„An der Börse gibt es sehr viele Saisonalitäten“, hat Seasonax-Capital-Gründer Dimitri Speck herausgefunden. Gemeinsam mit seiner Mitgründerin Tea Muratovic hat er es sich zur Aufgabe gemacht, solche Saisonalitäten aufzudecken und zu nutzen. Hedgework hat sie nach ihrer Strategie befragt.
HEDGEWORK: Seasonax Capital möchte sich die Saisonalitäten an den Finanzmärkten zunutze machen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Dimitri Speck: Wir nutzen empirisch überprüfbare Zusammenhänge, um nachhaltig Outperformance zu generieren. Dadurch werden subjektive Einschätzungen und emotionale Faktoren minimiert. Dabei sind wir früh auf Saisonalität gestoßen, aber auch auf Trendfolge. Beides gehört, wie auch akademische Studien zeigen, zu den besten Investmentstrategien.
HEDGEWORK: Die bekanntesten Saisonalitäten sind wohl das Sell-in-May und die Jahresendrally. Aber das reicht sicherlich nicht für eine Anlagestrategie. Welche weiteren Saisonalitäten haben Sie identifiziert?
Tea Muratovic: Das Konzept der Saisonalität ist nichts Neues – im Gegenteil. Im Rohstoffhandel werden Saisonalitäten schon lange berücksichtigt. Nehmen Sie Heizöl. Naturgemäß ist Heizöl im Sommer bei warmen Temperaturen billiger, weil die Nachfrage geringer ist. Aber den wenigsten Anlegern ist bekannt, dass auch Einzelaktien saisonale Verläufe aufweisen. Wir waren selbst überrascht, als wir feststellten, dass viele einzelne Aktien oft stabile saisonale Muster aufweisen, die abweichend vom saisonalen Trend des Gesamtmarktes verlaufen. Das ermöglicht Investoren zu jeder Zeit des Jahres – also auch in eigentlich saisonal schwachen Phasen –, aussichtsreiche Titel zu selektieren. Außerdem haben Investoren bei Aktien eine viel größere Auswahl und können somit sinnvoll diversifizieren. Sie sind also nicht auf ein einzelnes, relativ selten auftretendes Muster wie „Sell in May“ angewiesen.
HEDGEWORK: Wie lässt sich logisch erklären, dass es solche Saisonalitäten gibt?
Muratovic: Die unternehmensspezifischen Gründe, weshalb einzelne Aktien zu bestimmten Zeiten im Jahr besonders stark steigen, sind sehr vielfältig. Sie reichen von Messen, denen Kaufaufträge folgen, über Zulieferer, die sich zeitversetzt über Aufträge freuen, hin zu Fest- und Feiertagen, in deren Vorfeld produziert werden muss. Es kann aber auch sein, dass eine mittelständische Brauerei immer wieder nach dem Sommer überraschend gute Quartalszahlen aufweist, weil die Anleger der Trinkfreude bei hohen Temperaturen zu wenig Beachtung schenken. Der Vielfalt an Gründen sind keine Grenzen gesetzt. Wir haben immer wieder Investoren angetroffen, denen einzelne saisonale Trends bei Aktien, die sie intensiv über Jahre verfolgen, aufgefallen sind. Daher suchen wir systematisch nach saisonal outperformenden Aktien.
HEDGEWORK: Können Sie Beispiele geben, wie Sie die identifizierten Saisonalitäten nutzen können?
Muratovic: Der Sportartikelhersteller Adidas beispielsweise weist einen starken saisonalen Effekt auf. Hätte man in den vergangenen 15 Jahren die Adidas-Aktie jeweils am 12. März gekauft und am 27. April wieder verkauft, hätte man fast jedes Jahr einen hohen Gewinn genau in dieser Periode erzielt. Der einzige Ausreißer war das Jahr 2014, wie man im Chart sehen kann. Da fragt man sich doch, warum man eine Aktie ein ganzes Jahr halten sollte, wenn nur eine bestimmte Periode das Gros der Performance bringt?
HEDGEWORK: Und das Jahr für Jahr?
Muratovic: Natürlich beruhen solche Beobachtungen auf Vergangenheitswerten und solche saisonalen Muster geschehen nicht jedes Jahr. Aber es ist erstaunlich, wie oft sie vorkommen. Wir nutzen diese Marktanomalien aus und bilden auf dieser Basis unser Portfolio.
Grafik 1: Interaktiver saisonaler Chart der Adidas Aktie: www.seasonax.com
HEDGEWORK: Sie sagen, Sie suchen systematisch nach unentdeckten Saisonalitäten – wie geht das vor sich?
Speck: Wir haben verschiedene Algorithmen zur Saisonalität entwickelt. Viele dieser Softwarelösungen bieten wir mittlerweile im Internet unter www.seasonax.com, aber auch in Bloomberg und Thomson Reuters Eikon – als einer der wenigen Softwareanbieter überhaupt, denn das meiste setzen diese Dienstleister bekanntlich selbst um. Am Anfang steht jedoch das Screening nach unbekannten aussichtsreichen Mustern.
HEDGEWORK: Gibt es einen Erfolgsnachweis für Ihre Anlagestrategie?
Speck: Wir haben viele Jahre selbst nicht gewusst, ob die Saisonalität von Einzelaktien für Investoren nutzbar ist – bis wir einen recht aufwendigen Walk-Forward-Prozess programmiert haben. Vereinfacht gesprochen haben wir für den simulierten Handel von S&P 500 Aktien im Jahre 2000 die Saisonalität der Jahre 1985 bis 1999 herangezogen, für den des Jahres 2001 die der Jahre 1986 bis 2000 usw. Dieser Handelsansatz wurde dann mit unveränderten Parametern out-of-sample auf zehn andere Universen von asiatischen Aktien über kanadische Minenwerte bis hin zu US-Aktien ab 1950 appliziert. Dabei zeigte sich immer eine ordentlichen Outperformance. Seitdem weiß ich, dass Saisonalität auf Einzelaktien funktioniert.
HEDGEWORK: Sie haben auch einen Fonds aufgelegt, der Ihrer Strategie folgt. Wie groß ist der Inzwischen und welche Performance kann er aufweisen?
Muratovic: Der Seasonax Global Selection ist ein diversifizierter Aktienfonds mit Fokus auf Large und Mid Caps in Europa und den USA mit aktivem Investmentansatz. Das Ziel ist, mit innovativen Handelslogiken, die auf saisonalen und zyklischen Mustern basieren, attraktive Erträge zu generieren. Im Fonds halten wir stets rund 20 Aktien. Unsere Strategie beruht dabei darauf, dass wir die einzelnen Aktien nicht ganzjährig im Depot halten. Wie schon erwähnt hat Adidas eine starke saisonale Periode von März bis Ende April. Danach gehen wir raus und nehmen andere Aktien mit positiven saisonalen Trends ins Portfolio. Unsere durchschnittliche Haltedauer beträgt 1,5 Monate.
Grafik 2: Die Jahresperformance ausgewählter Indizes im Vergleich zum Seasonax Global Selection Fund (WKN: A2PF04).
HEDGEWORK: Gibt es weitere Auswahlkriterien bei Ihren Investitionsentscheidungen – oder ist das allein die Saisonalität?
Muratovic: Wichtig für den Erfolg der Strategie ist – neben einer ausreichenden Anzahl saisonal profitabler Aktien – das Loslösen von Emotionen bei den Investitionsentscheidungen. Jede Aktienauswahl wird nochmals manuell überprüft anhand verschiedener Parameter. Dazu zählen:
- Eine Historie von mindestens 10 Jahren muss vorhanden sein
- Das durchschnittliche Handelsvolumen der letzten 30 Tagen wird als Liquiditätskriterium berücksichtigt
- Ausreißer werden entfernt – sofern es sich um Einmaleffekte gehandelt hat, wie etwa bei Infineon im Jahr 2009
- Eine ausreichende Aktiendiversifizierung hinsichtlich Sektoren wird berücksichtigt.
HEDGEWORK: Wie Sie schon sagten, weist der Fonds eine hohe Umschlagshäufigkeit auf. Wie schaffen Sie es dabei, die Transaktionskosten im Griff zu behalten?
Speck: Im Schnitt schichten wir das Portfolio neun Mal jährlich um. Unsere Strategie beruht schließlich darauf, dass wir einzelnen Aktien nur in ihren besten saisonalen Phasen im Depot halten. Um dennoch die Transaktionskosten überschaubar zu halten, haben wir angemessene Konditionen ausgehandelt, vermeiden bestmöglich jeden Market-Impact und handeln zu den besten Tageszeiten – wir optimieren also auch hier gewissermaßen die Orders auf Basis von Intraday-Saisonalitäten.
Tea Muratovic
ist seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bereichen des Kapitalmarkts tätig und verfügt über einen umfangreichen Hintergrund im internationalen Marktumfeld. Als Mitbegründerin von Seasonax Capital erhielt sie 2019 den österreichischen Frauen-Investorenpreis. Sie setzt sich als Mentorin junger Menschen ein und steht für Vielfalt im Bankwesen.
Dimitri Speck
hat sich auf Mustererkennung beziehungsweise die Saisonalität bei Charts und auf die Entwicklung von Handelssystemen für institutionelle Anleger spezialisiert und wurde für seine Arbeit bereits vielfach ausgezeichnet. Er hat verschiedene Fachartikel und Fach-bücher zum Thema publiziert.
Seasonax Capital
wurde nach Jahren der Forschung zum Thema saisonale Investments im Jahr 2018 von Dimitri Speck, Tea Muratovic und Christoph Zenk gegründet. Schwerpunkt des Hauses ist die Identifikation bisher kaum genutzter Marktanomalien und deren möglichst robuste Umsetzung in Anlagestrategien. Für ihre Fondsinnovationen wurde die Investment-fonds-Boutique bereits mehrmals ausgezeichnet.