Die Marktvolatilität Anfang August hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, dass eine gute Diversifizierung sowohl über das Gesamtportfolio als auch innerhalb einzelner Anlageklassen in den kommenden Monaten entscheidend sein kann. In ihrem Marktausblick erklärt Karen Watkin, Portfolio Manager – Multi-Asset Solutions bei AllianceBernstein, warum in der aktuellen Marktphase Multi-Asset-Income-Strategien zum wichtigen Werkzeug für Investoren werden können und inwiefern diese Strategien sowohl ein ausgewogenes Engagement in Marktbereichen mit Aufwärtspotenzial als auch ausreichend Sicherheit bei einer möglichen Eintrübung der wirtschaftlichen Stimmung bieten könnten.
Die erste Hälfte von 2024 war geprägt von einem soliden Wirtschaftswachstum und stabilen Inflationsraten. Entsprechend nahmen die Märkte ihre Erwartungen bei den Zinssenkungen zunächst zurück. Die Aktien- und Anleihemärkte, die in 2022 und 2023 noch eng beieinander lagen, liefen im Laufe des Jahres immer weiter auseinander. Eine zu defensive Ausrichtung einer Multi-Asset-Income-Strategie, dürfte vorsichtigen Anlegern in den vergangenen Monaten ein gewisses Aktienplus gekostet haben – selbst den besonders rauen August mit einberechnet. Vieles spricht dafür, dass ein Teil der jüngsten Schwäche technisch bedingt ist und auf eine überhöhte Positionierung zurückzuführen ist. Dies spricht auch dafür, dass sich aktuell für Anleger gute Einstiegsmöglichkeiten ergeben – vorausgesetzt, es bleibt bei einer sanften Landung der Wirtschaft.
Die Analysten von AllianceBernstein haben ihre Prognosen für die Wirtschaft angehoben und prognostiziert nun für die USA ein Wachstum von 2,4 Prozent. Dies liegt knapp unter dem Wachstum des vergangenen Jahres und nahe dem langfristigen Trend. Auch in Europa dürfte sich die Konjunktur (wenn auch zunächst mäßig) beschleunigen. Die Inflationsdaten in den USA zeigen mittlerweile in die richtige Richtung: So hat sich der Rückgang zwar zu Beginn des Jahres verlangsamt, in den letzten beiden Veröffentlichungen waren die Preissteigerungen jedoch schwächer als erwartet. Damit bewegt sich die Inflation jetzt in mehreren großen Volkswirtschaften in einem annehmbaren Bereich von zwei bis drei Prozent.
Umfeld schafft Vorteile für Multi-Asset-Strategien
Die niedrigere Inflation gibt der Federal Reserve ausreichend Spielraum, die Zinssätze zu senken und sich damit anderen Zentralbanken wie der Bank of Canada und der Europäischen Zentralbank anzuschließen. Damit scheint das Szenario einer sanften Landung bei niedrigerer Inflation für Risikoanlagen, einschließlich Aktien, günstig zu sein. Festverzinsliche Anlagen bieten ein hohes Ertrags- und Renditepotenzial. Das ist ein Umfeld, das insbesondere für Multi-Asset-Anlagen attraktiv ist. Vor allem Strategien, die darauf ausgerichtet sind, flexibel zwischen und innerhalb von Anlageklassen umzuschichten, können profitieren.
Viele der Aktientrends der ersten Jahreshälfte haben die Trends aus 2023 fortgeschrieben, obwohl es zu Beginn der zweiten Jahreshälfte Anzeichen dafür gab, dass sich die Markterträge über einige wenige Spitzenreiter hinaus verbreitern würden. So machten vergangenes Jahr die „Magnificent Seven“ 60 Prozent der Renditen des S&P 500-Anstiegs aus. Zu Beginn 2024 war es zunächst ähnlich. Darüber hinaus sind jedoch auch Anzeichen für einsetzende Rotationen erkennbar. So haben in den vergangenen drei Monaten Schwellenländeraktien Titel aus den Industrieländern erstmals seit langer Zeit übertroffen. Gleichzeitig fand im Juli die größte Rotation von Standard- zu Nebenwerten seit über 20 Jahren statt: Der Russell 2000 Index verzeichnete kürzlich seine größte zweiwöchige Rallye gegenüber dem Nasdaq 100 seit 2002.
Zeit hochwertiger Wachstumsaktien hält an
Angesichts der Basisprognose für eine sanfte Landung scheint ein gewisses Engagement in Aktien durchaus sinnvoll. Anleger sollten aber auch nach Anzeichen für mögliche Rotationen Ausschau halten. Schon seit Anfang 2023 spricht das Umfeld für eine Ausweitung des Engagements bei großkapitalisierten, qualitativ hochwertigen Wachstumsaktien. Dieses Segment dürfte auch in den kommenden Monaten Möglichkeiten bieten, auch wenn höhere Bewertungen und eine hohe Gewinnspanne das Gleichgewicht der Risiken in Richtung anderer Segmente verschoben haben.
Wenn sich das Wachstum abschwächt und der Zinssenkungszyklus an Fahrt gewinnt, dürfte sich darüber hinaus der Spielraum beim Gewinnwachstum weiter ausweiten. Auch bei Nebenwerten ergeben sich Chancen: Nachdem sie lange Zeit hinter Standardwerten zurückgeblieben waren, haben sie sich mittlerweile weitgehend erholt. Darüber hinaus ergeben sich aufgrund von Zinssenkungen und potenziellem politischem Rückenwind durchaus Aufwärtspotenziale – insbesondere dann, wenn ein politischer Führungswechsel in den USA eine stärkere Konzentration auf inländische Angelegenheiten lenken sollte. Eine umsichtige Positionsgröße und ein selektiver Ansatz bleiben hier entscheidend. Immerhin sind in den Nebenwerte-Indizes viele unrentable, stark konjunkturabhängige Unternehmen mit geringer Qualität enthalten.
Geopolitische Unsicherheiten und Wahlrisiken rücken näher
Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt haben, dass es in naher Zukunft nicht bei den unterdurchschnittlichen niedrigen Risiken an den Märkten bleiben dürfte. Sowohl makroökonomische Überraschungen bei Wachstum und Inflation, als auch Gewinnüberraschungen an den Märkten oder Wahlrisiken könnten mögliche Auslöser für Volatilität sein. Zwar sind es dieselben Risiken, die sich bereits früher im Jahr abgezeichnet haben, doch sie scheinen immer präsenter. Einer der Brennpunkte dürften die US-Wahl im November sein. Zwar haben Wahljahre in der Vergangenheit die Marktrenditen im Vergleich zu Nichtwahljahren nicht wesentlich beeinflusst, aber sie haben die Märkte verunsichert. Angesichts einer stärkeren politischen Polarisierung und deutlicher politischer Differenzen sowie eines niedrigen Aktienrisikos sollten die Anleger in der zweiten Jahreshälfte mit höherer Volatilität rechnen.
Diese möglichen Marktturbulenzen machen Diversifizierung in der zweiten Jahreshälfte zu einem Schwerpunktthema. Sowohl ein ausgewogener Ansatz bei der Aktienallokation als auch Engagements bei Anleihen bieten dazu Lösungsansätze. Hohe Anfangsrenditen bei Anleihen erhöhen das Ertragspotenzial und bieten die Möglichkeit, Schwankungen abzufedern. Wie gut das funktioniert, hat sich auch bei der jüngsten Aktienkorrektur gezeigt, als aufgrund der erheblichen Renditerückgänge die Kurse in die Höhe geschossen sind. Da sich die Inflation weiter abschwächt und die Zinsen wahrscheinlich folgen werden, sind die Aussichten für Anleihen durchaus positiv. Ein moderates Wachstumsszenario ist in der Regel der Sweet Spot für Hochzinsanleihen, und eine weiche Landung in den USA bleibt das wahrscheinlichste Szenario.
Anleihen unterstreichen Wert der Diversifizierung und Ertragspotenzial
Die Qualität des Hochzins-Universums hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, wobei der Anteil der Emittenten mit BB-Rating gestiegen und der Anteil der CCC-Emittenten gesunken ist. Daher dürften die Renditeaufschläge durchaus konstruktiver sein, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Darüber hinaus sorgen hohe Anfangsrenditen für eine gewisse Konvexität des Engagements in festverzinslichen Wertpapieren (siehe Grafik zwei). Die Kombination von Aktien- und Anleiheinvestitionen kann auch zu einer besseren Diversifikation über verschiedene Branchen hinweg beitragen. Globale Aktienindizes sind in der Regel Tech-lastiger und globale Unternehmensanleihen-Indizes zyklischer. So kann ein Portfolio entstehen, das sich in unterschiedlichen Konjunktur- und Marktumgebungen insgesamt besser entwickelt.
Multi-Asset-Einkommensstrategien nutzen eine Reihe von Anlageklassen, die in der aktuellen Marktlage an mehreren Stellen vielversprechende Möglichkeiten auftun. Auch weil sich die großen Trends der ersten Jahreshälfte fortsetzen dürften. Sowohl Aktien als auch Anleihen profitierten in den vergangenen Monaten vom relativ günstigen wirtschaftlichen Umfeld – das kam vor allem Multi-Asset-Strategien zugute (siehe Grafik 3). In den kommenden Monaten dürfte es jedoch nicht reichen, einfach nur die verschiedenen Bausteine zusammenzusetzen. Entscheidend ist es, die Mischung und Struktur an die sich verändernden Bedingungen anzupassen. Mit Blick auf die zweite Hälfte des Jahres 2024 könnten Anleger profitieren, die eine gute Balance zwischen Auf- und Abwärtsrisiken schaffen. Das haben auch die Turbulenzen Anfang August gezeigt.
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