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Ausblick zweites Halbjahr

OpinionsAusblick zweites Halbjahr

Das erste Halbjahr 2021 verlief wie nach Drehbuch für den Film „Die Weltwirtschaft lässt die Covid-Krise hinter sich“. Aktien, und hier vor allem die zyklischen Vertreter, konnten zulegen, die gesamte Renditekurve hat sich nach oben verschoben und versteilert, erklärt Raiffeisen Capital Management in der neusten Ausgabe von märkte | unter uns. Diverse Rohstoffe zeigten spürbare Preisanstiege. Getrieben war diese Marktentwicklung von besseren Konjunkturdaten inklusive sinkender Arbeitslosigkeit, höherer Inflation und einer starken Erholung der Unternehmensgewinne. Gerade in den letzten Wochen hat sich die Diskussion über Inflation und mögliche Auswirkungen auf die Geldpolitik verstärkt. Die Aussagen der Fed in Richtung früherer Zinsanhebungen haben dann auch kurzfristig für Verunsicherung gesorgt, bevor die Notenbanker wieder zurückgerudert sind.

Im zweiten Halbjahr 2021 werden uns wohl einerseits diese Themenschwerpunkte, andererseits aber auch die Marktentwicklungen erhalten bleiben. Die Konjunkturerholung wird voranschreiten, das zeigen die Vorlaufindikatoren. Die eine oder andere Inflations- und Infektionszahl wird zu hochgezogenen Brauen der Anleger, aber nicht zu nachhaltigen Aktienkorrekturen führen. Und die Unternehmen werden auf ihrem Erholungspfad weitergehen. Klarerweise wurden die guten Nachrichten zum Teil schon durch die erwähnte positive Performance vorweggenommen. Konjunktur- und Marktzyklus sind jedoch noch relativ jung, Potenzial ist weiterhin vorhanden. Mit diesem Ausblick wird die Aktienquote zulasten der Anleihen weiter angehoben. Auch den Rohstoffen wird weiterhin Preisfantasie zugebilligt.

Aktienmärkte nehmen wieder Fahrt auf

Auf Euro-Basis konnten im Juni die meisten Aktienmärkte (und alle hier gezeigten Indizes) eine positive Performance verbuchen. Besonders auffällig: Osteuropa und Russland, wo sich die Aufholjagd vom Mai auch im Juni fortsetzte. Damit zählen diese Märkte seit Jahresbeginn – auf Euro Basis – inzwischen zu den Top-Performern! Wobei eine starke Ausrichtung auf zyklische Branchen, die vom Konjunkturaufschwung besonders profitieren, heuer bis dato generell kein Nachteil war: Man sieht das am EURO STOXX 50 (großer Finanzsektor) in Osteuropa und Russland (Finanz, Rohstoffe, Energie) und in Perfektion am ATX, der sich auf genau diese Branchen (plus Industrie) konzentriert. Wenig überraschend ist der ATX damit seit Jahresbeginn der Top-Performer (nachdem er letztes Jahr in der Rezession einer der schwächsten Indizes war). Am unteren Ende der Performance-Skala liegen weiterhin die asiatischen Märkte, sowohl Japan als auch China. Wobei sich China hier in guter Gesellschaft befindet: Die Emerging Markets generell hinken heuer in der Performance Europa (insbesondere Zentral- und Osteuropa) hinterher. Einzig Lateinamerika konnte im Juni – nicht zuletzt aufgrund der starken Aufwertung in Brasilien – deutlich aufholen.

Globale Konjunktur: Wachstumsboom auch noch 2022?

Mit dem Ende der letzten Lockdowns im Dienstleistungssektor zeichnet sich inzwischen auch für diesen Wirtschaftsbereich ein Wachstumsboom ab. Das indizieren die Vorlaufindikatoren, und das spiegelt sich auch in den Wachstumsschätzungen für 2021 wider: Für die USA erwartet die Notenbank heuer ein reales BIP-Wachstum von 6,5 % p.a. Damit wäre die US-Wirtschaft im zweiten Halbjahr bereits wieder größer als unmittelbar vor Corona.

In der Eurozone dürfte dieser Punkt erst im ersten Halbjahr 2022 erreicht sein. Aber trotzdem wäre die EZB-Prognose von 4,6 % für 2021 das stärkste Wachstum seit Jahrzehnten. Noch erfreulicher: Beide Notenbanken rechnen auch für 2022 noch mit einer boomenden Konjunktur. Dann sind die Einmaleffekte der wirtschaftlichen Öffnungen (höherer Output im Vergleich zum Krisenjahr 2020) zwar bereits Geschichte; angesichts der aufgestauten Nachfrage bei Konsum und Investitionen und der sich deutlich verbessernden Arbeitsmarktsituation erscheint die EZB-Prognose von 4,7 % für 2022 aber durchaus realistisch.

Aktien: Bullenmärkte dauern länger als ein Jahr

Wie fast immer nach Rezessionen brachten auch diesmal die ersten zwölf Monate nach dem Rezessionstief (März/April 2020) die spektakulärste Aktienmarktperformance. Dieses Tempo der Aktienmarkterholung lässt sich natürlich nicht dauerhaft halten. Zudem bekommt der Markt wahrscheinlich Gegenwind durch steigende Leitzinserwartungen in den USA und eine Reduktion der üppigen Liquiditätszufuhr. Das sind allerdings normale Phasen in der Entwicklung eines Bullenmarktes, der damit üblicherweise noch lange nicht zu Ende ist. Erst wenn die Notenbank den Leitzins immer höher schraubt, um die Konjunktur einzubremsen, wird es mit jedem Jahr gefährlicher für den – bis dahin schon alten – Bullenmarkt. Insofern empfehlen wir weiterhin eine deutliche Aktien-Übergewichtung. Denn aktuell ist der Bullenmarkt gerade ein Jahr alt und kein neuerlicher Konjunktureinbruch oder (zu) hohe Leitzinsen in Sicht. Zinserwartungen und Anleiherenditen dürften zwar (weiter) nach oben klettern, was ein klassischer Auslöser für eine kleinere Korrektur sein könnte. Das große Bild bleibt aber bullisch. Und es gibt Sektoren, die sogar von steigenden Anleiherenditen profitieren: Der Bankensektor etwa als schönes Beispiel für den zyklischen Sektor, den wir derzeit favorisieren.

Emerging Markets: Unternehmensgewinne holen auf

Auch in den Emerging Markets (EM) ist die Aktienmarktperformance seit Jahresbeginn mit rund 11 % (auf Euro-Basis) durchaus zufriedenstellend. Dennoch fällt auf, dass diese Ländergruppe damit etwas hinter der Performance von Europa zurückbleibt. Die Gründe dafür dürften auch die weitere Entwicklung prägen: Einerseits sind die meisten EM-Indizes stark von China, Taiwan und Südkorea, und dort von einigen großen Tech-Unternehmen beeinflusst. In einer Phase, in der zyklische Branchen im globalen Konjunkturboom outperformen, kein Beinbruch, aber auch nicht optimal. Außerdem sind viele EM außerhalb Ostasiens noch stark von Corona (und den Gegenmaßnahmen) betroffen – dort hinkt man den Industriestaaten im Überwinden der Krise hinterher. Die gute Nachricht: Auch dort macht man große Fortschritte und inzwischen sind die Unternehmensgewinne in allen drei EM-Sub-Regionen stark im Aufwind. Das sollte in weiterer Folge auch die Aktienmarktperformance in diesen Ländern beflügeln. Wir empfehlen aktienseitig eine Übergewichtung von Emerging Markets.