Thursday 25-Apr-2024
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Die Marke 3000

OpinionsDie Marke 3000

Fast zeitgleich haben der Euro Stoxx 50 Index und der S&P 500 Index die 3000er Marke wieder überwunden, so Raiffeisen Capital Management in der neusten Ausgabe von märkte | unter uns. Manche sprechen von technischen Marken, deren Überspringen Gutes verheißt. Und das mag durchaus sein, denn der Markt ist bekanntlich zu einem wesentlichen Teil von Psychologie und Stimmung getrieben. Allerdings ist das Sentiment der Anleger im umgekehrten Sinne zu lesen. Bedeutet: eine sehr schlechte Stimmung unter den Marktteilnehmern ist oft ein Vorzeichen für eine positive Marktentwicklung. Diverse Indikatoren deuten darauf hin, dass viele Anleger trotz der Markterholung der letzten zwei Monate immer noch vorsichtig sind. Eine Marktanalyse, die an diesem Punkt endete, käme daher zu dem Ergebnis, dass Aktien übergewichtet sein sollten. Jetzt kommen aber die Fundamentaldaten ins Spiel, also Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne. Gerade bei letzteren stehen noch dramatische Einbrüche ins Haus. Dies wird der Markt nicht ohne Korrekturen verkraften, weshalb bis auf weiteres an der vorsichtigen Position festgehalten wird. Der scheinbare Gleichlauf um die „Schwelle 3000“ ist aber auch eine Bestätigung der bedauerlichen Underperformance europäischer Aktien. Denn vor genau 10 Jahren lag der Euro Stoxx 50 bereits bei 2600, der S&P 500 bei 1100. Man muss kein Finanzmathematiker sein, um zu sehen, dass der Performanceunterschied massiv ist. Natürlich kann man alles gut begründen. Die großen und sehr erfolgreichen Technologie- und Internetunternehmen gibt es in den USA und nicht hierzulande. Und US-Banken performen seit Jahren stabil, während man das von den heimischen Finanzwerten – zumindest im Aggregat – nicht behaupten kann. In der nächsten Konjunkturerholung werden europäische Werte allerdings eine neue Chance bekommen. Immerhin sollten die hiesigen Exporteure von einem Anspringen des Welthandels profitieren. Spätestens dann sollten auch die attraktiven Aktienbewertungen ins Auge springen, während die US-Unternehmen schon relativ teuer sind.

Aktien: Erholungsrally hält an, und dann?

Rückblickend gesehen setzte vielerorts bereits ab Ende März eine überraschend starke, nahezu V-förmige Erholung ein, die bis heute – wenn auch abgeflacht – andauert. Auch im längerfristigen historischen Vergleich ist diese Erholung außerordentlich. Es wird also mehr über zukünftige Wachstumsraten spekuliert als über gegenwärtige, recht dramatische Rezessionsszenarien.

Doch das gilt nicht gleichermaßen für alle Marktsegmente. Technologie- und Pharmatitel profitieren deutlich mehr als Industrie-, Finanz oder Konsumgüter. Deshalb weisen auch US-Indizes, insbesondere Titel der „Tech­Börse“ NASDAQ, wesentlich bessere Performance auf als beispielsweise Europa. Erst Ende Mai konnten vernachlässigte Branchen etwas aufholen. Emerging Markets können noch nicht mithalten, vor allem Lateinamerika ist stark und mehrfach betroffen, denn schon vor COVID-19 waren die Konjunkturaussichten teilweise schwach. Auch China verlor insbesondere durch die politischen Spannungen in Hongkong zuletzt etwas.

Globale Konjunktur: Optimismus berechtigt?

Derzeit überhäufen sich kurzfristig aktualisierte Konjunkturprognosen. Sie haben eines gemein: das Fehlen valider Parameter über den weiteren Verlauf der Corona-bedingten Maßnahmen und folglich über das Verhalten von Konsumenten und Unternehmen. Die führende Volkswirtschaft USA kann als Beispiel im Schaubild dienen: War die Konsumlaune bis Februar praktisch durch nichts zu erschüttern und hielt sich der entsprechende Index seit mehreren Jahren auf historischem Höchstniveau, so ist diese Messgröße zuletzt doch deutlich eingebrochen.

Zum einen, weil auch in den USA der klassische Konsum infolge des Lockdowns der Geschäfte in vielen Bundesstaaten und Regionen gelitten hat. Zum anderen, weil die Arbeitslosigkeit in einem noch nie gesehenen Ausmaß und in kürzester Zeit nach oben geschnellt ist, verbunden mit entsprechender Verunsicherung bei den sonst so stabilen US-Konsumenten. Die Prognosen streuen einigermaßen, die Märkte scheinen sich jedoch mit einem optimistischen Pfad einer schnellen Überwindung der Krise anzufreunden.

Aktien USA und Europa: US-Markt wieder führend

Die internationalen Aktienmärkte präsentierten sich in den letzten Wochen weiter beeindruckend stark. Obwohl die Gewinnentwicklung schon für das erste Quartal entsprechend negativ ausgefallen ist und nun die aktuelle und durchaus realistische Erwartung auch ein deutlich negatives zweites Quartal sieht.

Der US-Aktienmarkt, gemessen am S&P 500 Index, entwickelt sich schon seit Jahren mit wenigen kurzen Unterbrechungen stärker als sein Pendant in der Eurozone (Euro Stoxx 50). Diese Entwicklung hat sich auch 2020 fortgesetzt, obwohl sich Europa seit den Tiefstständen im März anfänglich stärker erholen konnte.

Dies ist einerseits auf die Branchenzusammensetzung der Indizes zurückzuführen, andererseits auf die bessere Gewinnentwicklung der amerikanischen Unternehmen. Auch wenn die europäischen Aktien derzeit billiger erscheinen, favorisieren wir vorerst aus den genannten strukturellen Gründen den US-Markt. Und wir sehen bei den aktuellen Fundamentaldaten auch kurzfristig zu viel Zuversicht eingepreist.

Emerging Markets: Vieles eingepreist!?

Unsere Sichtweise in Bezug auf die Schwellenländer hat sich zuletzt nicht geändert.

In der globalen Erholung, zumindest Stabilisierung, auch bei den Rohstoffpreisen, konnten sich auch die Aktien aus den Emerging Markets zuletzt verbessern. Abseits von regionalen Besonderheiten zeigt die Branchenebene das Dilemma: Zwar sind die Bereiche Health Care und Telekom seit Jahresbeginn sogar im Plus, die zyklischen Sektoren wie Finanz, Energie/Grundstoffe und Industrie wiegen aber schwer auf der Wertentwicklung. Schwellenländer sind zumeist „zyklischer“ aufgestellt und die Dynamik der IT-Branche fehlt zumeist.