Wednesday 24-Apr-2024
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Siegeszug der Elektroautos nur kurzfristig abgebremst

Markets and NewsSiegeszug der Elektroautos nur kurzfristig abgebremst

Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management: Im „Wirtschaftsdienst“ vom Januar sagen Ferdinand Dudenhöffer und seine Kollegin Helena Wisbert vom Duisburger CAR – Center Automotive Research – für die deutschen Neuzulassungen von E-Autos einen starken Rückgang in diesem und im nächsten Jahr voraus. Der Boom sei erst einmal zu Ende. Ich bin mir jedoch sicher, dass es sich nur um eine Delle handelt und der Markt ab Mitte 2024 wieder kräftig expandieren wird, vor allem weil immer mehr Regierungen aus Umweltgründen entschlossen sind, Autos mit Verbrennungsmotor Schritt für Schritt zu verbieten. Ab 2035 werden in der EU keine neuen Verbrenner mehr zugelassen. Bald haben die Käufer daher keine Wahl mehr – sie müssen auf Stromer umsteigen. Die skandinavischen Länder machen uns vor, wohin die Reise geht.

Für die kommende Delle nennen die CAR-Autoren drei Gründe: 1. würden ab diesem Jahr die diversen Kaufprämien für Elektroautos gekappt. Dadurch stiegen die Preise für die Käufer bis 2024 im Vergleich zu 2022 je nach Modell um 11 bis 33 Prozent. Bei den kleineren – und damit bisher erschwinglicheren – Autos seien die Preissprünge am größten. Ihre Nachteile beim Kaufpreis nähmen damit weiter zu. Vor allem Hybride würden einen Einbruch erleben. 2. dürften die Strompreise für Haushalte von nun an bei etwa 60 Cent, an Ladestationen sogar bei 70 Cent je Kilowattstunde liegen und hätten sich so gegenüber der Zeit vor der Energiekrise verdoppelt; ein E-Auto zu fahren sei nicht mehr unschlagbar billig. 3. stiegen die Produktionskosten von Batterien, den wichtigsten Kostenkomponenten, deutlich an, weil sich Rohstoffe wie Lithium-Hydroxid, Kobalt, Nickel, Mangan und Phosphor stark verteuert haben.

Nachdem 2022 insgesamt rund 833.000 E-Autos zugelassen wurden, ein Anstieg um das 7,6-fache innerhalb von drei Jahren, werden es nach der Prognose von Dudenhöffer und Wisbert im Jahr 2024 nur noch 455.000 sein, ein Rückgang um 45 Prozent. Davon sollen 394.000 auf reine Stromer und 61.000 auf Hybride entfallen.

Der bei weitem wichtigste Akteur auf diesem Markt ist China. Weil das Land bei Verbrennern realistischerweise im internationalen Wettbewerb nicht mithalten kann und die Umwelt in einem katastrophalen Zustand ist, setzt die Regierung voll auf Elektroautos. Global entfällt auf das Land inzwischen die Hälfte aller Neuzulassungen. Wenn die europäischen, amerikanischen, japanischen und koreanischen Autofirmen überleben wollen, müssen sie sich danach richten, was dort geplant ist. Die Erkenntnis ist offenbar, dass die Zukunft den batteriegetriebenen Autos gehört. Die Investitionen, die in dieses Segment fließen, sind jedenfalls inzwischen enorm.

Die starke Reduzierung der deutschen Kaufprämien ist zweifellos ein wichtiger Grund, warum es in diesem und im nächsten Jahr hierzulande nicht gut laufen dürfte. Aber auch in Ländern, in denen Kaufprämien keine Rolle spielen, dürfte die Expansion des E-Marktes etwas ins Stocken geraten, weil die Autohersteller zurzeit oft schlicht nicht liefern können. Stichworte sind hier etwa der Hafen von Schanghai und der Krieg in der Ukraine.

Zwar sind die Kosten für Li-Ionen-Batterien zuletzt leicht gestiegen, am langfristigen Abwärtstrend ändert das aber nichts. Er ist sehr stabil. In Preisen von 2020 kostete die Kapazität einer Kilowattstunde 2014 nach einer Studie von Bloomberg noch 600 US-Dollar, 2024 dürften 94 US-Dollar erreicht werden, und 2030 sogar nur 59 US-Dollar. Hier zeigen sich die Wunder der Forschungsinvestitionen und der Massenfertigung. Außerdem setzen Hersteller wie etwa Tesla zunehmend auf Lithium-Eisen-Phosphat (LFP) und benötigen daher weder Kobalt noch Nickel. Sie versuchen, den Einsatz der teuren seltenen Erden zu minimieren. Insgesamt wird der Anteil der Batteriekosten an den Gesamtkosten der E-Autos weiter zurückgehen und ist in Kürze nicht mehr der entscheidende Faktor: Im elektrischen Fiat 500 beispielsweise, der für etwa 35.000 Euro zu haben ist, kostet die 42 kWh-Batterie schon heute lediglich 6.000 Euro.

Was die Treibstoffkosten angeht, fallen bei einem Verbrenner mit einer Jahresleistung von 14.000 km, einem Durchschnittsverbrauch von 8 Liter/100 km und einem Spritpreis von 1,90 Euro insgesamt 2.128 Euro pro Jahr an. Ein E-Auto dagegen, mit der gleichen Fahrleistung und einem Strompreis von 60 Eurocent/kWh kommt auf 1.512 Euro, ein Unterschied von gut 600 Euro im Jahr oder 51 Euro im Monat. Soweit die Käufer von der Strompreisbremse profitieren können, zahlen sie nur 40 Cent pro Kilowattstunde und kommen dadurch auf jährliche Betriebskosten von nur 1.008 Euro, also pro Monat 93 Euro weniger als für einen Verbrenner. Berücksichtigt werden sollte auch, dass die Versicherung weniger kostet, die Steuern meist niedriger sind und der Wiederverkaufspreis relativ höher ist. Außerdem ist nicht unwahrscheinlich, dass die Strompreise demnächst wieder sinken – die Grenzkosten von Strom aus Erneuerbaren (die massiv weiter ausgebaut werden) liegen in der Nähe von Null.

Es sieht also nicht danach aus, dass sich die Ausgaben für den Aufbau von E-Auto-Kapazitäten als teure Fehlinvestitionen erweisen werden. Es ist genau umgekehrt: Wer nicht investiert, wird im Wettbewerb nicht bestehen können.