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Crowdfunding 2.0: Wie professionelle Investoren die Crowd verändern

OpinionsCrowdfunding 2.0: Wie professionelle Investoren die Crowd verändern

von Christoph Flügel, Mitglied des Vorstands der Arbireo Capital.

Der Ursprung war eine geniale wie charmante und gewissermaßen basisdemokratische Idee: Private Investoren finden sich auf einer Online-Plattform zusammen, um mit kleinen Beträgen ein überschaubares Projekt zu unterstützen – sei es ein Internet-Start-up, ein kulturelles oder soziales Projekt in der Nachbarschaft oder eine pfiffige Erfindung. Das Crowdfunding war geboren. Im Vordergrund der Geldgeber standen nicht nur finanzielle, sondern oft idealistische Motive.

Von diesen Anfängen hat sich das Crowdfunding beziehungsweise Crowdinvesting ein Stück weit emanzipiert. Zwar gibt es die idealistischen Kleinprojekte von einst immer noch. Doch inzwischen hat sich dieses Instrument auch darüber hinaus etabliert und ist wesentlich vielfältiger und professioneller geworden. Heutzutage buhlt eine breite Auswahl zu finanzierender Objekte diverser Assetklassen und unterschiedlicher Größenordnungen um Investoren, die ihrerseits ebenfalls professioneller werden. Denn das Crowdinvesting gewinnt für institutionelle und semi-institutionelle Investoren an Attraktivität. Doch nicht nur deren Investitionsverhalten wird sich nachhaltig verändern, sondern auch das Gesicht der Crowd.

Beim Crowdinvesting gibt es im Wesentlichen zwei unterschiedliche Finanzierungsvehikel: Nachrangdarlehen und Anleihen. Wenn von Crowdinvesting für Privatanleger die Rede ist, handelt es sich zumeist um Darlehen. Das gilt aufgrund seines Nachranges zwar als etwas riskanter. Dafür sind aber die gezahlten Zinsen in der Regel höher als bei einer Anleihe unter sonst gleichen Bedingungen. Zudem ist der Investmentprozess schlanker und damit kostengünstiger reguliert. So entfällt unter gewissen Umständen die Prospektpflicht.

Diese für kleinere Investitionssummen relativ kostspielige Prospektpflicht ist kein zu unterschätzendes Argument: Das Kleinanlegerschutzgesetz von 2015 hat auch Crowdinvesting grundsätzlich der Prospektpflicht unterworfen. Ausnahmen bilden Nachrangdarlehen mit einem Gesamtvolumen von bis zu 2,5 Millionen Euro und einer Losgröße von maximal 10.000 Euro pro Anleger. Zu Recht wollte der Gesetzgeber das ursprüngliche, idealistische Crowdinvesting nicht abwürgen. Allerdings ist unklar, ob und wie lange die aktuelle Gesetzeslage Bestand hat. Ende 2018 wird das Kleinanlegerschutzgesetz evaluiert. Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass die Prospektpflicht über kurz oder lang ausgedehnt wird – und das Nachrangdarlehen damit einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Anleihe verliert. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Wertpapierprospektverordnung im Sommer 2018 auch Anleiheemissionen mit einem Volumen von bis zu 8 Millionen Euro von der Prospektpflicht befreit sind.

Für institutionelle und semi-institutionelle Investoren spielt das Nachrangdarlehen schon heute eine untergeordnete Rolle: Als Crowdinvestoren bevorzugen sie aus unterschiedlichen Gründen klar die Anleihe. Sie ist hochrangiger und damit besser abgesichert, zudem handelbar und verfügt neben dem Prospekt gegebenenfalls noch über ein Rating. Und da Versicherungen, Versorgungswerke, Stiftungen oder auch Family Offices ohnehin Investitionen mit einem Gesamtvolumen von über 2,5 Millionen beziehungsweise 8 Millionen Euro und Losgrößen von über 10.000 Euro den Vorzug geben, bringt ihnen das Nachrangdarlehen keine nennenswerten Vorteile gegenüber der Anleihe. Je mehr Plattformen und Projektinitiatoren auch institutionelle und semiprofessionelle Investoren als Anlegergruppe identifizieren, desto stärker wird sich deshalb die Anleihe als Crowdinvesting-Vehikel verbreiten – auch ohne weiteren regulatorischen Druck.

Es ist vor allem die Immobilie, die derzeit für das Crowdinvesting an Relevanz gewinnt und die für professionelle Anleger von besonderem Interesse ist. Aktuell gibt es in Deutschland mehrere Internetplattformen, die Immobilien-Investments für die Crowd zugänglich machen, darunter Mezzany, Exporo, iFunded und viele andere. Crowdinvesting ermöglichte erstmals auch Privatanlegern die Investition in Projektfinanzierungen von Immobilienentwicklern, einfach und schon mit geringen Beträgen.

Doch warum sollten diese Aspekte ausschließlich für Privatanleger gelten? Institutionelle Anleger, die in Immobilien investieren wollen – zum Beispiel in Junior-Tranchen von Immobilienfinanzierungen –, schätzen dieselben Vorteile: mehr Transparenz und Vergleichbarkeit, geringere Kosten, keine Medienbrüche. Die Unterlagen liegen transparent und zum jederzeitigen Abruf auf der Crowdinvesting-Plattform bereit, Detailinformationen müssen nicht stückweise durch Nachfrage in Erfahrung gebracht werden. Das eigentliche Investment erfolgt nach einmaliger Anmeldung einfach per Mausklick. Die Projektinitiatoren wiederum können mit geringem Aufwand eine Vielzahl an Investoren ansprechen und gewinnen. Das spart wertvolle Zeit für das Kerngeschäft. Wenn wir über Digitalisierung und Standardisierung und dadurch erzeugte Umbrüche sprechen, dann ist genau solch ein Prozess gemeint. Auf längere Sicht ist das ein Vertriebsweg der Zukunft. Ein Vertriebsweg, der professionellen wie privaten Investoren gleichermaßen offensteht – und seinen idealistischen Anspruch nicht über Bord wirft.


Über Christoph Flügel

Theologe und Jurist, langjährige Erfahrung und Branchenkenntnis im Immobilien- und Finanzsektor, Begleitung von Immobilientransaktionen im Wert von mehr als acht Milliarden Euro, zuvor unter anderem tätig für Union Investment, Lovells sowie Morrison & Foerster.

Über Arbireo Capital

Die Arbireo Capital ist eine unabhängige Investmentgesellschaft, die insbesondere auf dem deutschen Immobilienmarkt aktiv ist. Wir identifizieren attraktive Investmentobjekte, strukturieren, planen, investieren und realisieren und decken damit die gesamte Wertschöpfungskette aus einer Hand ab.