Manchmal ändert sich der Lauf der Geschichte in einem Augenblick. Das konnten auch Anleger an den Kapitalmärkten beobachten, denn die Stimmung hat sich radikal gewandelt. „Zu Jahresbeginn dominierten die USA noch unangefochten die Kapitalmärkte. Doch mit den ersten Dekreten der neuen Regierung hat sich der Wind um 180 Grad gedreht“, schreibt Laurent Denize, Co-CIO von ODDO BHF, in seinem monatlichen Investment-Brief. Hatten nach Trumps Wahlsieg Anleger darauf gesetzt, dass sich seine Politik sowohl positiv auf das US-Wachstum, Inflation und Anleiherenditen als auch auf US-Aktien, den US-Dollar und Kryptowährungen auswirken würde, gerieten letztere bald darauf unter Verkaufsdruck. Indes legten europäische und chinesische Aktien sowie Finanzwerte und Gold zu.
Vertrauensverlust in den USA
In Europa wurden die Gewinnschätzungen für 2025 und 2026 deutlich nach oben korrigiert. Mit 12 Mrd. EUR Nettozuflüssen in europäische Aktienfonds stieg das Interesse europäischer Anleger am eigenen Kontinent. Diese Dynamik könnte auch Unternehmen aus der zweiten Reihe, insbesondere Mid-Caps, erfassen. In den USA wurden, anders als erwartet, nicht zuerst Deregulierung und Steuersenkungen vorangetrieben. Das Vertrauen der Anleger litt unter weniger marktfreundlichen Maßnahmen wie Zöllen, dem Kampf gegen Migration und dem Vorgehen der Behörde DOGE. „Es ist möglich, dass die protektionistische Neuausrichtung der Handelspolitik, die dem eigenen Land langfristig schadet, zurückgedreht wird, wenn sich die negativen Folgen nicht nur an den Finanzmärkten, sondern auch in der Realwirtschaft zeigen“, erläutert Denize. Die Unsicherheit werde Investoren, Konsumenten und Unternehmen zunächst jedoch weiter begleiten. Indikatoren wie verhaltene Einkaufsmanagerindizes lassen Rezessionsängste aufkommen.
Entschlossenes Europa
Europa zeigt sich nach Trumps Bruch mit der transatlantischen Partnerschaft entschlossen. „Nach Jahren des Stillstands beweisen die europäischen Staaten – darunter auch das Vereinigte Königreich, das sich dem Kontinent wieder stärker zuwendet –, dass sie der neuen Situation gewachsen sind und rasch handeln können“, schreibt der Co-CIO von ODDO BHF. Ankündigungen aus Deutschland und der EU, neue Schulden für Investitionen aufzunehmen, heben Kurse und Stimmung an den Märkten. Es werde entscheidend sein, ob die EU einen Handelskrieg mit den USA abwenden könne. „Wir bleiben in unseren Investmententscheidungen optimistisch für europäische Mid Caps und dividendenstarke Unternehmen und setzen insbesondere auf Deutschland“, schreibt Denize. Der Fokus liege auf dem MDAX und auf europäischen Value-Aktien.
Attraktive Unternehmen in China
Potenzial liegt auch in China. Die politische Führung setzte mit einem Wirtschaftswachstumsziel von 5% ein wichtiges Signal, um die Wirtschaft zu stützen. „China hat zudem einen Handelskrieg weniger zu fürchten als Europa, da es stärker auf die Entwicklung eigener Technologien und den Ausbau der Exporte in Länder des globalen Südens gebaut hat“, ergänzt der Co-CIO. Große chinesische Technologieunternehmen seien derzeit unterbewertet. Trotz eines höheren Risikos biete China Anlegern Chancen für ein stärkeres Engagement.
Rückenwind für Europa und China
Höhere Renditen am Anleihemarkt weisen darauf hin, dass ein stärkeres Wachstum in der Eurozone und ein steigendes Emissionsaufkommen zur Finanzierung von Infrastruktur und Verteidigung wohl angemessen eingepreist sind. „Die möglichen umfangreichen, auf längere Dauer angelegten Konjunkturmaßnahmen in Deutschland lassen es jedoch wahrscheinlich erscheinen, dass die deutsche Wirtschaft die Stagnation überwinden wird und damit auch die Konjunktur in der Eurozone beleben könnte“, analysiert Denize. So könnten Renditen in den kommenden Monaten leicht steigen. Im Anleihesegment ist Denize für Investment-Grade-Unternehmensanleihen optimistisch und rät bei Hochzinsanleihen zur Vorsicht. Die Unberechenbarkeit Trumps, spreche für weiterhin höhere Volatilität . Die Stimmung habe sich schnell verschlechtert. Die gute Nachricht sei, dass sich in anderen Regionen wie Europa und China der Wind zum Positiven drehen könnte.
Bild © ODDO BHF Asset Management