzen unserer Kapazitäten stoßen. Wir schauen bereits nach einem neuen Standort in der Umgebung.
altii: Ist Aponeo eher Apotheke oder eher E-Commerce?
Deiwick: Wir sind beides. In Deutschland gibt es hohe apothekenrechtliche Anforderungen. So muss es immer eine stationäre Apotheke und einen approbierten Apotheker hinter dem Versandhandel geben. Aber unser Geschäft ist natürlich auch durch den Online-Charakter geprägt. Online-Shop und E-Mail machen 80% unserer Bestellungen aus. Die übrigen Bestellungen kommen über das Telefon, ein kleiner Anteil aber auch über Fax oder Brief. E-Commerce heißt für uns: suchmaschinenoptimiert zu sein bei Google, aber auch sogenannte Product Ads bei Amazon zu nutzen. Das ist für viele E-Commerce-Unternehmen im Augenblick das tägliche Brot. Allerdings ändert sich hier auch viel. Die Verbraucher nutzen z. B. neuerdings Amazon als Suchmaschine für Produkte. Amazon ist also zunehmend erster Anlaufpunkt, um einen ersten Eindruck über Produkte zu bekommen, Google verliert hier etwas an Bedeutung. Das ist eine spannende Entwicklung. Will ein Handelsunternehmen auf dem Amazon-Marktplatz mitspielen, wo es als Unternehmen und Marke letztendlich weitgehend unsichtbar bleibt? Oder will es an der eigenen Markenstärke arbeiten? Will sich ein E-Commerce-Unternehmen nur über den Preis profilieren? Auf einer Konferenz hieß es kürzlich, dass solche Unternehmen als erste wieder vom Markt verschwinden. Der Preis allein ist kein Differenzierungsmerkmal. Uns ist die qualifizierte Ansprache und die fachliche Betreuung des Kunden wichtig. Auch der Lieferservice ist ein Differenzierungsmerkmal.
altii: Wie stehen Sie zu fertigen Lösungen und Outsourcing?
Deiwick: Da sind wir speziell. Konstantin Primbas hat von Anfang an großen Wert darauf gelegt, das Know-How vollständig bei uns in der Apotheke zu belassen. Jedes Gewerk des Unternehmens unterliegt diesem Grundsatz. Diese Strategie umzusetzen und durchzuhalten - das war nicht immer einfach, hat sich aber als grundlegend richtig erwiesen. Der Inhaber einer Online-Apotheke ist als eingetragener Kaufmann für Fehler haftbar. Fehler sind für ihn als Kaufmann und in seiner Person als Apotheker gegenüber den Kunden also nicht tolerierbar. Entsprechend groß ist das Risiko, auf externe Anbieter für Apothekenlösungen zu setzen. Die Verbundenheit mit der Apotheke und dem Inhaber ist nach unserer Einschätzung einfach nicht so ausgeprägt, als wenn man mit eigenem Personal arbeitet. Also gestalten wir Lösungen lieber selber und kontrollieren das Ergebnis zu 100%. Bis das Paket unsere Räume verlässt, haben wir alles in der Hand. Ab dann übernimmt DHL und liefert aus.
altii: Sie haben gesagt, dass die Auslieferung ein Differenzierungsmerkmal ist. Warum?
Deiwick: Der E-Commerce hat meiner Meinung nach noch nicht ausreichend begriffen, dass es nicht nur reicht, gute Preise und eine gute Beratung zu haben. Nach der Bestellung als Startpunkt ist die Zustellung der Ware als Endpunkt der zweite enorm wichtige Kontakt zwischen Kunde und Unternehmen, auch wenn dieser Kontakt indirekt über den jeweiligen Logistikdienstleister erfolgt. Wir geben mit jedem Paket eine Visitenkarte ab. Wie lange braucht das Paket? Was passiert, wenn der Empfänger nicht da ist? Wie viel Umstand ist für den Kunden mit der Zustellung verbunden? Der E-Commerce kann es den Käufern hier deutlich bequemer machen, als er es in vielen Fällen tut. Die Lieferung noch am Tag der Bestellung, die Wahl eines konkreten Liefertages, wenn der Kunde weiß, dass er auch zuhause ist, oder die Wahl eines Zeitfensters für die Lieferung, wenn er nicht den ganzen Tag zuhause ist - all das wird noch viel zu selten angeboten. Wir haben früh auf solche Services gesetzt. Die Kunden, die sie nutzen, sind uns treuer und ihre Warenkörbe sind deutlich größer als der Anteil unserer Kunden, die keine besonderen Lieferservices in Anspruch nehmen. Und es ist eben ein Alleinstellungsmerkmal: Wir sind die erste und bislang einzige Versandapotheke Berlins mit taggleicher Lieferung, Wunschtaglieferung und Zeitfensterzustellung. Außerdem gibt es eine Expressanlieferung für den Vormittag. Die Flexibilisierung der Lieferzeiten ist ein starkes Differenzierungsmerkmal. Ich wünsche sie mir sogar noch granularer.
altii: Sie sagten, dass das Rezept noch keine besonders große Rolle spielt bei Aponeo…
Deiwick: Ein Grund hierfür sind die gesetzlichen Bestimmungen. Das Rezept muss einer Apotheke und auch einer Online-Apotheke immer in Papierform vorliegen. Erst danach darf das Medikament übergeben oder ausgeliefert werden. Der Kunde musste es im Fall einer Online-Apotheke per Post schicken oder persönlich vorbeibringen. Das ist umständlich. Wir sehen hier aber Potenzial und wollen es den Menschen einfacher machen: Die Rezepte werden von einem Boten beim Kunden abgeholt. Wir bieten den Service sogar in Verbindung mit der Lieferung noch am Tag der Bestellung an. Für den Kunden sind keine Mehrkosten damit verbunden. Der Service ist noch ziemlich jung, aber es gab schon mehr als nur eine positive Rückmeldung. Wir sehen im rezeptpflichtigen Medikament ein Feld, in dem ein großes Wachstum möglich ist.
altii: Warum?
Deiwick: Der Markt für rezeptpflichtige Produkte ist etwa 10 Mal größer als der Markt für rezeptfreie Medikamente. Nur hat hier noch keine Liberalisierung stattgefunden. Das Rezept ist faktisch eine Domäne der stationären Apotheke. Das muss aber nicht so bleiben. Themen wie die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte und das elektronische Rezept werden seit längerem diskutiert, und sie werden kommen. Das könnte hier Bewegung in den Markt bringen. Online-Apotheken können dann sicherlich schneller und umfassender reagieren und ihre Kompetenzen ausspielen als stationäre Apotheken. Jetzt schon die taggleiche Lieferung von rezeptpflichtigen Medikamenten anzubieten, heißt für uns: zusätzliche Kompetenz in einem wichtigen Zukunftsfeld. Meines Erachtens werden Online-Apotheken spätestens mit der Liberalisierung des Rezepts auch für Anleger attraktiv. Wir wissen, dass sich jetzt schon Investoren bei Online-Apotheken nach Anlagemöglichkeiten umsehen und die Potenziale einer Beteiligung analysieren.
altii: Beim eingetragenen Kaufmann sind keine Gesellschaftsanteile vorhanden. Wie sind denn überhaupt Beteiligungen möglich?
Deiwick: Es gibt hier ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten. Die einfachste Möglichkeit wäre ein privates Darlehen. Darüber hinaus gilt es, andere realisierbare Rechtskonstrukte für Beteiligungskapital zu finden. Denkbar wäre der Zugang über Offene Handels- und Kommanditgesellschaften oder Holdingkonstruktionen. Welcher Weg der beste ist, hängt immer auch von der jeweiligen Situation des Investors ab. Meiner Meinung nach ist es hilfreich, wenn Investoren eine gewisse Affinität zum Gesundheitswesen mitbringen. Die regulatorischen Anforderungen des Apothekengeschäfts erschließen sich branchenfremden Personen nicht immer auf den ersten Blick.
altii: Vielen Dank!
Weitere Informationen zu APONEO Deutsche Versandapotheke
https://www.aponeo.de/informationen/presse/infomaterial/
https://www.aponeo.de/