Friday 4-Oct-2024
10.5 C
Frankfurt am Main

Nachhaltig Investieren: Elektromobilität

TopicsNachhaltig Investieren: Elektromobilität

von Mag. Wolfgang Pinner, Leiter Sustainable and Responsible Investment bei der Raiffeisen KAG.

Der Verkehrssektor ist ein wesentlicher und zugleich auch wachsender Verursacher von Treibhausgasemissionen. Im Jahr 2015 war der Verkehr laut dem Klimaschutzbericht 2017 des Umweltbundesamts – ohne Berücksichtigung des Emissionshandels – für 44,7 % der Treibhausgasemissionen in Österreich verantwortlich. Der laufende technologische Fortschritt bei Antriebstechnologien, die auf fossilen Energieträgern basieren, ist zwar vorhanden, reicht aber zur Erreichung der Klimaschutzziele bei weitem nicht aus. In Österreich betrug die Abnahme der CO2-Emissionen von 2000 bis 2016 gemäß des Sachstandsberichtes Mobilität des Umweltbundesamtes 2019 für neu zugelassene PKWs im Durchschnitt rund 1,6 % pro Jahr. Österreich hat für das Jahr 2050 das Ziel eines weitestgehend klimaneutralen Verkehrssektors formuliert. Maßnahmen sind eine Verkehrsverlagerung, die Forcierung des öffentlichen Verkehrs, die Förderung der aktiven Mobilitätsformen und vor allem auch der Umstieg auf Nullemissionsfahrzeuge, die auf erneuerbarer Energie basieren.

EFFIZIENTE TECHNOLOGIE

Grundsätzlich basieren die Emissionen des Verkehrssektors zu einem wesentlichen Teil auf den Antriebssystemen der Fahrzeuge, wobei das Verkehrssystem gegenwärtig von Verbrennungskraftmotoren geprägt ist. Wegen des erzielten thermodynamischen Wirkungsgrades von lediglich 45 % geht bei diesem Mobilitätskonzept jedoch mehr als die Hälfte der eingesetzten Energiemenge verloren. Demgegenüber liegt die Effizienz eines Elektromotors bei etwa 95 %. Neben dem elektrischen Antrieb zählen auch wasserstoffbasierte Konzepte zu den „sauberen“ Alternativtechnologien, die umfangreiches Potenzial aufweisen. Voraussetzungen für den kurz- bis mittelfristigen Erfolg der E-Mobilität als aktuell im Fokus stehende Alternativtechnologie – sprich für die verstärkte Durchdringung des Marktes – sind das Vorhandensein einer geeigneten Infrastruktur sowie Anreizmodelle, die von Steuervorteilen über sonstige Bevorzugungen wie der Verwendung von Busspuren und dem kostenlosen Parken bis zum Nutzen öffentlicher Ladestationen reichen können.

Weitere Vorteile von Elektromotoren gegenüber dem Verbrennungsmotor sind die einfachere Bauart, die geringere Wartungsintensität, weniger Lärmentwicklung und die lokale Emissionsfreiheit. Aktuell sind große Fortschritte in der Batterietechnologie zu beobachten; Nachteile, wie lange Ladezeiten und kurze Reichweiten im Fahrzeugbetrieb durch beschränkte Energiedichte, verschwinden zusehends. Damit könnte sich die Herstellung eines Elektrofahrzeugs aus Sicht des Umweltbundesamtes in absehbarer Zeit kostengünstiger darstellen als die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungskraftmaschinen mit zudem immer aufwändigeren Abgasnachbehandlungssystemen.

Neben der Thematik der Treibhausgase kann die Elektromobilität auch dabei behilflich sein, viele andere negative Auswirkungen des Straßenverkehrs zu reduzieren. Bei Elektrofahrzeugen beschränken sich die Luftschadstoffemissionen auf den Abrieb und die Wiederaufwirbelung von Feinstaub. Den genannten Vorteilen von Elektrofahrzeugen – Verbesserung der Luftqualität und Reduktion des Lärmes –, vor allem in urbanen Räumen, steht bei der Frage der Klimaverträglichkeit eine allgemeinere Betrachtung gegenüber. Die Gesamtanalyse zeigt, dass sich beim Einsatz von Elektrofahrzeugen Teile der Umweltprobleme in vorgelagerte Prozesse und andere Teile der Wer tschöpfungskette verschieben. Hierzu zählen Aspekte der Fahrzeugproduktion und der Erzeugung der Batteriesysteme, aber auch die Produktion des verwendeten Stroms. Das Potenzial der Elektromobilität kann nur dann wirklich ausgeschöpft werden, wenn der eingesetzte Strom zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammt.

MISSION 2030

In der Statistik finden sich etwaige Emissionen aus der Stromproduktion und -bereitstellung für Elektromobilität gemäß der internationalen Berichtspflichten nicht im Bereich Verkehr, sondern im Sektor Energieaufbringung wieder. In diesem Zusammenhang gewinnt die Zielsetzung der Bundesregierung, festgehalten in der sogenannten #mission2030, der österreichischen Klima- und Energiestrategie, zusätzlich an Bedeutung: der nationale Gesamtstromverbrauch soll bis 2030 zu 100 % (national bilanziell) aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Für eine erweiter te ökologische Beur teilung ist neben den bei der Energieerzeugung anfallenden Emissionen auch die ausreichende Nutzungshäufigkeit des jeweiligen Fahrzeuges relevant. Für eine tatsächliche CO2-Einsparung durch Elektromobilität ist eine ausreichende Nutzungsintensität notwendig, die, bezogen auf die gesamte Nutzungsdauer, je nach Strom-Mix, bei 30.000 gefahrenen Kilometern beginnt und bei durchschnittlichem Strom-Mix bei 100.000 Kilometern liegt.

Derzeit dreht sich die Diskussion über eine Förderung von sauberen Energien vor allem um die Elektrifizierung des Verkehrs und in diesem Zusammenhang um eine Beschränkung auf die Segmente Personenkraftwagen (PKW) und leichte Nutzfahrzeuge (LNF). In diesen Bereichen scheinen die technologischen Entwicklungen am weitesten fortgeschritten, außerdem existieren Fördermaßnahmen und Programme auf politischer Ebene. Aus heutiger Sicht wird der Güterverkehr und damit verbunden die Elektrifizierung von Lastkraftwagen (LKW) erst im Zeitraum nach 2030 an Bedeutung gewinnen.

1,2 MILLIONEN E-FAHRZEUGE BIS 2030

Das vom Umweltbundesamt im Rahmen des Sachstandsberichtes Mobilität untersuchte Szenario auf Basis der aktuell bestehenden Maßnahmen, ohne zusätzliche Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität, geht davon aus, dass die Fahrzeugbestände bis zum Jahr 2020 auf etwa 70.000 vollelektrische Fahrzeuge (BEV) und Plug-In-Hybridfahrzeuge (PHEV) anwachsen werden. Im nächsten Schritt wird im Jahr 2030 bereits mit knapp 1,2 Millionen teil- und vollelektrischen Fahrzeugen gerechnet.

Für 2050 ergeben die Schätzungen dann beinahe 4,5 Millionen BEV und PHEV im PKW-Bereich. Dies entspricht bei einem weiter wachsenden Fahrzeugbestand einem Anteil von 69 % der Gesamtfahrzeugflotte.

Allerdings könnte man auch mit der Erreichung dieser Zahlen die angepeilte, annähernd vollständige Dekarbonisierung des PKW-Verkehrs bis 2050 nicht bewältigen. Im genannten Szenario würden die bisherigen Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität in der derzeitigen Intensität fortgeführt. Dies würde eine Fortführung der ökonomischen Rahmenbedingungen, wie die Ausfälle bei Einnahmen aus der Mineralölsteuer, Sachbezugsregelung, Vorsteuerabzugsfähigkeit, Förderung von gewerblich und privat genutzten Elektrofahrzeugen sowie die Umsetzung der Maßnahmen des Umsetzungsplans Elektromobilität sowie des nationalen Strategierahmens Saubere Energie im Verkehr als Umsetzung der Richtlinie 2014/94/EU der Europäischen Union über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe bedeuten.

Die Beschlüsse der EU in Richtung neuer Klimaschutzziele für die Automobilindustrie vom März 2019 unterstützen die bereits vorhandenen politischen Ambitionen. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, sollen PKW-Hersteller bis 2030 den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagen im Vergleich zum Jahr 2021 um 37,5 % reduzieren. Für leichte Nutzfahrzeuge ist eine Senkung der Emissionen um 31 % im Vergleich zum Jahr 2021 vorgesehen. Dieser Beschluss steht in engem Zusammenhang mit dem gesamten Reduktionsziel von mindestens 40 % bis 2030, zu dem sich die EU im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet hat.

FÖRDERMAßNAHMEN

Mögliche Intensivierungen der begleitenden Einführungsmaßnahmen könnten zum einen eine Anhebung der Mineralölsteuer auf Diesel im Sinne einer Angleichung des vergleichbaren Steuersatzes für Benzin sowie die Indexierung der nominalen Mineralölsteuersätze für Benzin und Diesel mittels Verbraucherpreisindex ab 2020 sein. Andererseits könnten der Basistarif der motorbezogenen Versicherungssteuer angehoben und die Normverbrauchsabgabe respektive die Besteuerung von Dienstwagen in Richtung geringerer CO2-Emissionswerte reformiert werden. Die Förderaktion des Bundes für den Ankauf von PHEV und BEV Elektrofahrzeugen könnte verlängert werden.

Zusammenfassend ist das Ziel einer breiteren Flottendurchdringung mit rein elektrischen respektive Plug-In-Hybridfahrzeugen zur Erreichung einer deutlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors nur dann realistisch, wenn die bestehenden Fördermaßnahmen weiterhin bestehen bleiben und noch ergänzt werden – bezüglich der steuerlichen Rahmenbedingungen sowie anderer Maßnahmenbündel, die unter anderem auch den deutliche Ausbau der Ladeinfrastruktur betreffen.

Sieht man sich die aktuellen Absatzentwicklungen im internationalen Vergleich an, zeichnet sich nicht nur ein klarer Trend in Richtung einer erhöhten Anzahl an abgesetzten BEV und PHEV ab, sondern auch ein steigender Anteil der in Asien abgesetzten Fahrzeuge. Allein in China wurden bis 2018 mehr Autos verkauft (2,07 Millionen) als in den fünf nächstgrößten Ländern in Europa und Nordamerika, USA, Norwegen, Großbritannien, Deutschland und Frankreich zusammen (1,9 Millionen). Dies ist zum einen auf die derzeit noch vorhandenen Förderprogramme und zum anderen natürlich auch auf die enorme Bevölkerungszahl Chinas zurückzuführen.

VORBILD NORWEGEN

Geht man einen Schritt weiter und wirft einen Blick auf den Anteil der verkauften Elektrofahrzeuge am gesamten Automobilabsatz innerhalb eines Landes, gibt es einen klaren Gewinner aus Europa, nämlich Norwegen. Im Jahr 2018 stieg der Absatz von vollelektrischen Autos von 20,8 % im Jahr 2017 auf einen Rekordmarktanteil von 31,2 % an. Zählt man die Plug-in-Hybride dazu, sind es beinahe 50 % – weit mehr als in jedem anderen Land. Im März dieses Jahres gelang es den Norwegern sogar erstmals, in einem Monat mehr reine Elektroneuwagen zu kaufen als konventionelle Autos.

Doch wie schafft Norwegen diesen sukzessiven, erfolgreichen Umstieg auf Elektrofahrzeuge? Im Prinzip aufgrund des Vorhandenseins der oben genannten Grundvoraussetzungen. Der Staat Norwegen subventioniert den Kauf von batteriebetriebenen Fahrzeugen nicht nur mit Steueranreizen, sondern auch mit Initiativen wie Gratisparkplätzen und der kostenfreien Benützung von Ladesäulen. Das Land verfügt zudem über ein gut ausgebautes Netz an Ladestationen, ohne das ein derart rapider Anstieg an Elektrofahrzeugen nicht zu bewältigen wäre. Zu guter Letzt stammt ein Großteil des Stroms in Norwegen aus Wasserkraftwerken, die hinsichtlich der CO2-Bilanz sehr positiv abschneiden. Mischt man all diese Komponenten zusammen, entsteht ein optimales Umfeld, um eine Vorreiterrolle in Sachen alternativer Antriebsformen einzunehmen. Diese Chance hat Norwegen eindeutig genützt.

ELEKTROMOBILITÄT IM KONTEXT DER DREI NACHHALTIGKEITSDIMENSIONEN

E (Environment)

Bei einer Gegenüberstellung von Benzin-, Diesel- und Elektro-PKWs haben Batterie-Elektrofahrzeuge bei allen umweltrelevanten Parametern Vorteile gegenüber anderen Antriebs- und Bauarten. Größter Vorteil der E-Autos ist der Wegfall von Abgas-Emissionen auf lokaler Basis. Wesentliche Faktoren bei einer Gegenüberstellung der Ökobilanzen von Benzin-, Diesel- und Elektro-PKWs sind die Parameter Fahrsituation, Akku-Lebensdauer und Fahrzeugherstellung. Was die Fahrsituation anbelangt, so ist die innerörtliche Verwendung von E-Autos aus umwelttechnischer Sicht optimal, während konventionell betriebene Fahrzeuge auf den Betrieb außerhalb der urbanen Strukturen ausgelegt sind. Auch was die Stickstoffoxidemissionen und Partikelemissionen betrifft, haben E-Fahrzeuge gegenüber Benzin- und Dieselfahrzeugen deutliche Vorteile.

S (Social)

Die sinkenden Kosten der Elektromobilität werden in fernerer Zukunft das notwendige Förderungsvolumen reduzieren helfen und die Akzeptanz der Technologie bei Käufern aller Einkommensklassen erhöhen.

G (Governance)

Ein Erfolg der „sauberen“ Alternativtechnologien generell und der E-Mobilität im Besonderen hängt von unterstützenden staatlichen Maßnahmenpaketen ab. Treiber dahinter sind die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens kommunizierten Commitments der einzelnen Länder im Zusammenhang mit dem Klimaschutzprotokoll.


Diesen Beitrag finden Sie mit Grafiken sowie weiteren Informationen in der jüngsten Ausgabe des Nachhaltigkeitsletters „nachhaltig investieren“ der Raiffeisen KAG. Die vollständige Ausgabe zum Thema „Elektromobilität“ finden Sie links als PDF.