Tuesday 16-Apr-2024
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Rezession oder Wirtschaftswachstum?

OpinionsRezession oder Wirtschaftswachstum?

von Gerhard Winzer, Chefvolkswirt der Erste Asset Management.

Das Wirtschaftswachstum hat sich bis ins erste Quartal 2019 markant abgeschwächt. Die risikobehafteten Wertpapierklassen wie Aktien haben dennoch deutliche Kursanstiege verzeichnet, weil die Zentralbanken eine ebenso ausgeprägte Veränderung der Geldpolitik von „Straffung“ auf „unveränderte Haltung / Lockerung“ vollzogen haben. Für das aktuelle Quartal zeichnet sich eine Änderung der beiden wichtigen Einflussfaktoren Wachstum und Geldpolitik für die Märkte ab.

Wachstumsrezession?

Die wirtschaftliche Aktivität befindet sich auf globaler Ebene nach wie vor in der Phase „Abschwächung“. Für das erste Quartal 2019 wird ein Wachstum im Quartalsabstand in einer Bandbreite von 2% – 2,5% auf das Jahr hochgerechnet geschätzt. Die Schätzung für das Potenzialwachstum beträgt rund 2,7%. Ein weiterer Wachstumsrückgang würde damit bereits den Übergang in die nächste Phase „Wachstumsrezession“ charakterisieren.

In diesem Umfeld schrumpft zwar nicht das Bruttoinlandsprodukt, was eine Rezession bedeuten würde, aber ein anhaltendes Wachstum unter dem Potenzial würde eine Abschwächung des Arbeitsmarktes und der Gewinne implizieren.

Grafik 1: globale Wachstumsabschwächung

Quelle: Bloomberg, EAM

Schwäche im Gütersektor

Insbesondere der Gütersektor ist schwach. Die Industrieproduktion fällt in vielen Ländern, ebenso wie die Auftragseingänge und die Güterexporte. Auf der negativen Seite sticht hier vor allem Deutschland hervor, wo die Fertigungsaufträge im Monat Februar um mehr als 8% im Jahresabstand geschrumpft sind. Zudem lassen die schwachen Fabriksauslieferungen auf eine stagnierende Investitionstätigkeit der Unternehmen schließen.

Unsicherheit

Auch die Indikatoren zur Unternehmensstimmung sind in zahlreichen Ländern gefallen. Das kann auf mehrere schwer einzuschätzende Entwicklungen wie den (Handels)konflikt zwischen den USA und anderen Ländern, das Brexit-Chaos und die Dauer der Abschwächung des Kreditwachstums in China zurückgeführt werden.

Lockerung der Geldpolitiken

In einem Sektor ist die Unsicherheit jedenfalls etwas gefallen. Nach den starken Kursrückgängen im vierten Quartal 2018 hat auf den Märkten eine Erholung stattgefunden, d.h., die Risikoprämien sind gesunken. Hauptverantwortlich dafür war die Veränderung der Konstellation zwischen den Kategorien Wirtschaftswachstum, Politik, und Geldpolitik von „Abschwächung“ „erhöhte Unsicherheit“ und „Straffung“ (Leitzinsanhebungen) im vierten Quartal auf „Abschwächung“, „erhöhte Unsicherheit“ und „unveränderte Haltung / Lockerung“ im ersten Quartal 2019.

Grafik 2: In den Marktpreisen eingepreiste Veränderung des US-Leitzinssatzes innerhalb der kommenden 12 Monate (aktuell rund minus 0,27 Prozentpunkte)

WirtschaftswachstumQuelle: Bloomberg, EAM

Verbesserung in China

Die Anzeichen für eine Stabilisierung des Wirtschaftswachstums sind zwar immer noch schwach, in den vergangenen Wochen haben sie jedoch zugenommen. An vorderster Stelle stehen hier die Hinweise für ein Ende des Rückgangs des Wirtschaftswachstums in China. Dazu gehören vor allem die Anstiege der Einkaufsmanagerindizes im Monat März und der mild positive Kreditimpuls in den Monaten Jänner und Februar. Wenn in China diese Verbesserung von den „harten“ Indikatoren wie der Industrieproduktion, den Exporten, den Importen, der Investitionstätigkeit und der Kreditvergabe bestätigt wird, werden wahrscheinlich auch in anderen Ländern die Daten den Gütersektor betreffend eine Erholung aufweisen.

Neues Haar in der Suppe

Wenn eine Wachstumsrezession vermieden wird, weil die Schwäche im Gütersektor endet und die Unsicherheit hinsichtlich politischer Entwicklungen etwas abnimmt, ist das per se eine positive Entwicklung für die Märkte. Allerdings würde dann auch ein wesentlicher unterstützender Faktor für die Märkte wegfallen: Die Tendenz, zunehmend geldpolitische Lockerungen einzupreisen. Für einige Länder reflektieren die Marktpreise bereits moderate Leitzinssenkungen, insbesondere für die USA.

Im Szenario „Stabilisierung“ ist das übertrieben. Das Verschwinden von Leitzinssenkungserwartungen ist von den Märkten wahrscheinlich verkraftbar, weil sich gleichzeitig auch die Wachstumsaussichten verbessern. Das erneute Auftreten von Erwartungen hinsichtlich Leitzinsanhebungen aufgrund von Inflationsanstiegen wäre jedoch nachteilig für die Märkte.


Wichtige rechtliche Hinweise

Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog der Erste Asset Management.

Mehr Informationen zur Produktpalette der Erste Asset Management finden Sie unter www.erste-am.at.