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Starke USA, schwache Emerging Markets, Inflationsgefahr – Geht der Wirtschaftsboom bald zu Ende?

OpinionsStarke USA, schwache Emerging Markets, Inflationsgefahr – Geht der Wirtschaftsboom bald zu Ende?

von Gerhard Winzer, Chefvolkswirt der Erste Asset Management.

Seit Jahresanfang hat es mehrere negative Entwicklungen gegeben: Angefangen von Zins- und Inflationsängsten in den USA, über die Befürchtungen einer Eskalation des Handelskonfliktes der USA mit dem „Rest“ der Welt bis hin zu einem Vertrauensverlust für Italien und einige Emerging Market-Volkswirtschaften. Zu guter Letzt haben die Befürchtungen hinsichtlich einer Rezession (auf mittlere Sicht), eines „harten“ Brexit und der Finanzmarktstabilität – zehn Jahre nach Lehman – zugenommen.

Dieses Umfeld hat in der Ertragsentwicklung von vielen Wertpapierklassen (negative) Spuren hinterlassen. Wenige Assets, vor allem US-Cash, US-Unternehmensanleihen mit einer niedrigen Kreditwürdigkeit und US-Aktien weisen positive Erträge auf. Gleichzeitig ist das reale globale Wirtschaftswachstum kräftig geblieben: Mit rund 3 Prozent liegt es über dem langfristig zu erwartenden Wert, das heißt, dem Potenzial. Die Unsicherheiten sind zu einem Teil schon in den Marktpreisen enthalten. In diesem Blog sollen ausgehend vom aktuellen Umfeld drei Szenarien für die kommenden Quartale bzw. das nächste Jahr beleuchtet werden.

Aktuell: Boom-Phase mit Abwärtsrisiken

Die Ressourcenauslastung hat sich mittlerweile so deutlich verbessert, dass die negativen Produktionslücken verschwunden sind. Das ist unter anderem an den markant gesunkenen Arbeitslosenraten zu sehen. Allerdings weisen zahlreiche Frühindikatoren für die wirtschaftliche Aktivität einen fallenden Trend auf.

Zudem ist die Zusammensetzung des weltweiten Wachstums uneinheitlicher geworden. Bemerkenswert ist vor allem das starke Wachstum in den USA und die Abschwächung in den Emerging Market-Volkswirtschaften. Letztere sind mit einer klassischen „Anpassung“ der externen (hohe Leistungsbilanzdefizite) und internen (hohe Budgetdefizite, hohe Inflation) konfrontiert. Diese wird durch die Abschwächung des Wirtschaftswachstums in China verstärkt.

Steigende Löhne führen zu Aufwärtsdruck bei Inflation

Die Inflationsraten sind in den entwickelten Volkswirtschaften niedrig, wobei der zyklische Aufwärtsdruck zunimmt. Zu sehen ist das unter anderem an dem Anstieg des Lohnwachstums. Auf der geldpolitischen Seite reduzieren die Zentralbanken die nach wie vor unterstützende Ausrichtung. Durch das kräftige Wachstum in den USA kann die US-amerikanische Zentralbank den Leitzinssatz schneller anheben als andere Zentralbanken. Im Unterschied dazu wurden in China zahlreiche Lockerungsschritte gesetzt. Jene Zentralbanken von Schwellenländern, die unter einem Vertrauensverlust leiden, sind unter Druck die Leitzinsen anzuheben. Auf der politischen Seite dominieren die protektionistischen Maßnahmen der USA das Geschehen. Auch wenn es Anzeichen für eine Beruhigung des Konfliktes mit einigen Ländern gibt (Eurozone, Mexiko), haben sich die Befürchtungen hinsichtlich einer Eskalation mit China verdichtet.

Szenario 1: Abschwung

Im Szenario eins findet eine Normalisierung statt. Das reale globale BIP-Wachstum schwächt sich moderat in Richtung Potenzialwachstum ab. Gleichzeitig nimmt die nach wie vor niedrige Inflation in den entwickelten Volkswirtschaften langsam zu. Historisch abgesichert ist die Inflation ein hinterher hinkender Indikator. Hervorzuheben ist, dass die US-Inflation über das Zentralbankziel von 2 Prozent ansteigt. Generell haben die Zentralbanken Zeit, die expansive Haltung zu reduzieren: sprich: die Leitzinsen werden nur langsam angehoben. Mit einer wichtigen Ausnahme: Die US-Fed hebt die Leitzinsen auf ein mild restriktives Niveau (knapp über 3 Prozent) an. In China schafft es die Wirtschaftspolitik, den Abschwächungstendenzen ausreichend entgegenzusteuern. Auf der Ebene der Handelspolitik finden die USA und China einen Kompromiss. Die letzten beiden Entwicklungen würden ausreichen, um den Vertrauensverlust für Emerging Markets einzufangen. Generell bleiben Aktien in den entwickelten Volkswirtschaften attraktiv, auch wenn das Gewinnwachstum fällt. Als die einzig „billige“ Wertpapierklasse weisen Emerging Markets Aktien und Lokwalwährungsanleihen die höchsten Erträge auf.

Szenario 2: Asynchronität

Im Szenario zwei wird die Weltwirtschaft immer asynchroner. An einem Ende des Spektrums geht die US-Wirtschaft von der Phase „Boom“ in die Phase „Überhitzung“ über. Der „Rest“ der entwickelten Volkswirtschaften bleibt im Regime „niedrige Inflation“. Am anderen Ende schwächt sich das Wirtschaftswachstum in China zusehends ab. In den USA findet mit Zeitverzögerung ein markanter Anstieg der Inflation statt. Das zwingt die US-amerikanische Zentralbank die Leitzinsen deutlich anzuheben. In China kann die Wirtschaftspolitik die Abschwächung des Wachstums nur lindern.

Ähnlich wie in diesem Jahr bleiben US-Cash und anfänglich US-Aktien (so lange die realen Zinsen niedrig bleiben) attraktiv. Die Ausweitung der Renditeaufschläge für das Kreditrisiko geht tendenziell weiter. Der Kursverlust der Emerging Markets setzt sich fort.

Szenario 3: Fehler der Politik

Das Szenario drei kann mit „Fehler der Politik“ beschrieben werden. Es kommt zu einer Eskalation des Handelskonflikts der USA mit dem „Rest“ der Welt, insbesondere mit China. Die Fed hebt die Leitzinsen kräftig an. Die chinesische Währung schwächt sich stark ab. Auf einen Vertrauensverlust der Investoren (Italien, Emerging Markets, erhöhte Aktienbewertung, erhöhte Unternehmensverschuldung) wird nicht adäquat reagiert. Staatsanleihen mit einer hohen Kreditwürdigkeit werden immer attraktiver.

Frei nach Murphys Gesetz wird in diesem Szenario zwar nicht alles schiefgehen, was schiefgehen kann. Es würde aber schon eine Eskalation in nur einem Bereich ausreichen, um risikobehaftete Wertpapierklassen unter Druck zu bringen. Kreditrisikolose Staatsanleihen in Ländern mit niedrigen Inflationsrisiken würden Kursanstiege verzeichnen.

Schlussfolgerungen

Die hier vorgestellten Szenarien sind nur ein Entwurf. Zahlreiche Wirkungszusammenhänge wurden nicht betrachtet. Dennoch können einige Schlussfolgerungen abgeleitet werden:

  1. Die wirtschaftliche Boom-Phase nähert sich auf globaler Ebene dem Ende.
  2. Die Inflation als hinterher hinkender Indikator steigt dennoch (wenn auch nur langsam) an.
  3. Die Liquidität nimmt sukzessive ab.
  4. Mit der Ausnahme von Emerging Markets Assets sind viele Bewertungsindikatoren überdurchschnittlich.
  5. Die Einflüsse der Politik erzeugen „Gegenwind“.
  6. In einem günstigen aber realistischen Szenario (milder Abschwung) bleiben risikobehaftete Wertpapierklassen dennoch attraktiv.

Wichtige rechtliche Hinweise:

Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog der Erste Asset Management.

Mehr Informationen zur Produktpalette der Erste Asset Management finden Sie unter www.erste-am.at.