Thursday 25-Apr-2024
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Chinas Strategiewechsel bei der Elektromobilität

OpinionsChinas Strategiewechsel bei der Elektromobilität

Staatliche Subventionen für den Kauf von Elektroautos stehen in China vor dem Aus. Noch heuer werden sie im Schnitt um rund 50 % gesenkt. 2020 werden sie gänzlich gestrichen. Läutet dies Chinas Abkehr von der Elektromobilität ein? Nein, keineswegs, aber eine Strategieänderung ist sehr wohl auszumachen, argumentiert Mag. Leopold Quell, Fondsmanager für Emerging Markets bei der Raiffeisen KAG.

China ist Weltmarktführer im Bereich Elektromobilität. 60 % aller weltweit verkauften Elektroautos wurden im vierten Quartal des letzten Jahres in China verkauft. 2013 lag dieser Wert noch bei unter 10 %. Landesweit gibt es bereits rund 300.000 Ladestationen. Das sind fast fünfmal so viele wie in den USA.

Über drei Viertel der globalen Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Batterien befinden sich in China. Doch dies ist aus Sicht der chinesischen Regierung nur der Anfang. Man möchte hier nichts dem Zufall überlassen und die starke Position in dieser Hightech-Schlüsselindustrie noch ausbauen.

GRÜNDE FÜR DEN STRATEGISCHEN FOKUS

Einerseits ist die Schonung der Umwelt und hier vor allem die Verbesserung der Luftqualität zu nennen, die durch den Umstieg von Autos mit Verbrennungs- auf solche mit Elektromotoren zu erzielen wäre. In vielen Regionen Chinas, wie in und um Beijing herum, ist die CO2-Belastung in der Luft – insbesondere im Winter – so hoch und der Unmut der Bevölkerung dermaßen groß, dass verzweifelt nach Lösungen gesucht wird. Der Individualverkehr ist zwar nicht der größte Emittent von CO2 (dies sind mit klarem Abstand die kohlebetriebenen Kraftwerke), jedoch wäre trotzdem eine spürbare Erleichterung zu erreichen.

Andererseits wittert China die Chance, am globalen Automarkt langfristig nicht nur als Abnehmer, sondern auch als Anbieter zu partizipieren. Chinesischen Herstellern von Autos mit Verbrennungsmotoren ist es bislang nicht gelungen, außerhalb Chinas nennenswerte Marktanteile zu erzielen. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass dies chinesischen Champions wie etwa Geely Automobile noch gelingen wird, aber der Weg dorthin ist steinig und die Vorbehalte westlicher Konsumenten gegen chinesische Autos sind erheblich. Elektroautos könnten den Markt jedoch revolutionieren und eine komplette Neuordnung der Machtverhältnisse bewirken.

FRAGEN SIE SICH SELBST…

Würden Sie ein chinesisches Elektroauto kaufen? Nein? Was, wenn es eine höhere Reichweite als Konkurrenzmodelle aufweisen und bei Crashtests gut abschneiden würde? Was, wenn es preislich einem Auto mit Verbrennungsmotor ebenbürtig wäre? Was, wenn es außerdem noch mit modernem Design und Fahrspaß (Beschleunigung!) auftrumpfen würde? Noch gibt es kein solches Model T, wie jenes von Ford, das vor mehr als 100 Jahren den Markt für die Mittelschicht öffnete. Aber genau das ist das erklärte Ziel chinesischer Hersteller und der chinesischen Regierung.

Wie passt es da ins Bild, dass China kürzlich bekannt gab, Subventionen für den Kauf von Elektroautos zu streichen? 2018 wurde der Kauf eines Elektroautos mit einer Reichweite von mehr als 400 Kilometern mit umgerechnet rund 6.600 Euro vom Staat subventioniert. Ein stolzer Betrag, der im Verlauf von 2019 um etwa die Hälfte fallen wird. 2020 wird das Subventionsmodell in der bisherigen Form gänzlich eingestellt. Auch auf Provinzebene sind ab Juni 2019 keine Zuschüsse mehr erlaubt. Die entsprechenden Budgets müssen nunmehr zum Ausbau von Ladestationen in den jeweiligen Provinzen verwendet werden.

BONUS / MALUS FÜR HERSTELLER

An die Stelle des Subventionsmodells, welches die Konsumenten stützt, tritt ein Bonus/ Malus-Quotensystem für Hersteller. Bereits 2019 müssen mindestens 10 % aller in China produzierten PKWs Elektroautos sein. 2020 wird diese Mindestgrenze auf 12 % angehoben. All jene Autoproduzenten – egal ob es sich um chinesische oder ausländische handelt –, die diesen Wert nicht erreichen, müssen Strafzahlungen leisten oder jenen Herstellern, die die Vorgabe übererfüllen, ihre überschüssige Quote abkaufen, was diese wiederum in die Lage versetzen wird, günstigere Preise für Elektroautos anzubieten.

Überspitzt formuliert tauscht die Regierung mit diesem Kurswechsel Zuckerbrot gegen Peitsche. Traditionelle Autohersteller werden damit unter Druck gesetzt, Elektroautos herzustellen oder zusätzliche Kosten tragen zu müssen. Der Fingerzeig, in welche Richtung sich der Automarkt entwickeln soll, könnte nicht klarer sein. Die große Frage ist jedoch, ob der Konsument mitspielt und die Absatzzahlen von Elektroautos (weiter) stark ansteigen oder ob hier letztendlich an der Nachfrage vorbei produziert wird.

Derzeit wird die Erhöhung der Durchdringungsrate von Elektrofahrzeugen nur mit Hilfe von Subventionen praktiziert. Am Beispiel des europäischen Marktes lässt sich ablesen, dass die Absatzzahlen von Elektroautos sehr stark mit entsprechenden Steuererleichterungen und anderen Anreizmaßnahmen, wie der Benutzung von Busspuren oder kostenlosem Parken, korrelieren. So haben Elektroautos ausschließlich in Norwegen und den Niederlanden nennenswerte Marktanteile gewinnen können, während ihr Anteil am Gesamtautomarkt in Ländern wie Deutschland oder Frankreich, wo die Unterstützung geringer ausfällt, wesentlich kleiner ist. Daten zeigen, dass Kürzungen von Subventionen für Elektroautos zu einem deutlichen Einbruch der Absatzzahlen führen. Entsprechend risikoreich ist also der Kurswechsel in China.


Diesen Beitrag finden Sie mit Grafiken sowie weiteren Informationen in der jüngsten Ausgabe des Nachhaltigkeitsletters „nachhaltig investieren“ der Raiffeisen KAG. Die vollständige Ausgabe zum Thema „Elektromobilität“ finden Sie links als PDF.