Überall um uns herum übernehmen Algorithmen immer mehr Aufgaben. Sei es als Fahr- und Assistenzsysteme im Auto, im Internet oder in der Medizin. Und dennoch: Die Mehrheit der Menschen traut Algorithmen nicht über den Weg und verlässt sich bei der Entscheidungsfindung lieber auf Prognosen menschlicher Experten. Warum das selbst dann der Fall ist, wenn Algorithmen nachweislich besser abschneiden und welche Schlüsse wir daraus als Trader ziehen sollten, beantwortet eine aktuelle Studie der University of Pennsylvania.
Wer liefert bessere Prognosen: Menschen oder Algorithmen? Auch wenn es dem menschlichen Ego nicht gerade schmecken dürfte – die Forschungsergebnisse der letzten Jahre belegen, dass Algorithmen besser abschneiden als menschliche Experten und zwar in unterschiedlichsten Bereichen. Eine im Jahr 2000 veröffentlichte, viel zitierte Meta-Studie1 weist dies anhand von insgesamt 136 Studien nach: Algorithmen schlugen dort menschliche Vorhersagen in 94Prozent aller Fälle. Die Überlegenheit der statistischen Modelle ist nach Aussagen der Forscher konsistent und zwar unabhängig vom Aufgabengebiet, der Art und Erfahrung der Teilnehmer und der zugrundeliegenden Daten.
Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass Menschen sich eher auf eine „menschengemachte“ Prognose verlassen als die eines statistischen Algorithmus – mit den entsprechenden Konsequenzen. Dieses Phänomen wird als „Algorithm Aversion“ bezeichnet. Wo liegen die Gründe für dieses Verhalten? Die Wissenschaft liefert hierfür mehrere Hypothesen: Zum einen könnte dies mit dem Wunsch des Menschen zusammenhängen, möglichst perfekte Vorhersagen erhalten zu wollen.
Auch die Annahme, Algorithmen würden keine qualitativen Faktoren berücksichtigen, ist ein möglicher Erklärungsansatz. Die Annahme, dass menschliche Experten im Laufe der Zeit durch ihre Erfahrung ihre Vorhersagequalität steigern, dürfte ebenso eine Rolle spielen wie die Bedürfnispyramide nach Maslow: Algorithmen, die besser als der Mensch abschneiden, stehen dem menschlichen Selbstwertgefühl schließlich gehörig im Weg.
Die Forscher der Universität von Pennsylvania2 wollten es genauer wissen und stellten eigene Untersuchungen an. Probanden hatten dabei die Aufgabe, anhand unterschiedlicher Daten die Erfolgsaussichten der Bewerber vorherzusagen und über deren Zulassung zum MBA-Programm zu entscheiden. Das Besondere dabei: In unterschiedlichen Experimenten bot man den Teilnehmern die Gelegenheit, vor Abgabe ihrer eigenen Prognose entweder dem statistischen Prognosemodell der Zulassungsstelle „über die Schulter“ zu blicken, einem menschlichen Experten, beiden oder aber keinem der beiden. Diese Unterteilung machte es möglich, herauszufinden, ob und wann die Teilnehmer sich selbst, einem Modell oder einem anderen Experten vertrauten und wie die Performance des Algorithmus die Wahl beeinflussen würde. Als Anreiz fungierte ein finanzieller Bonus: Je besser die Prognosequalität der Teilnehmer (unabhängig davon, ob diese von ihnen oder vom Algorithmus stammt), desto höher der mögliche Bonus für die Teilnehmer.
Die Ergebnisse der Studie sind in vielerlei Hinsicht interessant und liefern gerade für Trader jede Menge Stoff zum Nachdenken – doch dazu später mehr. Der Algorithmus schnitt in allen Experimenten besser ab als die Probanden und bestätigte damit die Ergebnisse anderer Studien. Die durchschnittliche Fehlerrate lag bei den Probanden um 15 bis 29 Prozent höher als beim Algorithmus. Das Pikante dabei: Die Probanden zeigten eine ausgeprägte Aversion gegenüber algorithmisch generierten Vorhersagen, wenn sie die Modelle „beobachten“ konnten. Die ablehnende Haltung war auch dann vorhanden, wenn die Algorithmen besser abschnitten als die menschlichen Experten. Die Hypothese der Forscher wurde damit eindrucksvoll bestätigt:
Gerade weil der Mensch den Algorithmus „bei der Arbeit“ und damit früher oder später auch dessen Fehler beobachtet, setzt er eher auf die menschliche Expertise. Und das trotz der höheren Genauigkeit des Algorithmus.
Die Schlussfolgerung daraus lautet: Menschen kehren dem Algorithmus bei Fehlern schneller den Rücken als ihren Mitmenschen – sogar dann, wenn letztere größere Fehler machen. Um bei dem Fall mit der Zulassung zum MBA-Studium zu bleiben: Wir verzeihen dem Angestellten in der Zulassungsstelle eher einen Fehler und drücken ein Auge zu, Fehlentscheidungen des statistischen Prognosemodells dulden wir hingegen nicht. Auch wenn wir wissen, dass dieses langfristig die besseren Entscheidungen trifft.
Wie kommt es aber, dass die Teilnehmer glauben, dass Algorithmen offensichtliche Fehler eher vermeiden als Menschen, sich aber mehrheitlich dennoch auf letzteres verlassen? Die Antwort der Forscher: Sie glauben, dass ihre Mitmenschen besser aus Fehlern lernen als Algorithmen
Je geringer das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Modells, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Personen sich bei der Abgabe einer Prognose auf den Algorithmus verlassen. Interessanter ist aber vor allem folgende Tatsache: Gerade dann, wenn Menschen den Algorithmus „bei der Arbeit“ und damit früher oder später auch dessen Fehler beobachten, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass dieser gewählt wird2.
Nachdem wir die wichtigsten Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie dargelegt haben, stellt sich die Frage, was das alles mit der Börse und Trading zu tun haben soll. Sehr viel! Schließlich steht auch hier jeder Marktteilnehmer vor der Frage, welchem Ansatz er für seine Trading- oder Investmententscheidungen vertrauen möchte:
Algorithmic Trading bezeichnet den Handel von Wertpapieren mit klar definierten, im Vorfeld getesteten Regeln. Der Einstieg, die Wahl der Positionsgröße, das Stop-Management und die Berechnung optionaler Kursziele folgen allesamt einer Systematik, die in einem Quellcode niedergeschrieben ist. Als Grundlage einer solchen Handelsstrategie kommen beispielsweise Werkzeuge der Technischen Analyse wie Indikatoren oder Kursmuster zum Einsatz.
Im Vergleich zum diskretionären Ansatz, der viele subjektive Elemente enthält, liefert der algorithmische Handel damit entscheidende Vorteile:
Gerade für institutionelle Marktteilnehmer bietet eine Algorithmic Trading zahlreiche Vorteile. Mit der richtigen Software können viele Arbeitsschritte automatisiert werden, z.B. das Scannen nach interessanten Wertpapieren oder das Backtesting von Handelsideen. Auch der Handel und die Überwachung großer Portfolien inklusive Position Sizing lassen sich sicher und effizient umsetzen.
Fehlentscheidungen aufgrund von Emotionen wie Angst und Gier werden auf diese Weise vollständig eliminiert. Der systematische Auf- und Abbau von Positionen und die Kombination unterschiedlicher Strategien, Zeitebenen und Märkte bieten das Potenzial, das Risiko-Ertrags-Verhältnis zu verbessern.
Von David Pieper, CIIA
Senior Technical Analyst
David.Pieper@tradesignal.com
Tradesignal Ltd. (Deutschland), Mainzer Landstr. 50, 60325 Frankfurt
www.tradesignal.com
Quellen:
1) Grove, Zald, Lebow, Snitz, and Nelson, „Clinical Versus Mechanical Prediction: A Meta-Analysis”
2) Berkeley J. Dietvorst, Joseph P. Simmons, Cade Massey, „Algorithm Aversion: People Erroneously avoid Algorithms after seeing them err”