Der vereinbarte Waffenstillstand im Handelskrieg zwischen den USA und China steht auf dünnem Eis und ist so unsicher, dass womöglich ein einziger Tweet von US-Präsident Donald Trump ausreichen würde, um ihn zunichte zu machen. Die Unsicherheiten rund um den Handelskonflikt und seine möglichen Folgen scheinen der globalen Produktion und dem Handel mehr Schaden zugefügt zu haben, als zunächst angenommen. Vor allem China bekam die Auswirkungen des Handelskrieges zu spüren: Bis Ende Mai gingen die Warenexporte in die USA um 14 Prozent zurück. Daneben wirkt sich der Handelskrieg störend auf die Lieferketten aus und sorgt für rückgestellte Investitionen, da Unklarheit über die Produktionsstandorte herrscht. „Dennoch bleiben unsere Wachstumsprognosen positiv“, sagt Tim Drayson, Head of Economics bei Legal and General Investment Management (LGIM).
Gründe dafür hat der Experte einige. So habe unter anderem der Rückgang der globalen Rendite dazu beigetragen, dass der Dienstleistungs-Sektor und die Beschäftigungsrate relativ gut gesichert sind. Darüber hinaus hätten sich die US-Rezessionsindikatoren in den letzten Monaten hinsichtlich der Margen verbessert, da der Druck auf die Schuldendienstkosten nachließ. „Besonders hervorzuheben sind die soliden US-Verbraucherdaten und die niedrige Inflation, die für höhere Realeinkommen sorgt. Der Wohlstand nimmt zu und Kredite sind leichter zugänglich“, führt Drayson fort. Auch das Verbrauchervertrauen sei sehr hoch und stehe im Einklang mit einem anhaltend robusten Wachstum der Konsumausgaben, die mehr als zwei Drittel der US-Wirtschaft ausmachten. „Die Produktionsindustrie hingegen macht nur acht Prozent der Beschäftigungsrate aus. Sofern dieser Wirtschaftsbereich nicht signifikant nachlässt, ist eine Rezession unwahrscheinlich“, resümiert Drayson.
Niedrige Hypothekenzinsen dürften auch den Wohnungsmarkt stützen. Zwar haben Wohnungsbauinvestitionen das Wachstum in den vergangenen Quartalen geschmälert, in der zweiten Jahreshälfte könnten sie sich jedoch positiv entwickeln. „Sollte es nicht zu einer Eskalation im Handelskrieg kommen, dürfte das Gesamtwachstum positiv ausfallen, selbst wenn die Unternehmensinvestitionen stagnieren“, so Drayson.
Neben dem Ausgang der Handelsgespräche seien auch die Haushaltsgespräche im Kongress der Vereinigten Staaten entscheidend: „Bleibt eine Einigung aus, steht die USA vor einer moderaten Fiskalklippe, denn die diskretionären Ausgaben würden 2020 bedingt durch die Budgetobergrenze unter der bestehenden Gesetzgebung um drei Prozent sinken.“
Zusammenfassend geht der Experte davon aus, dass der Zyklus weiter anhalten und das Wirtschaftswachstum 2020 weiter zunehmen werde. „Die Hauptrisiken ergeben sich aus politischen Fehlern, die hinsichtlich des Handelskriegs und in der Fiskalpolitik entstehen könnten. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass jeder Schock durch die Bereitschaft der Fed abgefedert wird, auf Anzeichen von wirtschaftlicher Schwäche zu reagieren“, schließt Drayson.