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Nachhaltige Finanzen in der EU: Ein Gespräch mit Karsten Kührlings über die Sustainable Banking Coalition

OpinionsNachhaltige Finanzen in der EU: Ein Gespräch mit Karsten Kührlings über die Sustainable Banking Coalition

Erfahren Sie mehr über die Aktivitäten der GLS Investments in Brüssel, wo sie mit nachhaltigen Banken und Fintechs zusammenarbeitet, um die EU-Regulierung für nachhaltige Finanzen aktiv mitzugestalten. Im Gespräch beleuchtet Karsten Kührlings, Geschäftsführer der GLS Investments, die Gründung der “Sustainable Banking Coalition” (SBC) und deren Ziel, einen nachhaltigen Finanzsektor in der EU zu fördern. Zudem beschreibt er die Herausforderungen für die EU bei der Schaffung eines robusten Rahmens für nachhaltige Finanzen und die aktuellen Bestrebungen, nachhaltige Finanzinstrumente zu definieren und transparenter zu gestalten.

Herr Kührlings, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen. Welche Herausforderungen sehen Sie in der aktuellen Nachhaltigkeitsregulierung in der EU?

Karsten Kührlings: Eine der größten Herausforderungen ist die Gefahr einer Rückabwicklung von Regulierungsmaßnahmen, die Transparenz und Vergleichbarkeit in der Nachhaltigkeitsberichterstattung gefährden könnte. Ein instabiles regulatorisches Umfeld führt zu Unsicherheiten bei Unternehmen und einem Vertrauensverlust bei Investoren, die zunehmend Wert auf verifizierbare Nachhaltigkeitskriterien legen.

Sie engagieren sich mit der GLS Gruppe in der Sustainable Banking Coalition (SBC). Warum? Können Sie uns einen Überblick über die Organisation und deren Ziele geben?

Karsten Kührlings: Sehr gerne. Die Sustainable Banking Coalition wurde im November 2023 in Brüssel gegründet. Sie vereint nachhaltige Banken, Neobanken, Kreditgenossenschaften und Fintechs mit dem Ziel, Nachhaltigkeitsthemen aktiv in die EU-Regulatorik einzubringen. In der aktuellen politischen Lage ist ein funktionierendes Rahmenwerk für nachhaltige Finanzen von entscheidender Bedeutung. Kurzfristige Profite haben auch in den EU-Gremien eine große Lobby. Da braucht es ein Gegengewicht.

Was sind die Hauptanliegen der SBC?

Karsten Kührlings: Ein zentrales Anliegen der SBC ist es, unsere gesammelte Expertise und bewährte Praxisbeispiele aus Jahrzehnten nachhaltiger Finanzwirtschaft in die politische Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Wir vernetzen uns mit der Zivilgesellschaft, EU-Parlamentarier*innen und der EU-Kommission, um eine gemeinsame Stimme für den nachhaltigen Finanzsektor zu etablieren. Letztes Jahr ist die Initiative insbesondere durch ihre Kampagne #EUSwitchBanks bekannt geworden. Die #EUSwitchBanks Kampagne fordert, dass die EU Institutionen ihr Geld von Banken, die weiterhin von der fossilen Industrie profitieren, weg und hin zu nachhaltigen Instituten lenken. In künftigen öffentlichen Aufträgen sollen nachhaltige Kriterien integriert werden, um die EU zu einem nachhaltigen Finanzsystem zu führen. Desweiteren hat sich die SBC öffentlich zu den Deregulierungsmaßnahmen der EU geäußert. Hier droht eine Verwässerung.

Sie sprechen die Omnibus-Gesetzgebung an. Was sind die potenziellen Auswirkungen dieser Bestrebungen der EU?

Karsten Kührlings: Die Omnibus-Gesetzgebung könnte wesentliche Teile der bestehenden Nachhaltigkeitsregulierung zurücknehmen. Dies würde zwar auf den ersten Blick Unternehmen entlasten, birgt jedoch das Risiko einer verwässerten Berichterstattung und unklaren Nachhaltigkeitskriterien. Umfassende und verifizierbare Nachhaltigkeitsdaten sind für Investitionsentscheidungen essenziell. Dennoch glaube ich, dass viele Unternehmen sich bereits fest auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung eingestellt haben und auch weiterhin einen Mehrwert darin erkennen. Schließlich hängt auch die eigene unternehmerische Risikobewertung eng mit Nachhaltigkeitsdaten zusammen.

Die Regulierung ist nicht nur in der Umsetzung kompliziert und anspruchsvoll für Unternehmen und Investor*innen, sondern auch für Retail Investor*innen schwer zu verstehen. Wie sollen Sie erkennen, welche Produkte wirklich nachhaltig sind?

Karsten Kührlings: Auch dafür gibt es Bestrebungen in der EU. Doch die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) hat keine klare Kategorisierung nachhaltiger Fonds geschaffen, sondern dient lediglich als Offenlegungsverordnung. Um zusätzlich Klarheit in der Kategorisierung Transparenz zu schaffen, muss die Überarbeitung der SFDR mit höchstem Anspruch vorangetrieben werden. Eine Arbeitsgruppe der SBC erarbeitet derzeit ein Positionspapier mit politischen Forderungen zur Reform der SFDR.

Diese Reform sollte eindeutige nachhaltige Produktkategorien, verbindliche Offenlegungsanforderungen für fossile Investitionen sowie eine bessere Harmonisierung mit verwandter Gesetzgebung beinhalten. Gleichzeitig sollte die Beweislast stärker auf Institutionen mit fossilen Geschäftsmodellen verlagert werden, um unverhältnismäßige regulatorische Hürden für kleine, nachhaltige Finanzakteure zu reduzieren.

Ungeachtet der regulatorischen Hürden stehen wir weiterhin vor großen ökologischen Herausforderungen und hohen Finanzierungslücken. Wie kann die EU dazu beitragen, Kapital optimal zu lenken?

Karsten Kührlings: Um die anstehende Finanzierungslücke der nachhaltigen Transformation der EU zu schließen, muss die Allokation öffentlicher Mittel genutzt werden, um private Investitionen in zukunftsweisende Sektoren anzuziehen. Eine effiziente Nutzung der EU-Finanzmittel erfordert die konsequente Umlenkung von Ressourcen weg von fossilen Projekten hin zu wettbewerbsfähigen und resilienten Zukunftsprojekten. Eine enge Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Finanzakteuren birgt große Potenziale. Ziel ist es, die Milliardenbeträge aus EU-Budgets effizienter für soziale und ökologische Projekte einzusetzen und somit die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der europäischen Wirtschaft zu stärken. Innovative Finanzinstrumente könnten dabei eine zentrale Rolle spielen.

Wie sieht die Rolle der EU in der globalen Nachhaltigkeitspolitik aus?

Karsten Kührlings: Die EU sieht sich als Vorreiter nachhaltiger Finanzregulierung, steht jedoch weltweit gegenläufigen Entwicklungen gegenüber. Europa muss seine Nachhaltigkeitsagenda entschlossen weiterverfolgen und mit globalen Partnern zusammenarbeiten, um Standards zu harmonisieren. Ein stark regulierter und nachhaltiger Finanzmarkt in Europa könnte langfristig als Modell für andere Regionen dienen. Die SBC kann dabei unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kührlings.

Bild © GLS Investments

Dieser Beitrag resultiert aus der Podcast-Episode “Sustainable Finance & politischer Einfluss der GLS Investments” mit Karsten Kührlings, GLS Investments. Hören Sie doch mal rein.