Es waren die Sommer- und Herbstmonate der umgedrehten Vorzeichen. Trotz vieler negativer Nachrichten von Syrien-Krise über die Währungen der Schwellenländer bis hin zu US-Budget-Problemen entwickelten sich die Märkte positiv. So legte der Euro Stoxx 50 in diesem Jahr um ca. 22 Prozent zu, und im innenpolitisch aufgewühlten Frankreich stieg der CAC 40 ebenfalls um über 20 Prozent. Der S&P 500 stellt seit April regelmäßig neue Rekorde auf und notiert derzeit über 1.800 Punkten – ebenso wie der DAX mit zuletzt um 9.400 Punkten. Das Kursfeuerwerk an den Börsen wurde im Herbst begleitet von einer Rückkehr der Volumina in weiten Teilen Europas. Gerade Value-Investoren profitierten von dieser „paradoxen“ Situation: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis vom Stoxx Europe 600 liegt mit 14 unter dem S&P 500 mit 17 und bietet somit immer noch genügend Chancen bei gut geführten, ertragreichen Unternehmen in Europa.
Der positive Trend sollte sich 2014 fortsetzen. Wir erwarten für die Eurozone ein langsames Wachstum von 0,8 Prozent (Gesamteuropa 1,3 Prozent) und kein erneutes Aufflackern der Eurokrise – der EZB sei Dank. Da die europäischen Währungshüter nicht den „Tapering“-Ankündigungen der Fed folgen und die Zinsen weiterhin niedrig halten dürften, wird die Stimmung an den Märkten im nächsten Jahr ebenso günstig bleiben wie die Refinanzierungskosten für europäische Unternehmen. Dennoch gehen wir davon aus, dass sich in Europa auf Sicht der nächsten fünf bis zehn Jahre kein steiles, sondern nur ein langsames, stetiges Wachstum abzeichnen wird.
„Whatever it takes“: Europa ist nicht Japan – Politik bleibt jedoch Unsicherheitsfaktor
So mancher Augur malt schlimmste Deflationsszenarien an die Wand, wonach Europa das neue Japan sei. Richtig ist: Ein antiinflationäres Umfeld wird uns durch das ganze Jahr 2014 tragen, Deflation ist jedoch nicht zu befürchten. Mario Draghis berühmt-berüchtigtes „Whatever it takes“ ist keine leere Worthülse, sondern klare Richtschnur für alle Marktakteure. Insofern werden wir nicht vor Regalen voller nicht verkaufter Waren stehen, und die im Überfluss vorhandene Liquidität wird weiterhin in Aktien fließen. Das positive ökonomische Umfeld dürfte ein Anziehen der M&A-Transkationen und dadurch zusätzliche Impulse für die Märkte bewirken.
Es sind aber auch Unsicherheitsfaktoren vorhanden, die nicht zu beschönigen sind: Frankreichs Politik gibt derzeit keinen Grund zu unbegrenztem Vertrauen, dringend nötige Reformen werden aus Angst vor den Bürgern nicht angegangen. Sollten nicht plötzlich die ersehnten Konzepte aus der Pipeline sprudeln, dürfte sich die politische Lage 2014 auf das Wachstum von Europas zweitgrößter Volkswirtschaft direkt auswirken. Trotz aller politischen Unsicherheiten trauen wir Frankreich im nächsten Jahr echte Überraschungen zu: Wird der Druck auf die Entscheider in Paris zu groß, könnte es mit Reformen viel schneller gehen, als aktuell möglich erscheint. Dass viele große französische Unternehmen ihr Geschäft sowieso nur in begrenztem Maße zwischen Ärmelkanal und Mittelmeer tätigen, entkoppelt die wirtschaftliche Entwicklung ein zusätzliches Stück.
Für die kommenden Wahlen zum europäischen Parlament im Mai 2014 prognostizieren Umfragen derzeit eine starke antieuropäische Rechte. Besonders der Wahlkampf wird unter Investoren zu einiger Verunsicherung über die künftige Verlässlichkeit Europas führen. Dennoch glauben wir, dass die Meinungen der Extremisten sich nicht im befürchteten Ausmaß an der Wahlurne zeigen werden – Europas Bürger kennen trotz aller Krisen den Wert des europäischen Gemeinschaftsprojekts und damit auch ihre Verantwortung dafür.
Auch die griechischen und italienischen EU-Ratspräsidentschaften im nächsten Jahr dürften eher Anlass zu Optimismus geben. Beide Länder müssen Reputation zurückgewinnen, was nur mit einer gehörigen Portion „commitment“ und durchdachter politischer Agenda geschehen kann.
USA weiter auf Erholungskurs, China bleibt Favorit in Emerging Markets
Die USA werden ihren Erholungskurs fortsetzen und 2014 ein entscheidender Motor der Weltwirtschaft bleiben. Eine sinkende Arbeitslosenquote von prognostizierten 6,9 Prozent und ein erwartetes Wachstum von 2,5 Prozent im ersten Halbjahr 2014 sind die offensichtlichsten Anzeichen dafür. Dennoch sollten Anleger bedenken: Die Budget-Diskussionen zwischen Republikanern und Demokraten im Spätsommer 2013 wurden zwar von den Märkten mit einiger Fassungslosigkeit beobachtet und haben pro Shutdown-Woche 0,2 Prozent Wachstum gekostet, zu großflächigen (Panik-) Reaktionen kam es jedoch nicht. Sollten ähnliche politische Diskussionen in 2014 mit gleicher Kompromisslosigkeit geführt werden oder es sogar zu einem erneuten Shutdown kommen, dürften die Märkte mit deutlicheren Rückschlägen reagieren – jedoch mit nur mäßigen Auswirkungen auf Europa. Im Jahr 2014 steht zudem der wohl bedeutendste Amtsantritt der Weltwirtschaft an: Janet Yellen übernimmt den Vorsitz der Fed. Noch ist nicht absehbar, welche Akzente sie setzen wird. Die Märkte werden jedoch sehr sensibel reagieren, was die grundsätzlich hohe Volatilität nicht mildert.
Im nächsten Jahr dürften wir auch ein Wiedererstarken der Emerging Markets als Investmentthema beobachten können. Davon profitieren auch europäische Unternehmen, mit entsprechendem Geschäftsanteil in diesen Märkten. Besonders für China sind die Aussichten positiv. Neben vernünftig bewerteten Märkten wird die asiatische Lokomotive von beschleunigten politischen Reformen und steigendem Konsum profitieren. Die Agenda der Machthaber in Peking erscheint vielversprechend – gerade die Ansätze zur Modernisierung des Landes.
Anlagestrategie: Europäische Aktien und Anleihen vielversprechend
Das neue Jahr 2014 bietet alles in allem Grund zu (Anleger-)Optimismus, aber mit Augenmaß: Europa bleibt attraktiv und ist für uns bevorzugte Anlageregion. Auch wenn weiterhin reichlich Liquidität in die Aktienmärkte fließt, sehen wir die Gefahr einer Blase derzeit nicht. Vielmehr gehen wir davon aus, dass die europäischen Indizes etwa acht Prozent im gesamten Jahr 2014 zulegen können. Falls es wider Erwarten doch zu verfestigten deflationären Tendenzen in Europa kommt, sollten Anleger auf Anleihen und europäische Unternehmen mit globalem Geschäft umschichten. Außerhalb Europas bleibt China unser Favorit für 2014.
Auf Ebene der Einzeltitel ist ein genauer Blick nötig: Bei Wachstumstiteln lohnt zwar ein Einstieg in qualitativ-hochwertige Zykliker. Gerade in Frankreich kommen hier aufgrund ihrer globalen Präsenz einige Titel in Betracht. Wo jedoch gute Zahlen und hohe Bewertungen erreicht sind, können bei entsprechenden Depot-Übergewichtungen Gewinne mitgenommen werden, denn vielfach sind Kurs-Gewinn-Ausweitungen auf breiter Front kaum mehr möglich. Die Rendite wird sich in 2014 bei vielen Titeln mehr denn je aus freiem Cash-flow bzw. Dividenden ergeben, was die Stärken von Value-Aktien ausspielt. Eine Besonderheit sind Werte in Turnaround-Situationen. Haben sich Anleger über einen längeren Zeitraum versichert, dass ein Unternehmen auf dem richtigen Weg ist, können auch vermeintliche Wackelkandidaten eine echte Rendite-Säule im Portfolio sein.
Für Anleihen wird der alles bestimmende Faktor in 2014 das Tapering-Programm der Fed. Daher halten wir in unseren gemischten Portfolios Corporate-Bonds mit kurzer Duration, die weniger sensitiv auf mögliche Ankündigungen der US-Notenbank reagieren werden. Zur Verbesserung der Rendite bleibt unser Blick auf das „High yield-" und „Non rated-" Segment gerichtet. Hier sehen wir seit zwei Jahren sinkende Ausfallrisiken, und in einem anziehenden wirtschaftlichen Umfeld wird sich daran nicht allzu viel ändern.
Autor: Pierre Puybasset, Sprecher des Fondsmanagements bei Financière de l’Echiquier