Thursday 18-Apr-2024
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Erholung auf den Finanzmärkten – ist das Schlimmste überstanden?

OpinionsErholung auf den Finanzmärkten - ist das Schlimmste überstanden?

In der vergangenen Woche kam es zu teils kräftigen Erholungen und Gegenbewegungen auf den Finanzmärkten. Selbst sehr schlechte Wirtschaftsdaten (Arbeitslosenanträge USA, Einkaufsmanagerindizes Europa) und die weltweit rasant steigenden Infektionszahlen (speziell in den USA) steckten die Aktienmärkte gut weg. Ein weiteres positives Zeichen: Trotz der angespannten Situation gab es erstmals seit einigen Wochen wieder Neuemissionen von Unternehmensanleihen durch einige sehr bonitätsstarke Emittenten.

Haben wir die Tiefstkurse an den Aktienbörsen damit bereits erreicht? Verändert die Raiffeisen KAG ihre bislang sehr defensive Ausrichtung in Mischfonds und Mischportfolios?

Aktiengewichtung weiterhin deutlich reduziert

Es spricht aus heutiger Sicht einiges dafür, dass wir zumindest den größten Teil der Kursrückgänge hinter uns haben. Dass wir damit aber auch schon die absoluten Tiefstkurse auf den Aktienmärkten gesehen haben, ist keinesfalls sicher und nach allen historischen Erfahrungen eher unwahrscheinlich. Für eine Entwarnung auf den Aktienmärkten ist es noch zu früh, auch wenn es in den kommenden Tagen und Wochen vermutlich noch den einen oder anderen Aufwärtsschub geben wird. Die Unwägbarkeiten und Risiken für Volkswirtschaften, Unternehmen und Finanzmärkte bleiben bis auf weiteres überaus hoch und damit aller Voraussicht nach auch die Kursschwankungen. Weder ist derzeit die Entwicklung der Pandemie absehbar noch Umfang und Dauer der Eindämmungsmaßnahmen. Entsprechend ungewiss sind auch die Wachstums- und Gewinnaussichten für die Unternehmen. Klar scheint derzeit nur so viel, dass der Wachstumseinbruch weltweit wohl deutlich höher ausfallen wird als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Nachdem die Weltwirtschaft zunächst einen Angebots- und Nachfrageschock aus China zu verdauen hatte, ist es jetzt China, dem sowohl auf der Angebots- als auch Nachfrageseite entsprechende neuerliche Schocks aus Europa und den USA sowie großen Schwellenländern drohen.

Fokus auf Risikomanagement bleibt vorerst bestehen

In den vergangenen Wochen wurden die Entscheidungen unserer Taktischen Asset Allocation (TAA) von Risikomanagement-Erwägungen dominiert und dabei bleibt es vorerst auch noch. Extreme Volatilitäten allerorten, selbst in an und für sich relativ schwankungsarmen Assetklassen, wie zum Beispiel US-Treasuries, sind kein geeignetes Umfeld, um aggressiv absolutes Risiko zu nehmen, sondern um es zu reduzieren und zu managen. In der Abwägung aller Faktoren bleibt es in der TAA daher vorerst bei der defensiven Ausrichtung mit stark reduzierten Aktienquoten bzw. signifikanten Absicherungen des Aktienexposures. Aufgehoben wird hingegen die Durationverkürzung bei Anleihen (siehe weiter unten).

Auf der Aktienseite ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass einzelne Regionen, Branchen und Unternehmen in ganz unterschiedlichem Maße von den aktuellen Entwicklungen betroffen sind, wobei sich das Bild dort natürlich ständig verändert, vor allem durch die Maßnahmen von Regierungen und Notenbanken. Jenseits absoluter Aktienquoten lässt sich mit unterschiedlichen Gewichtungen und nicht-direktionalen Strategien sowohl flexibel auf solche Entwicklungen reagieren als auch zusätzlicher Ertrag erwirtschaften. Als Schlüssel für eine Bodenbildung und nachhaltige Erholung auf den Aktienmärkten sehen wir weiterhin den Verlauf der Pandemie, aber auch die Gegenmaßnahmen von Notenbanken und Behörden an.

Zu unserem Risikomanagement-Arsenal gehören bekanntlich auch asymmetrische Absicherungen, die u.a. in diversen institutionellen Fonds und Mandaten sowie im Raiffeisen-GlobalAllocation-StrategiesPlus zum Einsatz kommen. Diese Absicherungen haben überaus gut funktioniert. Das wird besonders bei der relativen Entwicklung der beiden Risk-Parity-Fonds sichtbar: Der Raiffeisen-GlobalAllocation-StrategiesPlus setzt diese Strategien ein, der Raiffeisen 337-Strategic Allocation Master I hingegen nicht.

Positionierung bei Anleihen wird angepasst

Bei Anleihen wurde die zwischenzeitliche deutliche Durationverkürzung wieder neutralisiert. Regierungen und Notenbanken nehmen sehr viel Geld in die Hand und haben gewaltige Hilfspakete beschlossen. Damit haben sich Umfeld und Erwartungen auf den Anleihemärkten binnen weniger Tage sehr stark verändert. Die getroffenen Maßnahmen zur Risikoreduktion bei den Anleihen funktionierten sehr gut, sind aber unter den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr angemessen.

Strategische Asset Allocation (SAA): Erste Käufe bei Aktien und Spreadprodukten

Im Gegensatz zur TAA fokussiert die SAA bekanntlich auf sehr langfristige Zeiträume und dabei stark auf fundamentale Bewertungen. Aktien sowie Spreadprodukte (Schwellenländeranleihen, Unternehmensanleihen) sind binnen weniger Wochen von teuren bis sehr teuren auf teils attraktive Bewertungsniveaus gefallen. Die SAA hat dies zum Anlass genommen, um in einem ersten Schritt Aktien sowie ausgewählte Spreadprodukte zu kaufen. Weitere Käufe könnten folgen, vor allem wenn es bei diesen Assetklassen zu weiteren Kursrückgängen kommt.

Nachhaltige Investments halten sich bislang überdurchschnittlich gut

Zwei sehr interessante Beobachtungen gibt es in Bezug auf nachhaltige Investments. Zum einen verzeichnen sie bisher offenbar deutlich weniger Kapitalabflüsse als viele nicht-nachhaltige Investments und die in den letzten Jahren ja sehr in Mode gekommenen ETFs. Zum zweiten trotzen sie auch bei der Wertentwicklung der Krise bislang offenbar überdurchschnittlich gut. Das spiegelt sich auch in den Nachhaltigkeitsfonds der Raiffeisen KAG wider. Zum einen liegt das daran, dass etliche Branchen sehr stark von der Krise betroffen sind (wie beispielsweise. Erdölförderung, Fluglinien, Reiseveranstalter, Automobilunternehmen), deren Unternehmen in unseren Nachhaltigkeitsfonds kaum oder gar nicht vertreten sind. Die Produkte und Dienstleistungen einiger Unternehmen in unseren Fonds sind sogar besonders gefragt im Kampf gegen das Coronavirus, wobei wir in diese Firmen bereits seit langem und daher unabhängig davon investiert hatten. Zum anderen ist ein Kernbestandteil unserer Aktien-Auswahl auch bei Nachhaltigkeitsinvestments die finanzielle Gesundheit der Unternehmen. Es liegt auf der Hand, dass sich dies bezüglich in Krisensituationen die Spreu vom Weizen besonders stark trennt. Und schließlich beobachten wir, dass die soziale Komponente innerhalb der Nachhaltigkeitskriterien gegenwärtig ebenfalls besonders gefragt ist und jenen Unternehmen tendenziell langfristige Vorteile verschaffen könnte, die gerade jetzt ihre soziale Verantwortung ernstnehmen. Nachhaltiges Investieren funktioniert langfristig!

Selbstverständlich sind nachhaltig agierende Unternehmen nicht immun gegen Wirtschaftskrisen und auch ESG-Investments1 natürlich nicht gefeit vor Wertverlusten. Auch unsere Nachhaltigkeitsfonds haben teils schmerzhafte Kursrückschläge erlitten. Für langfristig agierende Investoren, die seit fünf und mehr Jahren in diese Fonds veranlagt haben, stehen aber trotzdem noch immer gute Wertzuwächse zu Buche. Die entsprechenden Fonds liegen auch weiterhin teilweise deutlich vor den breiten Marktindizes bzw. ihren Referenzwerten. Wir bleiben überzeugt davon, dass nachhaltigen Investments die Zukunft gehört und dass diese trotz aller Risiken langfristig gute Ertragsaussichten bieten. Nicht unterschätzt werden sollte dabei, dass nachhaltiges Wirtschaften und der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit vor allem langfristig stattfinden. Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen brauchen daher auch langfristig agierende Kapitalgeber und Aktionäre. Mit unseren Fonds und unseren Investmentstrategien sind wir das zwar prinzipiell, sind dabei aber natürlich auch auf entsprechend langfristig investierende Fondsanleger und Investoren angewiesen.

Reibungslose Umstellung des Geschäftsbetriebs

Seit nunmehr zwei Wochen werden weite Teile unserer tagtäglichen Geschäftsprozesse von den allermeisten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Homeoffice und mittels moderner Telekommunikationsmittel abgewickelt. Wir können sehr zufrieden feststellen, dass faktisch alles weitgehend problemlos funktioniert und sich die Arbeitsabläufe, virtuellen Meetings sowie Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse sehr schnell gut eingespielt haben. Wir haben alles getan, um etwaige Ansteckungsrisiken innerhalb des Unternehmens zu minimieren und sind von Coronavirusfällen bislang verschont geblieben. Zugleich haben wir sehr robuste Krisenmechanismen etabliert, um auch beim etwaigen Ausfall von Kolleginnen und Kollegen jederzeit voll handlungsfähig zu bleiben. Es kommt uns derzeit zweifellos zugute, dass wir alle Vorgaben der Regulierungsbehörden für die Vorbereitung auf etwaige Krisenfälle immer sehr gewissenhaft umgesetzt haben. Selbstverständlich ist die gesamte aktuelle Situation für niemanden einfach und für alle mit erhöhten Anspannungen verbunden – für unsere Fondsanleger und Investoren, unsere Geschäftspartner und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Erfahrungen der vergangenen Tage und Wochen und das positive Feedbacks, dass wir in dieser Zeit erhalten haben, bestärken uns darin, dass wir diese Herausforderungen gemeinsam und gut meistern werden.


1) ESG steht für Umwelt (Environment, E), Soziales (Social, S) und gute Unternehmensführung (Governance, G).