Raymond Sagayam, Chief Investment Officer - Fixed Income bei Pictet Asset Management, beurteilt in dieser Frage- und Antwortrunde die Aussichten festverzinslicher Anlagen ab dem Jahreswechsel weiterhin optimistisch.
Sind Sie der Auffassung, dass sich der globale Bullenmarkt für festverzinsliche Anlagen, der Anfang der 1980er-Jahre begann, seinem Ende neigt?
Raymond Sagayam: Ich bin definitiv davon überzeugt, dass der Bullenmarkt für Anleihen zu Ende geht. Meines Erachtens haben viele der Kräfte, die zusammen für dauerhaft niedrige Zinsen sorgen sollten – deren Zweck zur Beendigung der globalen Finanzkrise erfüllt ist – in den letzten Jahren tatsächlich an Dynamik verloren, und diese Politik ist im derzeitigen Makroumfeld nicht angemessen. Bleibt die Frage, ob dies dem Niedergang festverzinslicher Anlagen gleichzusetzen ist. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dem nicht so ist.
Auf Talfahrt: Rendite 30-jähriger US-Treasuries

Quelle: Thomson Reuters Datastream. Daten per 27.02.2017.
Wie reagiert ein Fixed-Income-Manager auf diese Situation?
RS: Erfreulich ist aus meiner Sicht, dass festverzinsliche Anlagen bei privaten und institutionellen Anlegern und Anlageentscheidungen heutzutage einen so hohen Stellenwert einnehmen. Es handelt sich dabei nicht um eine Anlageklasse, die ihre Attraktivität von heute auf morgen verliert. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass festverzinsliche Anlagen kurzfristig volatiler werden. Doch im Kern werden sie einem grundlegenden Bedürfnis gerecht: Sie verschaffen einen stabilen Ertrag über ihre Laufzeit hinweg und erfüllen die Erwartung, dass man das Kapital zurückbekommt.
Es gibt die Auffassung, wonach Millennials – damit meine ich die jüngere Anlegergruppe – risikobereiter sind und Anleihen infolgedessen meiden. Der Einfluss dieser jüngeren Marktteilnehmer lässt sich gewiss nicht ignorieren. Doch diejenigen, die ihr Geld derzeit anlegen, sind nicht die Millennials. Wer Kapital anlegen muss, ist zumeist älter. In dieser Hinsicht macht sich die demographische Entwicklung in westlichen Ländern und Japan bemerkbar. Und genau diese Menschen werden auf kurze bis mittlere Sicht recht viel Einfluss besitzen.
Diese Anlegergruppe wird niemals auf festverzinsliche Anlagen verzichten können. Das liegt in erster Linie an der Struktur der Anlageklasse und ihrer Eignung als Rentensparprodukt. Kurzfristig könnte ein starker Zinsanstieg dazu führen, dass einige Anleger ihr Fixed-Income-Engagement verringern. Mittelfristig spricht einiges dafür, dass sich genau diese Anleger durch den Zinsanstieg bestärkt fühlen und wieder in Anleihen investieren.
Hinzu kommt, dass steigende Zinsen den Barwert langfristiger Verbindlichkeiten senken, was sich positiv auf Pensionsfonds auswirkt.1 Vor diesem Hintergrund kann man sich leicht ein Szenario vorstellen, in dessen Rahmen sich viele dieser langfristigen Investmentpläne, die fast schon aufgegeben und sich im Wesentlichen damit abgefunden haben, dass die Zinsen auf unbestimmte Zeit niedrig sein werden, neu orientieren.
Im Kern werden festverzinsliche Anlagen einem äußerst reellen Bedürfnis gerecht: Sie verschaffen einen stabilen Ertrag über ihre Laufzeit hinweg und erfüllen die Erwartung, dass man das Kapital zurückbekommt.
Zinssteigerungen werden den finanziellen Hintergrund zahlreicher Pensionssysteme verändern und ihnen Auftrieb verleihen. Höhere Zinsen wirken sich in zweifacher Hinsicht auf Pensionsfonds aus. Einerseits erhöhen sie den Abzinsungssatz künftiger Verbindlichkeiten. Andererseits jedoch – und das ist genauso wichtig – sind sie positiv für Wiederanlagen: Wenn Anleihen fällig werden, kann das Kapital dank höherer Zinsen lukrativer reinvestiert werden. Das mindert Kapitalverluste.
Meines Erachtens steht umfangreiches Kapital zur Verfügung, das längere Zeiträume mit Marktvolatilität abfedern kann. Allerdings bin ich nicht der Auffassung, dass die Anpassung reibungslos verläuft oder sich leicht vorhersagen lässt. Denkbar sind Umschichtungen zwischen verschiedenen Fixed-Income-Strategien. Anleger, die Zinsvolatilität und die damit verbundenen potenziellen Auswirkungen auf die absolute Performance nicht hinnehmen können, könnten sich dafür entscheiden, in Produkte mit begrenzter Duration umzuschichten. Ich denke dabei an die Geldmärkte, Absolute-Return-Produkte, Total-Return-Fixed-Income-Produkte oder benchmarkgebundene Produkte mit kurzer Duration.
Beispielsweise hat der jüngste Anstieg der USD-Libor-Zinsen – der in erster Linie auf eine regulatorisch bedingte Abkehr von Prime Funds zurückzuführen war – dafür gesorgt, dass Produkte wie unsere USD-Geldmarktinstrumente für all jene extrem attraktiv wurden, die sich kurzfristig um das Durationsrisiko sorgen.
Allerdings ist das Tempo der Zinsentwicklung von recht hoher Bedeutung. Ein allmählicher Anstieg der Zinsen ist zu bewältigen. Doch wie die anfängliche reflexartige Reaktion auf die Wahl Trumps zeigte, können bestimmte Fixed-Income-Unterkategorien durch abrupte und rasche Bewegungen aus dem Gleichgewicht geraten.
Es sind nicht nur makroökonomische Faktoren, die dem Bullenmarkt für Anleihen ein Ende setzen. Auch regulatorischer Druck hat dem Markt Liquidität entzogen. Inwieweit ist dies ein Problem?
RS: Die Liquidität am Anleihenmarkt geht seit 2008 allgemein zurück. Fakt ist, dass rückläufige Liquidität inzwischen ein festes Merkmal unseres Marktes ist. Anders wäre dies nur, wenn Investmentbanken plötzlich wieder jene großen Anleihenbestände aufbauen dürften, die sie als Broker-Dealer hielten.
Meines Erachtens muss man sich mit dieser Illiquidität abfinden und sie wann immer möglich zum eigenen Vorteil nutzen. Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels ausführen.
Bestimmte Credit Default Swap-Kontrakte (CDS), mit denen sich Anleiheninvestoren vor Zahlungsausfällen absichern können, stellen einen äußerst illiquiden Markt dar. Diese Wertpapiere werden nur im kleinen Stil gehandelt. Dabei kommen mir zwei in den Sinn: CDS für den US-Gesundheitssektor und Real Estate Investment Trusts (REITs). Betrachten wir zunächst REITs. US REITs besitzen ein durchschnittliches Kreditrating im mittleren bis hohen BBB-Bereich, wobei einige dieser Titel einen durchschnittlichen Spread von 60 Basispunkten aufweisen. Das ist extrem wenig. Damit meine ich, dass die Risikoprämie sehr, sehr niedrig ist.
Ursache hierfür sind fehlende Absicherungsanforderungen oder eine mangelnde Nachfrage nach REIT CDS.
Das ist der Grund, aus dem sich REIT CDS in dieser äußerst engen Spanne befinden.
Man könnte hierbei zu dem Schluss kommen, dass sich REIT CDS hervorragend dafür eignen, ein breites Kreditportfolio vor allgemeiner Marktvolatilität abzusichern. Man kann diesen Schutz günstig kaufen, und wenn es am Markt nachhaltig zu massiven Verkäufen kommt, impliziert diese Illiquidität, dass sich der CDS weiten dürfte.
Mit anderen Worten ist es wahrscheinlich, dass der Preis dieser Versicherung stark steigt.
Damit ist Illiquidität unter anderem davon gekennzeichnet, dass sie zu unregelmäßigen Bewegungen und großen Kursschwankungen führt. Das ist verständlicherweise vielen ein Gräuel, doch das liegt häufig daran, dass diese Bewegungen falsch genutzt werden. Anders sieht es aus, wenn man sich richtig positioniert. Denn dann wird Illiquidität zum Segen – und nicht zum Fluch.
Divergenz: Transaktionen von US-Primärhändlern und Bestand an Unternehmensanleihen

Quelle: Thomson Reuters Datastream. Daten per 15.02.2017.
Ich verweise hier auf dieses Beispiel, aber insbesondere im Anleihenbereich gibt es noch viele weitere. Bisweilen lassen sich weniger liquide Instrumente auch dafür verwenden, bestehende Positionen abzusichern. Umgekehrt kann sich Illiquidität auch bei Long-Positionen auszahlen. So kann man einen Vermögenswert kaufen, der im Zuge einer Verknappung bei einem aufwärts tendierenden Markt unter Druck gerät und bei einem Aufwärtstrend besonders gut abschneiden kann. Entsprechend sollte meines Erachtens jeder, der Illiquidität noch nicht für sein eigenes Geschäftsmodell oder seine Strategie genutzt hat, dies unbedingt in Erwägung ziehen.
Gleichzeitig sollten sich Anleger auf Anleihen konzentrieren, die bei einer potenziellen Verschlechterung der Liquidität eine angemessene Entschädigung bieten, insbesondere wenn sich das Umfeld volatiler gestaltet.
Statt sich über mangelnde Liquidität zu beklagen, die ohnehin ein dauerhaftes Merkmal der Märkte darstellt, muss man vorhandene Strategien anpassen, um für Flexibilität zu sorgen bzw. diese zu erhöhen. Keinesfalls jedoch sollte man die eigene Anlagephilosophie ändern oder aufgeben. Vielmehr ist ein Instrumentarium erforderlich, mit dem sich Illiquidität und das Lückenrisiko nutzen lassen.
Weitere Informationen zu Rentenstrategien von Pictet Asset Management finden Sie hier.
Raymond Sagayam
Raymond Sagayam kam 2010 als Senior Investment Manager zum Total Return Credit Team von Pictet Asset Management.
Bevor er zu Pictet kam, war Raymond Sagayam Geschäftsführer bei Swiss Re Asset Management, wo er sich als Leiter für Dollar- und Euro-Anlagen um Kredit Relative-Value-Strategien kümmerte. Davor arbeitete er für Bank Brussels Lambert (ING) im Handel mit US-Unternehmensanleihen. Er hat mit Unternehmensanleihen aus allen wichtigen Regionen gehandelt und begann seine berufliche Laufbahn 1997 bei ING Barings im Bereich Schwellenländer.
Raymond Sagayam hat einen BSc in Wirtschaft der London School of Economics & Political Science (LSE) und einen Master („Contemporary Theology in the Catholic Tradition“) des Heythrop College der University of London. Zudem ist er Chartered Financial Analyst (CFA).
1) Beispielsweise waren die größten 100 leistungsorientierten Unternehmenspensionspläne zu weniger als 76% kapitalgedeckt (laut Milliman, einer Consultingfirma für die Finanzdienstleistungsbranche). Doch bis Ende Januar dieses Jahres war diese Zahl auf 81,6% angestiegen. Schätzungen von Milliman zufolge dürfte diese Finanzierungslücke in einem optimistischen Szenario bis zum Sommer 2018 weitgehend verschwinden, wenn der Abzinsungssatz von 4% Ende Januar um ca. 100 Basispunkte steigt. Mehr dazu unter http://us.milliman.com/PFI/