Dass die Covid-19-Infektionszahlen im Herbst wieder ansteigen würden, war Konsens. Eine Eskalation, wie wir sie dieser Tage erleben, inklusive nahender Auslastung der Gesundheitssysteme, hatten wir allerdings nicht in den Karten. Insofern ist es notwendig, das Strategiedrehbuch zu überdenken, so Raiffeisen Capital Management in der neusten Ausgabe von märkte | unter uns. In den letzten Monaten hatten wir in der taktischen Positionierung mit Blick auf die wichtigsten Einflussfaktoren für die Finanzmärkte zunehmend Zuversicht gefasst. Eine beginnende Konjunkturerholung, über den Erwartungen liegende Unternehmensergebnisse, die niedrige Inflation und signifikante Maßnahmen seitens Geld- und Fiskalpolitik bewogen uns zu einer schrittweisen Anhebung der Aktienquote in den gemischten Fonds. Zuletzt war die Ausrichtung neutral, mit dem Plan, die US-Wahl vorübergehen zu lassen und dann aktienseitig weiter zuzukaufen.
Aufgrund der jüngsten Entwicklungen in Sachen Covid-19 ist es jedoch angezeigt, von diesem Plan fürs Erste abzuweichen. Weder ist die Dauer der Lockdowns noch deren Strenge absehbar, und auch nicht die Anzahl der Länder, die sich zu einem solchen Schritt gezwungen sehen. Damit steht auch über den Auswirkungen auf die globale Konjunktur ein großes Fragezeichen. In Bezug auf die Märkte heißt das nicht unbedingt, dass große Rückschläge drohen. Sowohl Regierungen als auch Notenbanken werden ihre Maßnahmen abermals hochfahren, um die negativen Auswirkungen der Pandemie einzudämmen. Dass sich damit einige Segmente der globalen Finanzmärkte noch weiter von der wirtschaftlichen Realität entfernen werden, ist ein Risiko, um das wir uns wohl früher oder später kümmern müssen.
Aktien: Nur ein Thema – Corona-Virus
Es scheint stets nur eine Begründung für die aktuellen Marktbewegungen zu geben: Covid-19. Die Erholung nach dem ersten Einbruch, also die Phase Ende März bis in den Juli war an manchen Märkten – allen voran denen der USA, insbesondere bei den Technologiewerten – so unerwartet wie beeindruckend. Nicht nur die Tech-Börse NASDAQ, auch der etwas breitere Markt (S&P500) erreichten im 3. Quartal Höchststände. Das hat sich nun wieder gedreht. Mit der „zweiten Welle“ steigt nun die Marktvolatilität deutlich an, zu sehen an deutlichen Tagesbewegungen. Dennoch verläuft die Berichtssaison zum dritten Quartal in den USA und Europa recht gut, mit situationsbedingt verhaltenen Ausblicken.
Völlig unterschiedlich ist das Bild in den Emerging Markets, hier kann sich China und damit auch der Asien-Index äußerst gut behaupten, als ob es keine zweite Welle gäbe. Hingegen fallen Lateinamerika und auch Russland – sowie Osteuropa und der ATX – weiter zurück, das ist einem unvorteilhaften Sektormix (Rohstoffe, Finanz) ebenso wie teilweise schwachen Währungen geschuldet.
Aktien USA und Europa: Die Infektionslage bestimmt den Ausblick
Die stark steigenden Covid-19-Infektionszahlen und damit einhergehende erneute Einschränkungen haben nun auch die internationalen Aktienmärkte erfasst. Unmittelbar negativen wirtschaftlichen Auswirkungen stehen nun wohl weiterhin umfangreiche Fiskalpakete und die Aussicht auf nochmalig aggressivere geldpolitische Maßnahmen gegenüber.
Positiv zu sehen ist, dass zuletzt sogar positive Gewinnrevisionen überwogen haben: Die Berichtssaison für das dritte Quartal 2020 ist gut angelaufen. In den USA können die Unternehmen erneut die Erwartungen mehrheitlich deutlich übertreffen, vor allem auch die großen „Tech-Titel“. Wenngleich das Ausmaß der positiven Überraschungen etwas unter jenem im zweiten Quartal liegt, so ist die Abweichung immer noch weit überdurchschnittlich. Auch in Europa (hier hat die „Old Economy“ deutlich mehr Gewicht) verlief die Berichtssaison bis dato durchaus besser als erwartet. Auch hier überwiegen die positiven Überraschungen.
Emerging Markets: Asien (noch?) verschont
Während eine zweite heftige Covid-19-Infektionswelle über Europa schwappt, bleibt der asiatische Raum aktuell weiterhin verschont: hier gibt es wenig Neuinfektionen und eine stabile ökonomische Entwicklung. Insbesondere China lässt kaum mehr Einschränkungen der wirtschaftlichen Leistungen durch Corona erkennen. Das lässt sich auch an der Gewinnentwicklung der asiatischen Unternehmen ablesen, die sich recht gut darstellt. Entsprechend stark auch die Performance des Aktienindex. Hingegen sind in der Peripherie der Emerging Markets, also Lateinamerika und auch Russland, damit Osteuropa, die negativen Spuren überdeutlich.