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Vanguard-Experten verdoppeln Wachstumsprognose für die USA

Markets and NewsVanguard-Experten verdoppeln Wachstumsprognose für die USA

Nach der Achterbahnfahrt an den Anleihe-Märkten aufgrund der Zollstreitigkeiten klärt sich die Aussicht weiter auf. An den US-Märkten ist die Erholung bislang allerdings vorbeigegangen. Dies lässt den Schluss zu, dass die Aberkennung des AAA-Ratings durch Moody’s die Tragfähigkeit der US-Staatsverschuldung in den kommenden Monaten verstärkt in den Fokus rückt. Warum er und sein Team ihre Wachstumsprognosen für die USA und den Euroraum dennoch deutlich nach oben korrigiert haben, erläutert Shaan Raithatha, Senior Economist bei Vanguard Europe in seinem aktuellen Marktausblick.

Das Ringen um US-Zölle hat in den vergangenen Wochen an den Märkten eine wilde Achterbahnfahrt ausgelöst. Inzwischen präsentieren sich die Konjunkturaussichten weniger düster. Der deutliche Volatilitätsausschlag lenkte die Aufmerksamkeit der Investoren verstärkt auf US-Staatsanleihen und das wachsende amerikanische Haushaltsdefizit. Gleichzeitig wirken sich Zoll-Aufschübe und neue Handelsabkommen positiv auf die wirtschaftlichen Prognosen aus – insbesondere mit Blick auf das globale Wachstumsklima.

Steigende Volatilität bringt US-Schulden ins Rampenlicht

In den ersten Monaten des Jahres kam es in der Wirtschaft und an den Märkten zu erheblichen Turbulenzen, besonders an den US-Aktien- und Anleihemärkten stieg die Volatilität deutlich. Eine Kette unwahrscheinlicher Ereignisse hat ein dramatisches Auf und Ab ausgelöst: Auf einen sprunghaften Anstieg der Volatilität und eine massive Verkaufswelle folgte eine relativ schnelle Rückkehr zur Normalität.

Nach den US-Zollankündigungen vom 2. April stieg die Volatilität deutlich an. Vor allem drei Risiken sorgten für Verunsicherung: die Aussicht auf eine mögliche Stagflation, die Gefahr einer massiven Disruption des Welthandels und die Annahme, dass die US-Regierung kurzfristige Konjunktur- und Kurseinbrüche zu tolerieren bereit ist. Der S&P 500 Index, der die 500 größten US-Aktien enthält, gab deutlich nach (siehe Abbildung 1) und insbesondere die teuer bewerteten „Glorreichen 7“ sowie zyklische Sektoren gerieten unter Druck. Defensive Sektoren wie Basiskonsumgüter, Versorger und das Gesundheitswesen hielten sich vergleichsweise gut.

Spiegelbilder: Aktienkurse vs. kurzfristig erwartete Marktvolatilität

Am Markt für Unternehmensanleihen war die Entwicklung ähnlich, allerdings fiel die Ausweitung der Kreditrisikoaufschläge moderater aus. Auch hier waren vor allem zyklische Werte und Anleihen mit geringerer Bonität betroffen, während sich Unternehmensanleihen mit höherem Rating insgesamt besser entwickelten. Das am 9. April von der US-Regierung angekündigte 90-tägige Moratorium für die meisten Zölle läutete eine dramatische Wende ein: Die unmittelbaren Gefahren schienen abgewendet und die Märkte erholten sich deutlich. Das unerwartet hohe Gewinnwachstum von IT-Unternehmen und Kommunikationsdienstleistern sowie die überraschende Deeskalation im Handelskrieg zwischen den USA und China am 12. Mai verlängerten die Erholung bis weit in den Mai. An den Aktienmärkten konnten insbesondere Growth- und High-Beta-Aktien zulegen, an den Anleihemärkten fielen die Kreditrisikoaufschläge zurück auf die Tiefstände von Ende März.

US-Haushalt rückt in den Fokus

Welche Schlüsse können wir aus den Entwicklungen der letzten Wochen ziehen? Zwei Dinge fallen auf: Zum einen hat sich an den Bewertungen von Risikoaktiva nicht wirklich viel verändert, an den Aktien- und Unternehmensanleihemärkten zeigen sich zwei Seiten der gleichen Medaille. Insbesondere US-Aktien sind aufgrund des robusten Gewinnwachstums und steigender Margen großer Unternehmen weiterhin teuer bewertet; das Verhältnis von Kurs zu erwartetem Gewinn der nächsten 12 Monate ist mit 21 historisch hoch. Unternehmensanleihen werfen aufgrund der hohen, risikofreien Zinssätze dagegen attraktive Renditen ab. Die robusten Fundamentaldaten stützen die historisch niedrigen Kreditrisikoaufschläge. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen soliden Fundamentaldaten und den hohen Bewertungen bleibt somit bestehen.

Zum anderen fällt auf, dass die Erholung an zwei Märkten vorbeigegangen ist: Die Zinskurve von US-Staatsanleihen ist höher und steiler als vor dem 2. April und der Dollar ist nach wie vor schwächer. Jetzt, wo sich die Entwicklung in der Zollpolitik besser abschätzen lässt, verlagert sich die Aufmerksamkeit der Märkte auf die Haushaltslage in den USA und die Frage, wie tragbar das Defizit ist. Als letzte der drei großen Ratingagenturen hat Moody‘s dem Land am 16. Mai sein AAA-Rating entzogen, was die Märkte mit einem Anstieg der Effektivzinsen auf 30-jährigen Staatsanleihen über die psychologisch wichtige Fünf-Prozent-Marke quittierten. In den kommenden Monaten dürfte daher neben den Auswirkungen der Zölle auf die US-Wirtschaft auch die Haushaltslage des Landes im Fokus der Märkte stehen.

USA und Euro-Raum: Wachstumsprognose nach oben korrigiert

Wegen der positiven Entwicklungen in den Handelsbeziehungen mit China haben wir unsere Prognosen angepasst und gehen jetzt von einem effektiven US-Zollsatz von knapp über zehn Prozent zum Jahresende aus. Damit wären die Zölle höher als im vergangenen Jahr, lägen jedoch mit rund 20 Prozent deutlich unter unserer Schätzung unmittelbar nach der Zollankündigung vom 2. April. Unsere Wachstumsprognose für das laufende Jahr haben wir um das Doppelte auf rund 1,5 Prozent angehoben. Auch die Inflation dürfte steigen, wenn auch nicht in dem Maße, wie wir es vor dem Zollmoratorium erwartet hatten. Der US-Notenbank (Fed) dürfte es jetzt leichter fallen, ihrem Doppelmandat – Preisstabilität und nachhaltige Beschäftigung – gerecht zu werden. Bis zum Jahresende rechnen wir weiterhin mit zwei Zinssenkungen um je 25 Basispunkte.

Für die Wachstumsaussichten der Eurozone waren die jüngsten Entwicklungen günstig. Der „Waffenstillstand“ zwischen den USA und China wirkt sich positiv auf die Weltwirtschaft und die Finanzkonditionen aus. Außerdem machen die Vereinbarungen, die die USA mit China und Großbritannien getroffen haben, ein ähnliches Abkommen mit dem Euroraum wahrscheinlicher. Wir haben daher unsere diesjährige Wachstumsprognose für die Region auf knapp über 1,0 Prozent angehoben. Wir gehen weiterhin davon aus, dass der Zinssatz für die Einlagefazilität der Europäischen Zentralbank von derzeit 2,25 auf 1,75 Prozent sinken wird.

Bild © Vanguard