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Gewerbeimmobilien: Warum Investoren die deutschen Sekundärstandorte für sich entdecken

OpinionsGewerbeimmobilien: Warum Investoren die deutschen Sekundärstandorte für sich entdecken

von Stefan Kalmund, Geschäftsführer und Dr. Tim Nädele, Senior Researcher, ACCOM Immobilien Gruppe, München.

Nach wie vor wird auf den deutschen Office-Immobilienmärkten rund jeder zweite Euro in den Top-7-Standorten umgesetzt.1 Gleichzeitig hat jedoch mittlerweile ein Umdenken unter den institutionellen Investoren eingesetzt: Die so genannten Mittelstandsstädte rücken immer stärker in den Investmentfokus zahlreicher Anleger und gewinnen spürbar an Gewicht, was die Asset-Allokation innerhalb ihrer Immobilienportfolios betrifft. Städte wie Dresden, Hannover, Nürnberg oder Darmstadt gehören eindeutig zu den neuen „Hidden Champions“ auf dem Retail- und Office-Markt. Und das hat seine Gründe.

Im Bürobereich – gemessen an der Volatilität der Mietniveaus und der Nettoanfangsrendite – weisen sämtliche der 30 wichtigsten Mittelstandsstädte ein deutlich günstigeres Risiko-Rendite-Verhältnis als die Top-7-Städte auf. Das zeigt eine von uns in Zusammenarbeit mit Bulwiengesa erstellte Studie. Der heterogene Branchen- und Mietermix und die diversifizierte Streuung sind in diesen Städten ebenfalls beachtlich. Neben den großen Konzernen wird die deutsche Wirtschaft von kleinen und mittelgroßen Unternehmen dominiert, die sich häufig im Familienbesitz befinden und den deutschen Mittelstand tragen. Deren Geschäftsmodelle sind langfristig und generationenübergreifend ausgelegt und oftmals sehr eng mit der jeweiligen Region verbunden. Die starke regionale Verflechtung führt dazu, dass diese Unternehmen auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten dem Standort treu bleiben.

Der Mittelstand treibt die Nachfrage nach Büroflächen

Der deutsche Büroimmobilienmarkt außerhalb der Top-7-Städte ist sehr interessant für internationale Investoren und sollte daher deutlich mehr in den Fokus rücken. Die Nachfrage nach Büroflächen in Deutschland hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Hierfür verantwortlich war größtenteils der sehr gute Arbeitsmarkt – die durchschnittliche Arbeitslosenquote nahm kontinuierlich ab und lag im vergangenen Jahr bundesweit bei nur noch 5,7 Prozent. Aktuell können die 30 von Bulwiengesa untersuchten Städte im Schnitt mit einer niedrigeren Arbeitslosenquote als die Top-7-Städte aufwarten. Relativ haben die Mittelstandsstädte bei der Zahl der Beschäftigten im Vergleich zu den Top 7 deutlich aufgeholt und es kam folglich zu einer Verbesserung der Flächennachfrage.

Während in den 7-Top-Städten die Büromieten Bulwiengesa zufolge innerhalb weniger Jahre um bis zu 20 Prozent schwankten, war die Volatilität in den kleineren Städten deutlich geringer. Gleichwohl stieg die Miete in Mittelstandsstädten etwas verhaltener als in den umkämpften innerstädtischen Lagen der Metropolen. Die genannten Aspekte lassen sich durch den geringen spekulativen Neubau und den begrenzten Flächenumsatz in Mittelstandsstädten erklären. Genau aus diesem Grunde trifft eine Value-Add- oder Core+-Strategie mit aktivem Managementansatz in diesen Städten der „Hidden Champions“ auf besonders fruchtbaren Boden. 

Ferner sind stabile Mieteinnahmen dort in besonders hohem Maße gewährleistet und liegen weit oberhalb normaler Branchenbenchmarks. Zurückzuführen sind die stetigen Mieteinnahmen grundsätzlich auf zwei Aspekte. Ein großer Vorteil für Investoren in den Mittelstandsstädten ist die gewünschte Mietdauer. Erfahrungsgemäß werden Mietverträge für mindestens zehn Jahre abgeschlossen. Denn nicht nur Anwälte, Notare oder Ärzte, sondern auch Dienstleister und kleineres produzierendes Gewerbe planen langfristig und vorausschauend. Dadurch ist das Wiedervermietungsrisiko in diesen Städten geringer als in den Top-7-Städten. Wenn ein Mieter sowohl mit dem Standort als auch mit dem Management des Objekts zufrieden ist, bleibt er in den meisten Fällen vor Ort. Folge: Knapp 90 Prozent der Gewerbemieter machen erfahrungsgemäß von ihren Verlängerungsoptionen Gebrauch.

Südkoreanische Investoren strecken ihre Fühler aus

Nicht nur immer mehr deutsche und europäische Investoren lassen sich von diesen Argumenten überzeugen. Auch professionelle asiatische Anleger, die derzeit vor allem Interesse an bislang großen Trophy-Gebäuden in Metropolen wie Berlin und München zeigen, sind zunehmend von der Tragfähigkeit und Stetigkeit der Mittelstandsstrategie überzeugt. Die Botschaft muss lauten: Keine Angst vor Sekundärstandorten! Südkoreaner schätzen beispielsweise die Qualität, die Kontinuität und die Werte in Deutschland außerordentlich. Sie kennen unsere Städte, lieben unsere Lebensart und auch der hiesige Mittelstand genießt rund um Seoul und im Reich der Mitte ein außerordentlich hohes Ansehen.

Insgesamt stammten bislang 46 Prozent der Immobiliendirektinvestitionen asiatischer Adressen aus Südkorea – ihr Anteil an allen ausländischen Investitionen ist in Deutschland mit zwei Prozent und einem Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro im vergangenen Jahr aber natürlich noch ausbaufähig. 

Nicht nur Großinvestoren aus Fernost, sondern auch Pensionskassen und Privatinvestoren zeigen ein immer größeres Interesse am deutschen Immobilienmarkt, da sie ihre Quote außerhalb der Heimatmärkte diversifizieren möchten. Ein weiterer entscheidender Grund: Nach China haben sich auch in Südkorea die gesetzlichen heimischen Rahmenbedingungen für Auslandsinvestitionen institutioneller Anleger deutlich verbessert. Wurden in diesem Bereich Investitionen in ausländische Märkte bislang untersagt, sind diese nun erlaubt. In naher Zukunft ist daher mit einem neuen Run auf die hiesigen Märkte zu rechnen.

Lange Zeit wurde Großbritannien von asiatischen Investoren in Europa als bevorzugter Investitionsstandort gehandelt. Heutzutage ist aber ein Umdenken der Investoren hin zu Immobilienanlagen in anderen europäischen Immobilienmärkten zu beobachten. Aus diesem Grund ist das Interesse an deutschen Mittelstandstädten, insbesondere bei professionellen Anlegern mit einem langfristigen und diversifizierten Investmentfokus, in letzter Zeit deutlich gestiegen. Für sicherheitsbewusste Investorengruppen aus dem Asia-Pacific-Raum könnte dementsprechend ein Fonds vorteilhaft sein, bei dem 80 Prozent des Volumens in Core+- und 20 Prozent in Value-Add-Objekten allokiert wären. Um solch ein Investment erfolgreich umsetzen zu können, ist jedoch eine starke Präsenz in den verschiedenen regionalen Märkten notwendig.

Eine starke Vor-Ort-Präsenz ist Pflicht

Um diese Präsenz zu erreichen, ist ein gutes lokales Netzwerk sowohl zu Unternehmen als auch zum Handwerk wichtig. Es dient dazu, ein effizienteres Vermietungsmanagement mit einem ausgewogeneren Mieter- und Branchenmix zu gewährleisten. Außerdem sollte der Asset-Manager mit der Vermietung von kleinteiligen Flächen vertraut sein. Darunter fällt beispielsweise die Vermietung kleinerer Einheiten von 100 bis 400 Quadratmeter Fläche. Zudem ist das nicht genutzte Mietflächenpotenzial dieser Flächenklassen zu heben. Dadurch können Optimierungspotenziale genutzt und die Standorttreue gesichert werden. Dieses gewährleistet ein effizientes Vermietungsmanagement mit einem ausgewogeneren Mieter- und Branchenmix. Unzufriedene Mieter, die sich für einen Wegzug entscheiden, stellen in den Mittelstandsstädten für Investoren ein größeres Risiko dar als an den A-Standorten.

Selbst wenn es dabei Probleme gibt, sollte versucht werden, einen Mieter zu halten. Möglicherweise können durch eine veränderte Nutzermischung oder eine bestimmte Bauweise Synergieeffekte erzielt und somit den Mieteranforderungen bestmöglich gerecht werden. Droht eine Geschäftsaufgabe, ist der Asset-Manager im besten Falle bereits im Vorfeld informiert und kann auf diese Weise frühzeitig mit der Suche eines Nachmieters beginnen. Eigentümer und Asset-Manager müssen die Office-Objekte folglich noch intensiver im Blick haben als an den A-Standorten. Bei professionellem Management der Objekte und der Investments müssen Office-Objekte in deutschen Mittelstandstädten somit nicht riskanter sein. Damit werden sie zu einer attraktiven Alternative für die deutschen Metropolregionen und bilden eine sinnvolle Ergänzung des Immobilienportfolios institutioneller Investoren.


1) Vgl. CBRE Pressemitteilung, 1/2018