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Hohe Marktvolatilität bis zum Ausgang der US-Wahlen erwartet

OpinionsHohe Marktvolatilität bis zum Ausgang der US-Wahlen erwartet

von Sandrine Perret, Senior Economist bei Vontobel Wealth Management.

Seit Richard Nixons unglücklichem Auftritt gegen John F. Kennedy im Jahr 1960 sind Fernsehdebatten ein wichtiger Bestandteil des US-Präsidentschaftswahlkampfes. In diesem Zusammenhang bildete die gestrige Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden keine Ausnahme und stellte die erste öffentliche Zurschaustellung ihrer Differenzen zu den Themen wie Steuern, das Coronavirus und den Sitz am Obersten Gerichtshof der USA dar.

COVID-19-Wirtschaftsschock wird weiterhin die Debatten beherrschen

Wie so oft in der Politik wird die US-Wahl kurzfristig nur begrenzte Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben, da die Agenda des Wahlsiegers in der Regel Monate, wenn nicht sogar Jahre braucht, um umgesetzt zu werden.

Mit dem kürzlichen Ableben der Richterin am Obersten Gerichtshof Ruth Bader Ginsburg begann ein politischer Kampf um ihre Ablösung vor der US-Wahl. Das kostet den Senat kostbare Zeit, der davon abgehalten wird, sich auf ein neues, dringend benötigtes Steuerpaket zu einigen, das zusätzliche Arbeitslosenunterstützung für Millionen von Bürgern unter prekären Bedingungen beinhaltet. Hier wirkt sich die politische Unsicherheit direkt auf die Erholung nach der COVID-19-Krise aus, und ein ausbleibender finanzpolitischer Kompromiss dürfte die US-Wirtschaft im vierten Quartal deutlich beeinträchtigen.

Extreme Szenarien haben die größten Auswirkungen auf den Markt

Anders als die Wirtschaft integrieren die Finanzmärkte politische Veränderungen viel schneller. Obwohl es mehrere mögliche Szenarien über den Ausgang der bevorstehden US-Präsidentschaftswahl gibt, sollten sich Anleger auf die drei extremsten Szenarien konzentrieren, da diese die ausgeprägtesten positiven oder negativen Auswirkungen auf die Märkte haben werden.

Szenario 1

Sollte Joe Biden das Oval Office gewinnen und die Demokraten sich beide Kongresskammern sichern, würden die Aktienmärkte zumindest kurzfristig eine sehr negative Reaktion zeigen. Ein solcher Democratic Sweep, das derzeit wahrscheinlichste Szenario, würde Biden die Macht geben, die Unternehmenssteuern und die Regulierung zu erhöhen, was sich negativ auf Sektoren wie große Technologieunternehmen, Finanzwesen und Gesundheitswesen auswirken würde. Sein Plan, in grüne Infrastruktur und saubere Energie zu investieren, käme Versorgungsunternehmen zugute. Sein Ziel, den Klimawandel anzugehen und die Umweltregulierung zu stärken, würde ein Umlenken der Investitionsströme, weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien, zur Folge haben. Ein sich vertiefendes Haushaltsdefizit unter Biden könnte die Anleiherenditen in die Höhe treiben, obwohl sich die Renditeschwankungen in Grenzen halten sollten, da die Angst vor sofortigen politischen Veränderungen Zuflüsse in sichere Anlagen begünstigen dürfte. Außerdem steuert die Feuerkraft der US-Federal Reserve weiterhin die Entwicklung die Renditekurve.

Szenario 2

Was aber, wenn Biden gewinnt, jedoch vor einem gespaltenen Kongress steht? Der größte Teil seiner Agenda würde dann nicht mehr umsetzbar sein. In seinem solchen Fall dürfte die Marktstimmung eher neutral bis leicht positiv ausfallen, da anhaltende politische Kämpfe im Kongress eine weichere Haltung gegenüber Außenhandel und internationaler Zusammenarbeit aus dem Weißen Haus ausgleichen würden.

Szenario 3

Das letzte mögliche Ergebnis, nämlich dass Amtsinhaber Donald Trump vier weitere Jahre mit einem gespaltenen Kongress regiert, würde Aktien am meisten profitieren lassen. Risikobehaftete Vermögenswerte würden angesichts der zu erwartenden Fortsetzung des derzeitigen Steuersystems und der niedrigen Regulierung eine Erleichterungsrallye erleben. Große Technologieunternehmen, Gesundheitsfirmen und Kommunikationsdienstleister könnten die Gewinner sein – alles Sektoren, die besonders von der Politik Donald Trumps profitiert haben. Allerdings würden Trumps aggressive Rhetorik zur Außenpolitik und seine negative Haltung zum Außenhandel während seiner zweiten Amtszeit ein Schlüsselrisiko für die Märkte bleiben.

Die US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 hat gezeigt, dass je höher die Unsicherheit um das Wahlergebnis ist, desto stärker fällt die Marktreaktion auf den Wahlsieg und die damit verbundenen politischen Änderungen aus. Ein klarer Wahlvorsprung in Meinungsumfragen vor der Wahlnacht würde es Analysten und anderen Marktteilnehmern am ehesten erlauben, das Ergebnis bereits einzupreisen. Allerdings bleiben jetzt noch fünf Wochen, was eine lange Zeit angesichts der Pandemie und eines Briefwahlverfahrens, das das Ergebnis verzögern könnte, ist. Daher müssen wir bis zum Wahlergebnis mit hoher Volatilität im Markt rechnen.


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