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Südafrika: Ist das Schlimmste der Energiekrise vorüber?

Markets and NewsSüdafrika: Ist das Schlimmste der Energiekrise vorüber?

Ein Kommentar von Robert Davy, Emerging Markets Equities Fonds Manager bei Schroders und Andrew Rymer (Bild), CFA & Senior Strategist, Strategic Research bei Schroders zu den Entwicklungen in Südafrika, wo in diesem Jahr Wahlen bevorstehen: Im April letzten Jahres hatten wir eine positive Einschätzung zu Südafrikas veröffentlicht. Und auch wenn der Markt seither schlechter abgeschnitten hat als der anderer Schwellenländer, gab es einige positive Entwicklungen, die unsere positive Meinung untermauern.

So hat sich dank des privaten Sektors die Stromkrise allmählich entschärft und sowohl die Anzahl der Tage als auch der Schweregrad der Lastabwürfe (Energierationierung) sind zurückgegangen. Gleichzeitig sind die Anleiherenditen weltweit und in Südafrika gesunken.

Weitreichende Reformen kamen aber nur langsam voran und eine alternde Infrastruktur, Ineffizienzen und andere Faktoren beeinträchtigten weiter den Betrieb der staatlichen Gesellschaft Transnet, der Betreibergesellschaft der Häfen, des Schienengüterverkehrs und von Pipelines.

Warum der südafrikanische Markt denen anderer Schwellenländer hinterher hinkt

Seit unserer Analyse im vergangenen April hatte sich der südafrikanische Markt schlechter entwickelt als der anderer Schwellenländer. Ausschlaggebend dafür sind mehrere Gründe. So sorgten Vorwürfe, Südafrika liefere Waffen an Russland, im Mai letzten Jahres für einen Rückgang der in Dollar umgerechneten Aktienkurse um fast 15 %. Die Krise in der Energieversorgung verschlimmerte sich, bevor sich die Lage in letzter Zeit wieder besserte. Gleichzeitig führte die Abhängigkeit von den US-Zinsen dazu, dass der Markt im dritten Quartal etwas schwächelte. Sinkende Metallpreise drückten den Markt zusätzlich, und auch Index-Schwergewicht Naspers, dessen Entwicklung vor allem durch die Beteiligung am chinesischen Konzern Tencent bestimmt wird, erwies sich als erhebliche Belastung.

 

Schwache Wachstumsaussichten zumindest noch für 2024

Im dritten Quartal schrumpfte Südafrikas Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 %, und das Ergebnis für das zweite Quartal wurde nach unten korrigiert, weil Lastabschaltungen und logistische Herausforderungen die Wirtschaftstätigkeit einschränkten. Für das Gesamtjahr 2023 dürfte das BIP-Wachstum Schätzungen der Zentralbank zufolge etwa 1 % betragen, wobei die Auswirkungen der Lastabwürfe ein Minus von zwei Prozentpunkten ausmachen.

Wir gehen davon aus, dass die Talsohle damit bereits durchschritten ist.

Und auch wenn eine rasche Erholung nicht zu erwarten ist, rechnen wir damit, dass die dem Wachstum abträglichen Faktoren in den nächsten Jahren allmählich zurückgehen. Allerdings dürften die bescheidenen Verbesserungen, die im Bereich der Stromversorgung zu erwarten sind, durch geringere Exporte im Zuge der niedrigeren Preise für Platingruppenmetalle (PGM) ausgeglichen werden. Der IWF rechnet so für das Jahr 2024 mit einem Wirtschaftswachstum von knapp 1 %.

Inflation im Zielkorridor der Notenbank

Die Inflationsrate lag im November bei 5,5 % und blieb damit innerhalb des Zielkorridors der Zentralbank von 3 bis 6 %. Nachdem die Zentralbank den Leitzins von einem Tiefstand im November 2021 bei 3,5 % schrittweise auf 8,25 % angehoben hatte, nahm sie zuletzt von Zinsänderungen Abstand. Generell herrscht nun die Erwartung vor, dass die Zinsen damit ihren Höhenpunkt erreicht haben dürften.

Die höheren Zinsen führten dazu, dass die Haushalte weiter unter Druck gerieten und den Konsum in den letzten 12 Monaten deutlich dämpften. Erwähnenswert ist auch die nach wie vor hohe Inflationsrate bei Nahrungsmitteln von 9,0 % im Jahresvergleich.

Langfristige Herausforderungen bleiben – aber es gibt schrittweise Verbesserung

Der Mangel an Energie ist nach wie vor eine große Belastung für das Wirtschaftswachstum. Ein weiteres Problem ist die Logistik, die den Export von Kohle, Eisenerz und anderen Rohstoffen behindert. Beide Wirtschaftssektoren werden von staatlichen Unternehmen dominiert, die aufgrund von Missmanagement in Schwierigkeiten geraten sind.

Entscheidend für Anleger:innen in Südafrika ist jedoch, dass der private Sektor dazu beitragen kann, all diese Herausforderungen langfristig und nachhaltig zu bewältigen. Die damit verbundenen Probleme – dass Lösungen nicht schnell umgesetzt werden können, weil zum Teil politische Faktoren dies verhindern, – haben wir in unserem letzten Kommentar erörtert.

Eine weitreichende Reform, die bereits durchgeführt wurde, ist die Aufhebung der Obergrenzen für die private Stromerzeugung. Offizielle Stellen rechnen nun damit, dass bis Ende 2024 vier Gigawatt (GW) in das Netz eingespeist werden. In Verbindung mit betrieblichen Verbesserungen beim staatlich kontrollierten Stromversorger Eskom dürfte dies dazu führen, dass in den Jahren 2024 und 2025 weniger Stromausfälle vorkommen dürften. Daneben erließ der Staat Eskom Schulden und versetzt das Unternehmen damit in die Lage, Investitionen in das Netz vorzunehmen, um sich so für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zu rüsten.

Stromausfälle könnten 2024 auch erheblich reduziert werden, wenn einige Kraftwerke nach Reparaturen wieder ans Netz gehen, und der Zubau von erneuerbaren Energien sowie eine geringere Nachfrage durch die Umstellung einiger Haushalte und Unternehmen auf eine netzunabhängige Stromversorgung dürften ebenfalls zu einer stabileren Energieversorgung beitragen. Daher dürfte das Jahr 2023 den Höhepunkt der Energiekrise in Bezug auf Lastabschaltungen markieren.

Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung

Seit über 15 Jahren verzeichnet Südafrika ein Haushaltsdefizit, und die Regierung geht davon aus, dass die Schuldenquote in Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis zum Ende des laufenden Haushaltsjahres, das im März 2024 endet, auf 75 % ansteigen wird. Der sprunghafte Anstieg der Metallpreise in den letzten Jahren, insbesondere der PGM-Preise, hatte sich positiv auf den Haushalt ausgewirkt. Mit den nun fallenden Metallpreisen schwinden diese unerwarteten Steuereinnahmen jedoch, zudem belasten die Rettungsmaßnahmen für staatliche Unternehmen die Haushaltskassen erheblich. Auch die Bewältigung der Lohnkosten im öffentlichen Sektor stellt eine Herausforderung für die Regierung dar.

Trotz düsterer Aussichten für den Haushalt hat die Regierung Ende Oktober letzten Jahres ihre Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung bekräftigt. Die während der Pandemie eingeführte Sozialhilfe Social Relief of Distress (SRD) wurde um ein weiteres Jahr bis März 2025 verlängert, aber das Finanzministerium stellte klar, dass diese längerfristig anderweitig finanziert werden müsse. Positiv war auch die zweijährige Einigung über die Löhne im öffentlichen Dienst. Angesichts der laufenden Tarifverhandlungen und der bevorstehenden Parlamentswahlen darf jedoch das Risiko einer Haushaltsverschlechterung nicht außer Acht gelassen werden.

2020 und 2021 waren zum ersten Mal seit 2002 ein Leistungsbilanzüberschuss verzeichnet worden. 2023 dürfte angesichts der Rohstoffexportpreise jedoch wieder ein Defizit angefallen sein.

Für internationale Anleger:innen macht sich das Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit bei der Umrechnung in US-Dollar verstärkt bemerkbar. Würden sich die globalen Rohstoffpreise 2024 wieder erholen, dürfte das eine willkommene Erleichterung bringen, ebenso wie niedrigere US-Zinsen und ein schwächerer US-Dollar.

Unsicherheit durch die bevorstehenden Wahlen

Zwischen Mitte Mai und Ende August dieses Jahres finden in Südafrika Wahlen statt. Es wird erwartet, dass die Partei Afrikanischer Nationalkongress (ANC), die das Land seit 1994 regiert, an der Macht bleibt. Wenn sich die Meinungsumfragen nicht drastisch ändern, ist die entscheidende Frage damit aber, wie groß die potenzielle Mehrheit der ANC sein wird oder ob die ANC eine Koalition bilden muss. Die Antwort auf diese Frage dürfte Auswirkungen auf den zukünftigen Reformkurs haben, denn ein möglicher Koalitionspartner könnte zu einer weniger marktfreundlichen Politik führen. Entscheidend ist ein Stimmenanteil der ANC von 45 %: Jedes schlechtere Ergebnis würde wahrscheinlich eine Koalition mit einer kleineren, weniger marktfreundlichen Partei erfordern.

Daneben besteht ein Risiko in der Konzentration der Macht auf eine Person: Präsident Ramaphosa war die treibende Kraft hinter den bescheidenen Reformfortschritten der vergangenen Jahre, und es gibt keine offensichtlichen glaubwürdigen Kandidat:innen mit breiter Unterstützung innerhalb der Partei, die das Ruder übernehmen könnten.

Unserer Einschätzung nach wird der ANC an der Macht bleiben und der Reformkurs fortgesetzt, wenn auch nur schrittweise. Von alternativen Szenarios gehen wir nicht aus – aber diese bergen ein erhöhtes Risiko, da sie ein größeres Ausmaß an potenziellen politischen Veränderungen mit sich bringen dürften und die Möglichkeit besteht, dass Reformen ins Stocken geraten oder rückgängig gemacht werden.

Bewertungen auf günstigem Niveau

Die Gesamtmarktbewertungen für den MSCI South Africa Index sind im Vergleich zu ihrem historischen Durchschnitt auf Basis eines zusammengesetzten Z-Scores günstig. Diese Kennzahl umfasst das nachlaufende Kurs-Gewinn-Verhältnis, das 12-Monats-Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis, das Kurs-Buchwert-Verhältnis und die Dividendenrendite.

Mit Blick auf eine Reihe von Kennzahlen ist der südafrikanische Markt im Vergleich zu den Märkten anderer Schwellenländer günstig bewertet. Insbesondere beim Kurs-Buchwert-Verhältnis ist der Aufschlag des Marktes gegenüber dem breiten Durchschnitt der Schwellenländer vollständig verschwunden, wie die nachstehende Grafik zeigt.

Der südafrikanische Rand ist im historischen Vergleich billig; nur die türkische Lira notiert noch weiter von ihrem langfristigen Durchschnitt entfernt. Auf Basis des realen Wechselkurses wird der Rand rund 30 % unter seinem historischen Durchschnitt seit 1995 gehandelt, 10 % auf Basis der letzten fünf Jahre.

Der genaue Blick zeigt unterschiedliche Entwicklungen auf

Seit unserer Analyse im April 2023 ist der südafrikanische Markt denen größerer Schwellenländer hinterhergehinkt. Der bei weitem schwächste Sektor war der Rohstoffsektor, der rund 23 % des MSCI South Africa ausmacht. Grund dafür waren die rückläufigen Rohstoffpreise. Auch Kommunikationsdienste, die etwa 7 % des Index darstellen, entwickelten sich sehr schwach. Der einzige weitere Sektor, der sich negativ entwickelte, war der der zyklischen Konsumgüter. Dieser Sektor macht rund 20 % des Index aus und wird von Naspers dominiert, dessen wichtigster Vermögenswert das chinesische Unternehmen Tencent ist.

Dennoch gab es einige Sektoren, die dem Trend am Gesamtmarkt trotzten. So profitierten Finanzwerte, die 35 % des Index ausmachen, von höheren Zinsen. Und Basiskonsumgüter, die rund 8 % des Index darstellen, verzeichneten im gleichen Zeitraum zweistellige Gewinne.

Unsere Meinung zu Südafrika

Die Wirtschaft Südafrikas steht weiterhin vor strukturellen Herausforderungen, und Reformen kommen nur langsam voran. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass der Privatsektor aktiv wird, um die Herausforderungen zu bewältigen, zum Beispiel im Energie- und Logistiksektor. So sind Stromausfälle seltener geworden. Dennoch sind die längerfristigen Wachstumsaussichten nach wie vor mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

Wenn die Zinsen weltweit im Laufe des Jahres sinken, sollte das auch südafrikanischen Assets zugutekommen. Darüber hinaus sehen wir beim Blick auf die Fundamentaldaten der Unternehmen einige attraktive, qualitativ hochwertige Opportunitäten. Insbesondere bei den einheimischen Unternehmen dürften sich die Ertragsaussichten in diesem Jahr verbessern, nachdem im vergangenen Jahr noch Stromabschaltungen und höhere Zinsen belastet hatten.

Gleichwohl verunsichern die bevorstehenden Parlamentswahlen. Diese bergen das Risiko, dass die regierende ANC-Partei ihre Mehrheit verliert und der ohnehin langsame Reformkurs ins Stocken geraten könnte. Vor diesem Hintergrund halten wir an unserer positiven Einschätzung des Marktes fest – wenngleich wir dazu raten, vorsichtig zu agieren.