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Rumänien: der Glanz verblasst

OpinionsRumänien: der Glanz verblasst

Am 1. Januar 2019 wird Rumänien den Vorsitz des EU-Rats in einer Periode übernehmen, da das Land langsam aber beständig von einem Wachstums-Champion zum Nachzügler innerhalb der EU wird, so Monica Croitoru, Fund Manager der Erste Asset Management.

Auf politischer Ebene erreichte die ständige Erosion der gerichtlichen Unabhängigkeit seitens der sozialdemokratischen Regierung im Sommer einen Höhepunkt. Die vorgeschlagenen Veränderungen wurden von den Bürgern mit Protesten begleitet und zogen Kritik von EU-Institutionen auf sich, unter anderem von der Venedig-Kommission (beschäftigt sich im Council of Europe mit Verfassungsrecht). Da der Kampf gegen Korruption zusehends abschwächt, ist nicht auszuschließen, dass Rumänien demnächst zu Polen und Ungarn auf die Liste der EU-Länder kommt, die sich mit einem Artikel-7-Verfahren konfrontiert sehen. Das politische Umfeld verspricht für 2019 ein ereignisreiches Jahr, zumal im Mai 2019 die europäischen Parlamentswahlen und im November und Dezember 2019 die Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich

Währenddessen führt der politische Lärm zu Eintrübungen in der Realwirtschaft. Das BIP wuchs 2017 – von signifikanten Expansionsmaßnahmen im Fiskalbereich befeuert – um 6,9%. Für 2018 hingegen erwartet der IWF eine Verringerung auf 4,0% und für 2019 auf 3,4%. Nachdem der Konsum durch aufeinander folgende Erhöhungen des Mindestlohns, der Löhne im öffentlichen Sektor und der öffentlichen Pensionen angekurbelt worden war, fiel er im ersten Halbjahr 2018 deutlich. Darüber ist das finanzielle Umfeld seit September 2017, als die rumänische Zentralbank den Weg einer restriktiven Geldpolitik zum Behufe der Inflationsbekämpfung einschlug, merklich straffer geworden. Trotz dreier Zinserhöhungen in 2018 von 1,75% auf 2,50% und wahrscheinlichen Interventionen seitens der rumänischen Nationalbank am Devisenmarkt zwecks Verlangsamung der RON-Abwertung bleibt die Inflation unbeirrt hoch bei über 5,0%. Zwar wird erwartet, dass sie in den kommenden Monaten aufgrund von statistischen Basis-Effekten unter 4,0% fallen wird, aber dennoch verbleibt sie außerhalb des Zielbands der Zentralbank.

Ein Zwillingsdefizit ist im Entstehen

Im Lichte dieser Entwicklungen sieht sich die Regierung mit einem schwierigen Dilemma konfrontiert: entweder reduziert sie die explodierenden Sozialausgaben, um das Budgetdefizit in 2019 bei 3,0% zu stabilisieren, oder sie riskiert sogar noch höhere Raten. In Anbetracht der populistischen Agenda der Regierung in den Wahljahren 2019/20 ist die letztere Option die wahrscheinlichere. Rumänien hat über die Jahre ein Zwillingsdefizit-Problem geschaffen, mit welchem das Land in seiner Region alleine dasteht. Die makroökonomische Exponiertheit ist seit 2016 im Steigen begriffen, da die bedachtsame Fiskalpolitik rasch ins Gegenteil gekehrt wurde. Das Fiskaldefizit wurde 2017 trotz der ausgezeichneten Wachstumszahlen mit Müh und Not unter 3,0% gehalten, und für 2019 wird mit einer Überschreitung von 2019 ausgegangen. Dies nährt die Befürchtung, dass die Regierung sich dazu entschließen könnte, die zweite Säule des verpflichtenden Pensionssystems umzustoßen. Die Einstellung aller Zahlungen in das Pflichtpensionssystem würde Budgeteinnahmen von etwa 0,8% des BIP bringen und könnte hinsichtlich der fiskalischen Belastungen vorübergehend Erleichterung schaffen. Veränderungen bei der verpflichtenden Privatpensionsvorsorge könnten 2019 vorgeschlagen werden.

Rumänien: Fiskalbilanz und LeistungsbilanzQuelle: Erste Asset Management GmbH 
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.

Steigendes Lohnwachstum bei gleichzeitig langsamem Produktivitätswachstum haben zu einer Erosion der Kostenwettbewerbsfähigkeit des Landes geführt, während das Leistungsbilanzdefizit im August 2018 auf 3,7% des BIP anstieg. In Verbindung mit der überbewerteten Währung (RON) und dem sich verlangsamenden Wachstum in der Eurozone ist von negativen Effekten für rumänische Exporte auszugehen. Darüber hinaus ist es bis dato noch zu keinem Anstieg der strukturellen oder Investment-Zuflüsse aus der EU gekommen. Eine starke Erholung in den kommenden Monaten ist angesichts der Tatsache, dass die Regierung öffentliche Ausgaben zurückfährt, unwahrscheinlich. Daher sind Zuflüsse aus ausländischen Direktinvestitionen und aus der EU nicht ausreichend, um das Leistungsbilanzdefizit auszugleichen, was den RON für externe Schocks verwundbar macht. Die Zentralbank hat bereits große Summen an Fremdwährungsreserven eingesetzt, um eine noch deutlichere nominelle Abwertung abzuwenden.

RumänienÖÖffentliche und private SektorlöhneQuelle: Erste Asset Management GmbH 
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.

Was kommt als Nächstes?

Die derzeitigen politischen und fiskalen Entwicklungen machen Rumänien verwundbar für mögliche Herabstufungen des Ratings, was zu einem Verlust des Investment Grade-Status führen würde. Sogar ohne Verschlechterung des Kredit-Ratings haben rumänische Anleihen seit September 2017 eine deutliche Korrektur verzeichnet. Da die Effekte der Zinserhöhungen seitens der Zentralbank und die steigende Inflation signifikant waren, bekamen Lokalwährungsanleihen als erste die Konsequenzen zu spüren. Hartwährungsanleihen (EUR) verbuchen zwar weitere Spreads als der faire Wert dies annehmen ließe, doch können sie, relativ gesehen, aufgrund der expansiven Geldpolitik der EZB auf eine bessere Performance als Lokalwährungsanleihen zurückblicken.

Der Antritt des Vorsitzes des EU-Rats während der Brexit-Verhandlungen könnte Rumänien die Chance geben, seinen Glanz als Wachstums-Champion und Unterstützer europäischer Werte wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit wieder zu erlangen. Es bleibt abzusehen, inwieweit das Land von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird.


Wichtige rechtliche Hinweise:

Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog der Erste Asset Management.

Mehr Informationen zur Produktpalette der Erste Asset Management finden Sie unter www.erste-am.at.