Thursday 28-Mar-2024
4 C
Frankfurt am Main

„Corporate Sustainability Reporting Directive – Noch mehr Reportingpflichten oder echter Mehrwert?“

Sustainability and Impact„Corporate Sustainability Reporting Directive – Noch mehr Reportingpflichten oder echter Mehrwert?“

Im Dezember steht die Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (kurz: CSRD) in deutsches Recht an. Swantje Columbu und Marcus Columbu, Rechtsanwälte bei act AC Tischendorf, gaben beim 198. Hedgework einen Ausblick auf die zu implementierenden Berichtsstandards, deren Nutzen sowie die fälligen Strafen bei Verletzung der Berichtspflichten.

Hedgework: Zunächst, was ist unter CSRD zu verstehen?

Marcus Columbu: CSRD steht für „Corporate Sustainability Reporting Directive” bzw. „Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen“. CSRD erweitert nun die Berichtspflichten fast aller Unternehmen in der EU bezüglich ihrer Nachhaltigkeitsstrategien und deren Umsetzung und stellt sie damit quasi auf eine Ebene mit der Finanzberichterstattung. Die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten wird nicht mehr freiwillig sein und deren Inhalte werden durch die strengen Vorgaben der noch in Konsultation befindlichen ESRS, also den „European Sustainability Reporting Standards“ („Europäische Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung“) transparenter und vergleichbar. Die ESRS definieren dabei die Themen Klimaschutz (Mitigation), Anpassung an den Klimawandel (Adaption), Wasser und Meeresressourcen, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung sowie biologische Vielfalt und Ökosysteme als wesentlich. Mit anderen Worten: über die Auswirkung des Geschäfts des berichtspflichtigen Unternehmens auf diese wesentlichen Themen ist künftig einzugehen und ein Bericht abzugeben.

Hedgework: Wer ist in erster Linie betroffen, wer wiederum mittelbar? Was kommt da auf die Finanzbranche zu?

Swantje Columbu: Die CSRD und die ESRS betreffen grundsätzlich alle Unternehmen in der EU. Ausgenommen von deren Anwendungsbereich sind nur kapitalmarktorientierte Kleinstunternehmen, die am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei folgenden Merkmale nicht überschreiten: maximal 10 Beschäftigte, Bilanzsumme bis 350.000 Euro und Nettoumsatzerlöse bis 700.000 Euro sowie nicht kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen, die am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei folgenden Merkmale nicht überschreiten: Bilanzsumme bis 20 Millionen Euro, Nettoumsatzerlöse bis 40 Millionen Euro und maximal 250 Beschäftigte. Für diese Unternehmen ist die Berichtspflicht freiwillig. Jedoch werden diese Unternehmen mit großer Sicherheit mittelbar betroffen sein, beispielsweise als Lieferanten großer Unternehmen, die Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen und daher bei ihren Lieferanten beziehungsweise Dienstleistern abfragen müssen. Die Finanzbranche ist davon nicht ausgenommen und muss sich deshalb in gleichem Maße mit den neuen Anforderungen beschäftigen. Die Umsetzung erfolgt unternehmensindividuell, jedoch innerhalb des CSRD-Rahmens.

Hedgework: Also eine zusätzliche Belastung?

Swantje Columbu: Die Finanzbranche kann jedoch auch als Profiteur der neuen Richtlinie betrachtet werden. Denn Nachhaltigkeitsaspekte innerhalb der Berichtspflicht werden standardisiert und tragen somit zur Transparenz und Vergleichbarkeit von Unternehmensbewertungen und Ratings bei. Damit wird den Forderungen aus der Finanzbranche Rechnung getragen, Nachhaltigkeitsinformationen in standardisierter und vergleichbarer Form zu erhalten, um diese beispielsweise in nachhaltige Finanzprodukte einfließen zu lassen und bei deren Zusammensetzung berücksichtigen zu können.

Hedgework: Über welchen Zeitrahmen reden wir?

Marcus Columbu: Für berichtspflichtige, kapitalmarktorientierte Unternehmen gilt die CSRD-Berichterstattungspflicht erstmals ab dem Jahr 2025 für Berichte zum Geschäftsjahr 2024. Alle anderen großen Unternehmen betrifft die CSRD ein Jahr später, also ab dem Jahr 2026 für das Geschäftsjahr 2025. Kapitalmarktorientierte Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) sind ab dem Jahr 2027 für Berichte für das Geschäftsjahr 2026 von CSRD betroffen. Zusätzlich haben kapitalmarktorientierte KMU eine Opt-out-Möglichkeit, das heißt, sie haben die Möglichkeit, die Berichtspflicht erstmalig im Geschäftsjahr 2028 für das Geschäftsjahr 2027 anzuwenden.

Hedgework: Können Sie kurz die Abgrenzung von CSRD zu NFRD beschreiben?

Swantje Columbu: CSRD ist eine Erweiterung der NFRD („Non Financial Reporting Directive“). Der ursprüngliche Gedanke der NFRD beinhaltete Unternehmen des öffentlichen Interesses, also börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungsgesellschaften und diente weitestgehend dem Schutz von Anlegern. Die Anzahl der durch CSRD betroffenen Unternehmen innerhalb der EU wird sich von ca. 11.600 (NFRD) auf ca. 49.000 (CSRD) mehr als vervierfachen und geht somit über den reinen Anlegerschutz hinaus. Die wesentlichen Unterschiede zwischen NFRD und CSRD ist die verpflichtende Offenlegungspflicht von Nachhaltigkeitsbelangen in verbindlicher, strukturierter Form, verbunden mit der Prüfung durch unabhängige und akkreditierte Dritte sowie einer Veröffentlichung auch in maschinenlesbarer Form – als elektronisches Tagging.

Hedgework: In welchem Zusammenhang steht CSRD wiederum zum Paris-Abkommen?

Swantje Columbu: 2014 vereinbarten die EU-Mitgliedstaaten klimaneutrales nachhaltiges Wirtschaften und der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C bis zum Jahr 2050. CSRD ist der konsequente Umsetzungsschritt der Europäischen Union und folgt damit der Ratifizierung des Pariser Abkommens aller EU-Mitgliedstaaten. CSRD kann sozusagen als Aktionsplan für Unternehmen betrachtet werden.

Hedgework: Worüber ist im Detail zu berichten und in welchem Umfang?

Swantje Columbu: Die Berichtspflichten sind umfassend und beinhalten Aspekte der Geschäftsstrategie, des Geschäftsmodells dem Geschäftsverlauf, dem Unternehmensergebnis und der Lage des berichtspflichtigen Unternehmens beziehungsweise dessen Unternehmensgruppe in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte. Insbesondere ist dabei Bezug zu nehmen auf Risiko- und Chancenmanagement, Stakeholdermanagement, Governance aller Unternehmensorgane – jeweils unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten.

Marcus Columbu: Größere Aufmerksamkeit fordert die Fortschrittskontrolle der genannten Nachhaltigkeitsziele und der Bericht darüber, welche Rolle Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane haben und mit welchen Mitteln sie Nachhaltigkeitsziele erreichen wollen und schon erreicht haben. So wurde das Konzept der „doppelten Wesentlichkeit“ neu eingeführt, wonach berichtspflichtige Unternehmen nicht nur angeben müssen, wie Nachhaltigkeitsaspekte ihr Unternehmen beeinflussen, sondern auch wie sich ihr Unternehmen auf Mensch und Umwelt auswirkt und ferner, wie sie mit tatsächlichen und potenziellen nachteiligen Auswirkungen, den Principal Adverse Impacts im Zusammenhang mit deren Wertschöpfungskette, der eigenen Geschäftstätigkeit, Produkten und Dienstleistungen sowie Geschäftsbeziehungen und ihrer Lieferkette umgehen. Ein besonderer Fokus soll hierbei auf der Beschreibung von Maßnahmen zur Verhinderung, Minderung und Behebung nachteiliger Auswirkungen liegen.

Hedgework: Mit welchem Aufwand dürfte das verbunden sein?

Swantje Columbu: Die CSRD-Umsetzung ist eine Erweiterung der Berichtspflichten für Unternehmen und wird ohne Frage zusätzlichen Aufwand erfordern. Neben personellem Aufwand wird auch technischer Aufwand bezüglich des Berichtsformats und der Sammlung erforderlicher Informationen notwendig sein. Welche Kosten genau dies auslösen wird, ist unternehmensspezifisch und im Wesentlichen produktabhängig und abhängig von den Zielen des jeweiligen Unternehmens. Inwieweit Unternehmen CSRD nicht nur als Reportingpflicht betrachten, sondern vielleicht auch als Mehrwert und Chance für ihre Produkte und Mitarbeiter, wird ganz sicher auch den Umfang und die Kosten beeinflussen, die berichtspflichtige Unternehmen bereit sind, im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu investieren. Demgegenüber geht der Gesetzgeber davon aus, dass Unternehmen mittel- bis langfristig durch die vereinheitlichten Reportingpflichten bis zu 60.000 Euro jährlich einsparen. Ob dies realistisch ist, bleibt abzuwarten.

Hedgework: Welche Sanktionen sind vorgesehen, wenn Unternehmen der Berichtspflicht nicht nachkommen?

Marcus Columbu: Die Verletzung der Berichtspflichten kann unterschiedliche Sanktionen nach sich ziehen. Das beinhaltet öffentliche Erklärungen von Behörden, in denen die Verstöße der verantwortlichen Unternehmen – einschließlich deren Nennung – beschrieben werden; bis hin zu ebenso öffentlich abgegebenen Aufforderungen, diese Verstöße einzustellen und Wiederholungen zu vermeiden. Die Höhe von Bußgeldern ist noch nicht explizit vorgegeben, allerdings existieren Kriterien, die bei Festlegung der Höhe berücksichtigt werden sollen. Wir gehen davon aus, dass sich die Höhe der Bußgelder, an denen bei Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) oder das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern orientieren wird; das heißt voraussichtlich bis zu ca. 4% des Gruppenweltumsatzes des die Berichtspflichten verletzenden Unternehmens.

Hedgework: Können Sie auch den Nutzen beschreiben, der mit der Einführung von CSRD verbunden sein könnte?

Swantje Columbu: CSRD und ESRS definieren Berichtsstandards für Kennzahlen und Fakten, die Nachhaltigkeitsaspekte für Unternehmen, deren Stakeholder und sonstige Dritte greifbarer und transparenter machen. Ganz sicher wird sich die Ausgestaltung der Berichte in allen Details in den nächsten Jahren erst noch entwickeln müssen. Und es wird sich wohl erst zeigen müssen, wie formalistisch oder wie pragmatisch Berichtspflichten erfüllbar sein werden und welchen konkreten Aufwand und Nutzen dies für die berichtspflichtigen Unternehmen haben wird.

Hedgework: Welche Probleme könnten sich wiederum im internationalen Vergleich ergeben?

Marcus Columbu: Im globalen Vergleich existieren bereits heute unterschiedliche Berichts- und Veröffentlichungsstandards. CSRD ist ein weiteres Unterscheidungselement. Inwieweit sich CSRD als Vorteil oder Nachteil entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Das wird auch in gewissem Maße an den Unternehmen selbst liegen. Wenngleich CSRD einen zusätzlichen Aufwand bedeutet, sehen wir keine unmittelbaren Wettbewerbsnachteile für betroffene Unternehmen.

Hedgework: Welche Auswirkungen wird die CSRD Ihrer Einschätzung nach auf die Anlagepolitik von Fonds und institutionellen Investoren haben?

Marcus Columbu: Fonds und institutionelle Investoren werden CSRD sicherlich begrüßen, da es Transparenz und Vergleichbarkeit erhöht, in besonderem Maße für ESG-orientierte Asset Manager, Investoren und Anleger. Sicherlich wird CSRD nicht die alleinigen Entscheidungskriterium liefern können, aber möglicherweise werden CSRD-Berichte in bestimmten Phasen von Investitionsentscheidungen Relevanz haben. Wir wissen beispielsweise, dass Investoren, gerade aus dem mitteleuropäischen und angloamerikanischen Markt verstärkt Nachhaltigkeitskriterien als Maßstab für ihre Investitionen heranziehen. Unternehmen, die die CSRD proaktiv umsetzen, werden dadurch sicherlich einen Vorteil gegenüber solchen Unternehmen haben, die dies nicht tun.

Hedgework: Alles in allem – ist CSRD eine wichtige Weiterentwicklung, oder nur lästiger Verwaltungsaufwand?

Swantje Columbu: Grundsätzlich ist CSRD sicherlich zeitgemäß und relevant. Die Frage, ob es nur Verwaltungsaufwand ist oder Mehrwert, ist sicher in großem Maße davon abhängig, was die Unternehmen daraus machen, wie sie CSRD implementieren und dies in ihre Unternehmenskommunikation einbeziehen.

Swantje Columbu ist Rechtsanwältin bei act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und Mitglied der Praxisgruppe Banking, Regulatory, Capital Markets. Sie berät mittlere Finanzdienstleister sowie Privatbanken in den Bereichen Regulatory und Compliance sowie zu verschiedenen Haftungsfragen des Bankrechts. Daneben vertritt sie Finanzdienstleister und Banken bei der Abwehr von Schadensersatzklagen aufgrund vermeintlicher Falschberatung und Prospekthaftung.

Marcus Columbu ist Rechtanwalt und Partner sowie Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und leitet die Praxisgruppe Banking, Regulatory, Capital Markets. Er berät mittlere bis große Finanzdienstleister und Asset Manager sowie einige Banken in den Bereichen Regulatory und Compliance bei Projekten und ihrem regulatorischen Tagesgeschäft. Er ist daneben ausgelagerter Chief Compliance Officer mehrerer Asset Manager und Finanzdienstleister sowie ESG-Beauftragter und zudem als Aufsichtsrat tätig.

act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Als eine der ersten Ausgründungen aus einer Großkanzlei auf dem deutschen Markt im Jahr 2000 gilt die act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB als eine der Top-Wirtschaftskanzleien in Deutschland. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main, der Finanzmetropole Deutschlands und Drehscheibe für das internationale Geschäft. In Fachveröffentlichungen (Legal 500, JUVE, Best Lawyers etc.) wird act AC Tischendorf in den Kernbereichen M&A/Corporate-, Restrukturierung/Insolvenz und Arbeitsrecht unter den Top-Kanzleien aufgeführt. Mit ihrem Kanzleiverbund act legal verfügt die Kanzlei zudem über Büros in allen relevanten Wirtschaftsregionen Europas und steuert so auch grenzüberschreitende Projekte aus einer Hand.

Der Beitrag erschien bei Hedgework