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Politik, Märkte, Projekte: Ulrich Höller skizziert Herausforderungen und Chancen der Immobilienwirtschaft

OpinionsPolitik, Märkte, Projekte: Ulrich Höller skizziert Herausforderungen und Chancen der Immobilienwirtschaft

Klare Worte beim Pressedinner der ABG Real Estate Group

Beim Pressedinner der ABG Real Estate Group am 23. Juni 2025 in Frankfurt am Main im Frankfurter Saal des Palais Rossmarkt, hat sich Ulrich Höller, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, zu den aktuellen politischen, wirtschaftlichen und immobilienbezogenen Entwicklungen geäußert. In einem differenzierten Lagebild hob er sowohl strukturelle Herausforderungen als auch neue Chancen für die Branche hervor. Die Schwerpunkte lagen auf der neuen Bundesregierung, dem Investitionsklima in Deutschland, dem Wohnraummangel sowie auf den strategischen Weichenstellungen der ABG selbst.

Neue Bundesregierung: Hoffnung auf Umsetzung statt Ankündigungen

Die politische Ausgangslage in Berlin bildet für Höller den Rahmen aktueller Debatten. Der Regierungswechsel habe zwar erste positive Signale gesendet, etwa durch Ankündigungen zum Bürokratieabbau, zur steuerlichen Entlastung und zu beschleunigten Planungsverfahren. Doch entscheidend sei nun die konkrete Umsetzung.

„Jetzt entscheidet die Umsetzungsgeschwindigkeit, ob Blockaden in der Wirtschaftspolitik und insbesondere in der Bau- und Immobilienpolitik endlich aufgebrochen werden“, so Höller. Die Immobilienwirtschaft sei bereit, Verantwortung zu übernehmen. Sie benötigt dafür jedoch klare Spielregeln, Vertrauen und Investitionssicherheit. Er verwies auf den hohen Zuzug, demografische Verschiebungen und strukturelle Wohnungsdefizite, die politisches Handeln erforderlich machten.

Die steuerpolitischen Maßnahmen, primär der sogenannte „Investitions-Booster“ mit einer degressiven Abschreibung von 30 % bis 2027 und die geplante Senkung der Körperschaftsteuer, wertete Höller als grundsätzlich positiv. Gleichzeitig forderte er mutigere Schritte, etwa Sonderabschreibungen zur Belebung des Mietwohnungssegments.

Planungsrecht und Mietpreisbremse: Reformerwartung und Kritik

Im Planungsrecht seien Instrumente wie § 246e BauGB, Genehmigungsfiktionen oder vereinfachte Umweltprüfungen wichtige Elemente. Dennoch bleibe der „Bau-Turbo“ ein Placebo, wenn es nicht zu verbindlichen und zügigen Umsetzungen komme. Kostentreibende Vorschriften wie die massive Ausweitung der DIN-Normen innerhalb der letzten 15 Jahre müssten zurückgenommen werden.

Deutliche Worte fand Höller zur Mietpreisbremse, deren Verlängerung er bis 2029 als investitionsfeindlich einstufte. Sie kann kurzfristig beruhigen, löst aber keine strukturellen Probleme. Statt Mietobergrenzen brauche es neue Wohnungsangebote.

Deutschland als Investmentstandort: Kapitalrückkehr bei wachsender Reformdynamik

Die wirtschaftliche Unsicherheit infolge geopolitischer Spannungen, Handelshemmnisse und die US-Wahl mit dem sogenannten „Trump-Risiko“ beeinflussen laut Höller die globalen Investitionsentscheidungen. Dennoch beobachtet man eine beginnende Reallokation von Kapitalströmen aus den USA zurück nach Europa, auch wegen der wachsenden Zuversicht in Deutschland.

„Internationale Fonds bleiben zwar vorsichtig, aber erstes Kapitalinteresse ist spürbar“, so Höller. Auch deutsche Investoren, insbesondere Family-Offices und vermögende Privatpersonen, agierten selektiver, aber chancenorientiert. Der Kapitalmarkt beginne, auf erste politische Reformsignale zu reagieren.

Zinsumfeld und Transaktionsvolumen: Bremsen und Signale

Trotz rückläufiger Inflation bleibe das Zinsniveau ein zentrales Hindernis. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen liege aktuell bei 2,56 % und könne bis knapp unter 3,0 % steigen. Dies habe direkte Auswirkungen auf die Immobilienrenditen. Die EZB-Zinssenkung im Juni 2025 markiere eher eine Pause, denn den Beginn eines Zinssenkungstrends.

Das Transaktionsvolumen in Deutschland bleibe niedrig: 2024 wurden lediglich 36 Mrd. Euro investiert. Das liegt weit unter dem 10-Jahres-Schnitt von rund 74,5 Mrd. Euro. Besonders dramatisch sei der Rückgang im Büroinvestmentmarkt mit nur 5 Mrd. Euro. Immerhin deute das erste Quartal 2025 mit leicht steigender Dynamik auf eine Trendwende hin.

Büro und Wohnen: Polarisierung und Angebotsmangel

Im Bürovermietungssegment verstärkt sich die Polarisierung: Während die Leerstände im ersten Quartal 2025 um 24 % gegenüber dem Vorjahr zunahmen, selbst in A-Lagen, stiegen die Spitzenmieten weiter. In Frankfurt etwa lagen sie im ersten Quartal über 50 €/m². Mit einem Flächenumsatz von 204.000 m² war Frankfurt gleichzeitig Spitzenreiter und erreichte ein historisch starkes Quartal.

Gesucht seien vor allem Top-Standorte mit moderner Infrastruktur, ESG-Konformität und attraktiven Arbeitsumfeldern. In B- und C-Lagen dagegen seien zweistellige Leerstände keine Seltenheit. Umnutzungen, etwa zu Wohnzwecken können hier strategisch an Bedeutung gewinnen.

Im Wohnungssegment bleibe die Nachfrage stabil bis steigend. Gleichzeitig verhinderten hohe Baukosten, Vorschriften und Genehmigungsprozesse eine ausreichende Neubautätigkeit. Mit unter 210.000 Wohneinheiten pro Jahr werde der Bedarf bei Weitem nicht gedeckt. Hoffnung ruhe auf dem verabschiedeten „Bau-Turbo“, der die Wende einleiten solle.

Strategische Weiterentwicklung der ABG: Wohnen, ESG und Revitalisierung

Die ABG Real Estate Group schärft ihre strategische Ausrichtung: Neben der bewährten Expertise im Prime-Office-Segment wird der Wohnungsbau künftig zur zweiten Säule ausgebaut. Dabei setzt das Unternehmen verstärkt auf Revitalisierung und ESG-konforme Nutzungskonzepte.

Ein zentrales Referenzprojekt ist CENTRAL PARX in Frankfurt, eine denkmalgeschützte Immobilie von 1965, ehemals Sitz der BHF-Bank. Mit Großvermietungen an White & Case sowie Noerr erreichte das Projekt bereits zum Baustart eine Vermietungsquote von über 85 %. Das Volumen beträgt rund 375 Mio. Euro. Die Fertigstellung ist für 2028 geplant.

Ein weiteres Leuchtturmprojekt ist das PALAIS ROSSMARKT, ein Ensemble von 1903/04, ehemals Sitz der Deutschen Bank. Für über 250 Mio. Euro wird es denkmalgerecht revitalisiert, inklusive ESG-Zertifizierungen, Erhalt historischer Elemente und moderner Dacharchitektur. Die Planung verantwortet Volker Staab, der für einen behutsamen Umgang mit Denkmalschutzsubstanzen wie dem Jüdischen Museum in Frankfurt einen Namen bekannt ist. Der Baustart ist für Ende 2026 vorgesehen, die Fertigstellung für 2029.

Auch im Wohnsegment zeigt sich die neue Stoßrichtung der ABG: Mit Projekten wie den Mariengärten in München (über 500 Wohneinheiten, Baubeginn ab 2027) oder der Konversion von Büroflächen zu Wohnraum wird der Wandel greifbar. Das Investment- und Assetmanagement für Dritte entwickelt sich zudem zu einem weiteren Wachstumstreiber. Aktuell verwaltet die Gruppe ein Volumen von 3,4 Mrd. Euro.

Ausblick: Markterholung frühestens ab 2026

Höllers Fazit ist differenziert: Die Stimmung in der Branche habe sich verbessert, doch sie sei noch besser als die reale Lage. Hohe Finanzierungskosten und Baupreise verhinderten vielerorts die Profitabilität. Der Neubau bleibt eine Herausforderung, und die Hoffnung liege auf Bestandsobjekten mit stabilen Cashflows.

Für das Jahr 2025 prognostiziert Höller eine „Marktberuhigung“. Erst 2026 sei mit einer echten „Erholung“ zu rechnen, während er ab 2027 eine „normalisierte Marktaktivität mit Wachstum“ erwartet. Damit zeichnet er einen vorsichtigen, aber nicht pessimistischen Pfad für die kommenden Jahre.

Bild © Von T.Diemer – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link