Wednesday 21-May-2025
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ESG-Regulierung ist in allen Teilen der Immobilienbranche angekommen

Press ReleasesESG-Regulierung ist in allen Teilen der Immobilienbranche angekommen

Für Banken und institutionelle Investoren ist ESG bereits fester und wachsender Bestandteil des Tagesgeschäfts. Damit steigt der Druck für alle weiteren in der Immobilienwirtschaft tätigen Unternehmen, sich ebenfalls mit den Details der Regulierung zu befassen. Das bestätigten die Teilnehmer einer Online-Pressekonferenz zum Thema „ESG in der Praxis“: Lisa Backes, Vorständin von Hauck & Aufhäuser Fund Services, Mareike Lechner, Vorständin der immobilien-experten-ag., Thomas Heidelberger, Geschäftsführer der REIC-Gruppe, und Stefan Hoenen, Leiter Immobilienkunden Süd-West Deutschland bei der Hamburg Commercial Bank.

„Die Inhalte der EU-Taxonomie sind maßgeblich für uns und werden noch um weitere interne Definitionen ergänzt“, sagte Stefan Hoenen. „Denn die Bankenaufsicht erwartet nicht nur, dass Finanzierer die nachhaltige Transformation vorantreiben, sondern wir haben auch ein valides Eigeninteresse, potenzielle Risiken mit Blick auf ESG-Kriterien zu erheben und zu steuern.“ Thomas Heidelberger ergänzt: „Objekte, die nicht zertifiziert sind, sind am Markt von institutionellen Investoren kaum mehr handelbar.“

Erste Projekte haben Verifikation durchlaufen

Dass die Regulierung in den Köpfen und den Projekten der Immobilienentwickler angekommen ist, bestätigte Mareike Lechner. Die Vorständin der in Berlin tätigen immobilien-experten-ag. hat den von ihrem Unternehmen gemeinsam mit der Adolf Lupp GmbH + Co KG als Generalunternehmer entwickelten OFFICE LAB CAMPUS (OLC) im vergangenen Jahr von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Hinblick auf die EU-Taxonomie verifizieren lassen. Modernste Gebäudetechnik und exzellente Standortbedingungen waren die Voraussetzung für den Nachweis eines überzeugenden Beitrages zum Klimaschutz.

Auch dank eines geringen Primärenergieverbrauchs durch besonders nachhaltige Fernwärme und eines effektiven Energiemanagements hat der Neubau mit 26.000 Quadratmetern Mietfläche die Kriterien der EU-Taxonomie erfüllt und in den für den Klimaschutz wesentlichen Kategorien die Höchstpunktzahl erreicht. Das OLC war schon zuvor nach LEED Gold zertifiziert und wird über das in Deutschlands größtem Technologiepark Berlin-Adlershof verfügbare Fernwärmenetz der BTB bereits heute mit Wärme aus 57 Prozent erneuerbaren Energien versorgt.

Vor allem die zunehmenden Anforderungen der Finanzierungsseite bei langfristigen Bestandsfinanzierungen motivierten Lechner, den sechs Monate beanspruchenden Verifikationsprozess für den OLC zu durchlaufen. „Insbesondere im Rahmen eines Verkaufsprozesses könnte der erweiterte Nachweis, ESG-konform zu sein, ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil sein“, so Lechner. „Als Neubau-Entwickler haben wir hier gegenüber Bestandsanbietern mehr Möglichkeiten“, führt Lechner weiter aus. Im Hinblick auf die Mietnachfrage konstatiert sie: „In den vergangenen zwölf Monaten haben wir verstärkt gemerkt, dass das Thema ESG nicht nur Großkonzerne, sondern vermehrt auch mittelständische Unternehmen in ihrer Anmietentscheidung beeinflusst.“

Berichterstattung sollte sukzessive gelernt werden

Thomas Heidelberger bietet die ESG-Berichterstellung mit der REICON Consulting GmbH als Dienstleistung an, wobei sich Datenverfügbarkeit und -aufbereitung oftmals als Schlüssel für die Berichtsqualität erweisen. Das gelte vor allem für Bestandsimmobilien.

Während sich die Berichterstattung für Neubauten an den gängigen Zertifikaten LEED, BREEAM oder DGNB orientiere, greife man bei Bestandsimmobilien auf die Datensammlungen der Property Manager beziehungsweise der jeweiligen Backoffices zurück. Kapazitiv und systematisch gäbe es dabei allerdings Grenzen insbesondere in Bezug auf die Komplexität der erforderlichen Daten. „Gesellschaftliche und soziale Aktivitäten wie etwa gemeinnütziges Sponsoring sind häufig gut dokumentiert und können einen anschaulichen Einstieg in die S-Dimension der Berichterstattung bieten“, erläutert Heidelberger. „Allerdings ersetzen sie keine umfassende und belastbare Darstellung sozialer Aspekte, wie sie etwa zu Diversität, Arbeitsbedingungen oder dem Stakeholderdialog gefordert ist. Für eine fundierte S-Berichterstattung bedarf es einer systematischen Erhebung und Bewertung der tatsächlichen sozialen Wirkungen solcher Maßnahmen.“

Grundsätzlich erfolge die Berichterstellung auf mehreren Ebenen: der Objektebene, der Projektebene und der unternehmensweiten Compliance-Strukturen inklusive der Lieferketten. „Wer ESG-konform berichten will, muss die Materialströme quantifizieren, die Herkunft seiner Rohstoffe und Bauteile dokumentieren und die Umweltauswirkungen belegen. Dies sollte idealerweise digital und prüfungssicher erfolgen.“

Heidelberger bestätigt den enormen Aufwand, der hinter den Berichtsanforderungen steckt, und rät den Unternehmen zu einer schrittweisen Erweiterung der Berichtstätigkeit, solange diese für die nicht börsennotierten Gesellschaften noch freiwillig sei. „Denn wenn der Gesetzgeber Nachhaltigkeitsberichte verpflichtend macht, wird es schwierig, binnen Kurzem 100 Prozent der Themen abzudecken, dann lieber 70, 85 oder 90 Prozent.“

Anspruchsvolle Managementaufgabe für zahlreiche Dienstleister

Hauptadressat der Regulierung sind Finanzmarktteilnehmer, wie bspw. Banken, aber auch institutionelle Investoren, an deren Finanzierungs- und Anlageverhalten die Regulatorik ansetzt. Auch in den Abschnitten der immobilen Wertschöpfung ist der Bedarf nach Lösungen spürbar gewachsen.

„Wenn man sich die ESG-Gesetzgebung anschaut, zum Beispiel die Offenlegungsverordnung ‚SFDR‘, ergibt sich aus dem Verständnis von Artikel 8 und Artikel 9 ein sehr komplexer Rahmen, in dem investiert werden darf. Als Service-KVG unterstützen wir unsere Kunden, ihre Nachhaltigkeitsziele in eine sinnvolle und den regulatorischen Anforderungen entsprechende Investmentstrategie zu übersetzen“, berichtet Lisa Backes. Beispielsweise gäbe es Unternehmensstrategien, die einen nachhaltigen Beitrag zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN SDGs) gewähren sollen. „Zwar kann man einen solchen Vorteil nur schwer messen, aber genau eine solche Bemessung sieht die Offenlegungsverordnung (SFDR) durch die Einführung des Konzepts ‚Nachhaltigkeitsindikatoren‘ vor“, Backes weiter.

In einem solchen Fall gehe es vor allem darum, eine Anlagestrategie zu erarbeiten, die messbare Merkmale und deren Optimierung umfasse. „Dazu zählen Ausschlusskriterien, aber auch klare Maßnahmen, die z.B. die Dekarbonisierung von Gebäuden oder von Unternehmen herbeiführen.“

Aktueller Fokus auf Artikel-8-Fonds

Dabei liege der Fokus der Immobilieninvestoren aktuell eindeutig auf so genannten Artikel-8- Fonds, die nach der SFDR eine Verbesserung von ökologischen oder sozialen Merkmalen oder beidem anstreben, während Artikel-9-Fonds, die ein explizites Nachhaltigkeitsziel verfolgen, aktuell in begrenztem Maße Interessenten fänden.

Im Unterschied zu liquiden Assets gäbe es bei Immobilien zudem die Herausforderung einer hohen Individualisierung. „Wir haben hier eine sehr hohe Granularität an unterschiedlichsten Informationen. Eine Immobilie ist nicht 1:1 vergleichbar mit einer anderen. Hinzu kommen unterschiedliche Nachhaltigkeitsstrategien“, sagt Backes. Beispielsweise würde ein Artikel-8- Fonds, der sich damit beschäftigt, sozialen Wohnraum für sozial benachteiligte Menschen zu gewähren, daraufsetzen, das S zu verbessern.

Interne Rahmenwerke der Banken ergänzen EU-Taxonomie

Viele Banken haben für ihre Finanzierungen inzwischen eigene interne Rahmenwerke entwickelt, die auf der EU-Taxonomie basieren und diese um zusätzliche Definitionen zur Nachhaltigkeit ergänzen. So auch die Hamburg Commercial Bank: „Wir werten unser Portfolio nach einem umfassenden internen Sustainable and Transformational Finance Framework (STFF) ein, das auch maßgeblich für die Kreditvergabe ist“, sagte Stefan Hoenen von der HCOB. Denn man sei nicht nur zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsregulatorik verpflichtet, sondern habe auch ein eigenes Interesse, potenzielle Risiken, die aus Nachhaltigkeitsaspekten entstehen könnten, zu erkennen und professionell zu managen.

Kreditnehmer, die ESG- beziehungsweise taxonomiekonforme Immobilien finanzieren wollen, dürfen jedoch derzeit nicht mit spürbar günstigeren Finanzierungskonditionen rechnen. „Die finanzierenden Banken werden aktuell zwar durch die EZB kontrolliert, aber kaum incentiviert“, sagt Hoenen. Beispielsweise gebe es aktuell – wie es derzeit auf EU- Ebene diskutiert werde –noch keine Erleichterungen bei der Eigenkapitalunterlegung für ESG-konforme Finanzierungen. Solange das nicht der Fall sei, werde es von Bankenseite eher keinen oder nur einen sehr geringen Bonus geben. Im Gegenteil, es könne es sogar bei einem nicht ESG-konformen Projekt zu einem Malus kommen, etwa durch Auflagen in der Finanzierungsstruktur.

Entscheidend bei der Durchsetzung der Nachhaltigkeitsziele durch die EZB seien derzeit neben der SFDR die Mindestanforderungen an das Risikomanagement. „Finanzierer haben die Verpflichtung, sich so aufzustellen, dass sie sämtliche Risiken, die für ihre Kreditvergabe relevant sind, kennen, managen und im Griff haben.“ Daraus leitet sich unter anderem auch die Verpflichtung zur Kenntnis von Klimarisiken im Portfolio ab. Verlangt werden beispielsweise Klimastresstests: Was passiert, wenn Schäden durch Umweltkatastrophen zunehmen und sich Nutzbarkeiten von Immobilien und deren Marktwerte und Vermietungsstände reduzieren? Die Ergebnisse dieser Berechnungen fließen auch in die aufsichtliche Bewertung der Darlehensverträge mit ein.

Zudem sind die Banken nach SFDR verpflichtet, bestimmte Ziele für die Reduktion und das Angleichen an die Nachhaltigkeitspfade im gesamten Finanzierungsbestand zu veröffentlichen. „E-Kriterien werden in unseren Bewertungen doppelt gewichtet im Vergleich zu S und G, es geht also zu 50 Prozent um Energieverbrauch und weitere ökologische Aspekte“, sagte Stefan Hoenen. Für S-Kriterien gebe es weniger spezifische Bewertungsmaßstäbe und G-Kriterien führten häufig zu einer binären Entscheidung: „Wenn wir den Eindruck hätten, dass die Zuverlässigkeit oder Transparenz eines Kunden nicht ausreichend wäre, würde der Vertragsabschluss nicht zustande kommen.”