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Keine Sippenhaft für US-Gewerbeimmobilien

OpinionsKeine Sippenhaft für US-Gewerbeimmobilien

Ein Beitrag von Peer Bender, CEO, Acron AG: Von „Schwelbrand“ bis „Tsunami“ – wer derzeit die Berichterstattung in deutschsprachigen Medien zum US-Gewerbeimmobilienmarkt verfolgt, bekommt es mit der Angst zu tun. Weil deutsche Banken mit größeren Darlehensbeständen an US-amerikanischen Gewerbeimmobilien ihre Kreditrisikovorsorge teils deutlich erhöhen, fühlt sich mancher sogar an die Subprime-Krise erinnert.

Doch die Lage heute ist mit jener ab 2007 nicht vergleichbar. Damals handelte es sich um eine Vertrauenskrise, in der keine Bank den Büchern der anderen Bank traute und der Interbankenmarkt zum Erliegen kam. Diese Gefahr ist derzeit nicht zu erkennen. In Sachen Kapitalausstattung, Regulierung und Transparenz ist der Bankensektor heute in einer sehr viel robusteren und resilienteren Verfassung.

Vor allem aber ist die „Krise am US-Gewerbeimmobilienmarkt“ nicht so alarmierend, wie manche reißerische Überschrift suggeriert. Ja, es gibt Preiskorrekturen, die hauptsächlich mit den gestiegenen Zinsen zusammenhängen – ähnlich wie in Deutschland und Europa. Ja, es gibt Abschreibungen. Und ja, es gibt an einigen Teilmärkten höhere Leerstände als noch vor ein paar Jahren.

Doch das durch die Schlagzeilen vermittelte Bild ist viel zu einseitig und pauschal. Es verkennt zwei wesentliche Faktoren. Erstens: Wenn von der „Krise am US-Gewerbeimmobilienmarkt“ die Rede ist, ist in erster Linie der Büromarkt gemeint. Der Bereich der Gewerbeimmobilien ist jedoch weitaus vielfältiger, auch und gerade in den USA. Da sollte nicht alles über einen Kamm geschoren werden. Zweitens: Die USA bilden keinen einzelnen, homogenen Immobilienmarkt, sondern ein Konglomerat aus vielen Teilmärkten mit teils ganz unterschiedlichen Dynamiken. Niemand in Europa käme auf die Idee, Büroinvestments in Stockholm zu meiden, weil in Mailand der Leerstand gestiegen oder in Dublin die Mieten gesunken seien. Aber in den USA werden schnell mal Michigan, Kalifornien und Texas in einen Topf geworfen.

Kaum irgendwo sonst auf der Welt sind die Immobilien-Nutzungsarten so stark ausdifferenziert wie in den USA. Das ist zum Teil historisch bedingt und hat nicht zuletzt mit der stärkeren funktionalen Trennung innerhalb der Metropolregionen zu tun. Die Einzelmärkte für sehr spezielle Gewerbesegmente wie Rechenzentren, Self-Storage oder Life-Science (darunter versteht man eine Symbiose von Büro- und Laborflächen) sind deutlich größer, transparenter und liquider als diesseits des Atlantiks, wo sie als Investmentprodukte eher Nischen darstellen. In diesen Segmenten kann von Krise und hohen Leerständen keine Rede sein, im Gegenteil.

Doch auch der Blick auf etabliertere gewerbliche Nutzungsarten fällt differenzierter aus. Beispiel Einzelhandel: Natürlich wird auch im Heimatland von Amazon viel online bestellt, was traditionelle Einzelhändler unter Druck setzt. Nach dem Abebben der Corona-Pandemie erleben derzeit jedoch viele der zuvor pauschal totgesagten Shopping-Malls eine regelrechte Renaissance. Zum einen werden aus den Einkaufs- immer mehr Unterhaltungstempel, was ihnen steigende Besucherzahlen beschert. Zum anderen ist der Anteil des stationären Einzelhandels in den USA noch immer höher als im Rest der Welt. Davon mag nicht jedes einzelne Objekt profitieren, aber doch sehr viele; vor allem die größeren mit guter Verkehrsanbindung in den wachsenden und einkommensstarken Regionen.

Wieder zurück auf dem Wachstumspfad ist auch das Hotellerie-Segment. Die Übernachtungszahlen haben im vergangenen Jahr mit fast 1,3 Milliarden wieder das Niveau von vor Pandemie-Zeiten erreicht. Vor allem aber sind die Einnahmen pro verfügbaren Raum (RevPAR) mit im Durchschnitt fast 98 US-Dollar auf ein Rekordhoch gestiegen, trotz gewachsener Kapazitäten. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren hatte der Wert bei nicht einmal 70 Dollar gelegen. Das geht zum Teil auf die kurzzeitig hohe Inflation zurück, offensichtlich gönnt man sich aber auch einfach wieder was. Davon wiederum profitieren hochwertigere Hotels in höherpreisigen, einzigartigen Lagen.

Selbst im Bürosegment tut man gut daran, von Region zu Region und von Immobilie zu Immobilie zu unterscheiden. Das Narrativ, das die Berichterstattung über dieses „kriselnde“ Segment begleitet, begründet dies vor allem mit dem spürbaren Trend zum Homeoffice seit der Pandemie. Da ist natürlich auch etwas dran. Allerdings drängen inzwischen die meisten Unternehmen darauf, dass die Mitarbeiter wieder häufiger ins Büro kommen, und bauen dabei zum Teil erheblichen Druck auf – interessanterweise gerade auch die Tech-Konzerne. Trotzdem: So ganz lässt sich dieses Rad nicht mehr zurückdrehen und etliche Unternehmen kommen heutzutage einfach mit weniger Fläche als früher aus. Doch nicht alle Bürostandorte sind gleichermaßen davon betroffen. CBRE hat zum Beispiel festgestellt, dass überproportional viele der betroffenen Büroobjekte auf die Regionen Pazifik und Nordosten entfallen, während der Südosten und der Mittlere Atlantik deutlich besser abschneiden.

Das verdient eine nähere Betrachtung: Innerhalb der USA findet seit vielen Jahren eine starke Binnenmigration statt. Menschen und Wirtschaft zieht es aus dem klassischen Industriegürtel rund um die Großen Seen sowie aus den Gateway-Metropolen an Ost- und Westküste wie New York, Boston und San Francisco vor allem in den Südosten und Süden des Landes. Die Daten des Umzugsunternehmens United Van Lines zeigen seit Jahren ein relativ stetiges positives Bevölkerungssaldo in dem Gürtel von North Carolina bis Texas, zum Teil bis nach New Mexico, Arizona und Nevada. Umgekehrt sind es vor allem der Nordosten sowie Kalifornien, die eine negative Bilanz bei der Binnenmigration aufweisen.

Die Gründe sind vielfältig und unterscheiden sich von Fall zu Fall: höherer Lebensstandard, niedrigere Steuern und Lebenshaltungskosten, angenehmeres Klima, bessere Schulen und Universitäten, mehr Sicherheit. Die Unternehmen ziehen den Menschen hinterher und ziehen ihrerseits neue Umzügler an. Unter den Best Performing Cities des Milken Institutes belegen 2024 Austin und Raleigh die ersten beiden Plätze. Los Angeles liegt dabei auf Rang 122, New York auf 127. Man sollte sich also vor einem pauschalen Urteil bezüglich des Immobilienstandortes USA hüten.

Wer dennoch gegenüber Gewerbeimmobilien in den USA pauschal skeptisch ist, der sollte einen Blick auf Wohnimmobilien in den USA werfen. Das sich bei uns hartnäckig haltende landläufige Vorurteil, die USA seien an Land von Wohneigentümern, erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht ganz richtig. Etwa ein Drittel der US-Haushalte wohnt zur Miete. Das ist keineswegs immer Ausdruck sozialer Stigmatisierung, im Gegenteil: Viele jüngere, besser verdienende Amerikaner wissen den hohen Komfort und die Flexibilität von Multifamily-Wohnanlagen zu schätzen und sind durchaus bereit, entsprechende Mieten dafür zu bezahlen. Auch hierbei sollte der Fokus möglichst auf den Wachstumsregionen im Süden der Vereinigten Staaten gelegt werden, wohin es gerade junge Umzügler zieht.

In jedem Fall wäre es aus unserer Sicht ein Fehler, um den US-Immobilienmarkt generell einen Bogen zu machen. Die USA sind immer noch der größte zusammenhängende Wirtschafts- und Währungsraum der Welt, mit sehr liquiden und auch sehr unterschiedlichen Immobilien-Teilmärkten. Das Wachstumspotenzial ist vergleichsweise groß. Im vergangenen Jahr betrug das reale Wirtschaftswachstum 3,1 Prozent, in der Eurozone dagegen lediglich 0,5 Prozent. Für ein diversifiziertes (Immobilien)-Portfolio führt daher kein Weg an Investments in den USA vorbei. Dabei ist durchaus ein Blick auf die Details ratsam. Von der allgemeinen Panikmache sollte man sich jedoch nicht anstecken lassen.