Wednesday 24-Apr-2024
10.6 C
Frankfurt am Main

Die Pandemie ist vorbei – der Inflationsanstieg ist da

OpinionsDie Pandemie ist vorbei - der Inflationsanstieg ist da

Die Pandemie ist faktisch vorbei! Zumindest ist sie das aus der Sicht der allermeisten Finanzmarktteilnehmer. In den USA und Großbritannien ist die vielbeschworene Herdenimmunität nahezu erreicht, woran auch die derzeit bekannten Mutationen nichts ändern werden. Nicht einmal die teils apokalyptischen Bilder und Nachrichten aus Indien und neue Restriktionen in einigen asiatischen Staaten (in denen man die Pandemie längst als überwunden angesehen hatte), haben die Kurse auf den Finanzmärkten noch bewegen können. Nicht einmal in Indien selbst; dort notieren die Aktienindizes nur knapp unter ihren jüngst erreichten Allzeithochs. Stattdessen liegt der Fokus der Marktteilnehmer auf der post-Corona „Normalität“, und diese wird derzeit durch die Inflationsdebatte geprägt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dies daher auch unser vorläufig letztes „Corona-Update“ und wir hoffen natürlich, dass wir diese newsflash-Reihe auch nie wiederaufnehmen müssen.

Dass die Inflationsraten im Frühjahr und Sommer fast überall auf der Welt kräftig nach oben gehen würden, haben die Finanzmärkte seit langem erwartet und auch weitgehend eingepreist. Insofern überrascht es auch nicht sonderlich, dass etwa US-Staatsanleihen zuletzt kaum auf die deutlich anziehenden Teuerungsraten reagierten. Gleichwohl kann das Ausmaß der Inflationsanstiege in den kommenden Monaten schon noch zu Überraschungen und damit auch zu Marktreaktionen führen. Der „Elefant im Raum“ ist dabei zweifellos die Frage, ob die Inflationsanstiege von Dauer sein werden?

Der Inflationsanstieg ist da – aber wie stark und wie dauerhaft?

Sowohl die US-Notenbank (Fed) als auch die große Mehrheit der Marktteilnehmer und Analysten gehen weiterhin von einer vorübergehenden inflationären Entwicklung aus. Die US-Notenbank wird derweil nicht müde zu betonen, dass sie nur auf anhaltende, tatsächliche Inflationsanstiege reagieren wird. Anders als in der Vergangenheit ist sie nicht gewillt, bereits im Vorfeld tätig zu werden. Genau das könnte aber viele Marktteilnehmer in ein Dilemma bringen. Denn da die Fed bewusst „hinter der Kurve“ bleiben und erst im Nachhinein reagieren will, entsteht damit geradezu zwangsläufig das Risiko, dass sie zu spät auf den Plan tritt und zumindest zeitweise die Kontrolle über die Situation verliert. Die wenigsten der heutigen Marktakteure haben noch die letzte Phase miterlebt, in der die Fed dem Inflationstrend hinterherhechelte. Und diejenigen, die damals noch dabei waren, sehen sich heute natürlich einer ganz anderen globalisierten Weltwirtschaft gegenüber als in den 1970ern und 1980ern.

Was sind die zentralen Argumente dafür, dass der aktuelle Inflationsanstieg keine dauerhafte Dynamik entfalten wird? Zum einen ist das Entladen einer über viele Monate angestauten Nachfrage naturgemäß ein einmaliges und zeitlich begrenztes Phänomen. Auch die enormen Fiskalprogramme werden nicht permanent erneuert werden. China scheint bei den Rohstoffimporte zudem erst einmal den größten Hunger gestillt zu haben. Und sowohl die noch immer relativ hohen Arbeitslosenquoten als auch die reduzierte Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften sprechen derzeit nicht für eine inflationäre Lohn-Preis-Spirale. Zugleich dürfte der Preisüberwälzungsspielraum der Unternehmen speziell in den USA spürbar abnehmen, wenn sich die Nachfrage normalisiert und der Staat nicht länger Billionen von Dollar an Privathaushalte und Unternehmen ausreicht. Gegen diese Sichtweise spricht, dass langfristig disinflationäre Faktoren der letzten Jahrzehnte jetzt spürbar nachlassen. Auch könnte das Bedürfnis vieler Investoren, sich gegen Inflationsanstiege zu wappnen, genau diese Inflationstendenzen kräftig verstärken. Beispielsweise dadurch, dass Rohstoffe in großen Mengen als Hedge gekauft werden und dadurch deren Preise weiter steigen. Auch sollte man nicht übersehen, dass ein durchaus erheblicher innenpolitischer Druck auf Regierungen entstehen könnte, für untere Einkommensschichten die Preissteigerungen mit weiteren Sozialtransfers auszugleichen.

Selbst wenn sich am Ende der Inflationsdruck als temporär erweisen sollte, könnten die Märkte zwischenzeitlich dennoch das Szenario eines dauerhaften Inflationsdrucks spielen – und sei es, weil hinreichend viele Marktteilnehmer sich gegen ein solches Szenario zu wappnen versuchen. Spannende Monate scheinen also programmiert, wobei die Inflationssorgen in den USA derzeit (noch) ungleich akuter und stärker sind als in Europa.

Finanzmärkte in den letzten Wochen

Die Aktienmärkte setzten ihre Kursanstiege in den letzten vier Wochen zumeist fort, mit neuen Allzeithochs bei den großen Indizes in den USA. Sie gaben ihre Zuwächse aber in den letzten Tagen weitgehend wieder ab oder drehten teilweise sogar ins Minus gegenüber Mitte April. Als Grund werden vor allem die wachsenden Inflationsängste und zum Teil Zinsbefürchtungen genannt. Fakt ist jedoch, dass die Abwärtskorrektur von vielen als längst überfällig angesehen wurde, angesichts etlicher Überhitzungsanzeichen und teils überbordender Euphorie besonders bei vielen neu an die Börse drängenden Kleinanlegern in den USA. Der generelle Aufwärtstrend der Aktienmärkte steht aber sowohl in den USA als auch Europa noch immer auf recht gesunden fundamentalen Beinen (Gewinnentwicklung, Zinsumfeld, Konjunkturdynamik) und auch das markttechnische Bild ist unverändert positiv (Marktbreite, Liquidität).

Auf den Staatsanleihemärkten in den USA und Europa bewegten sich die Kurse zumeist seitwärts. Inflationsgeschützte Anleihen zeigten sich dabei zumeist etwas stärker als vergleichbare nominal verzinsliche Anleihen. Leicht freundlicher tendierten Emerging–Markets-Hartwährungsanleihen. Bei den Währungen gab der US-Dollar zuletzt wieder etwas nach; im Gegenzug befestigte sich der Euro. Auch viele Rohstoffe legten weiter zu, ebenso das Gold.

Aktuelle taktische Positionierungen

In der Taktischen Asset Allokation gab es zuletzt nur kleinere Anpassungen. Aktien bleiben übergewichtet. Im Gegenzug sind Euro-Staatsanleihen, Geldmarkt und globale Staatsanleihen weiterhin untergewichtet. Unternehmensanleihen bleiben im Anleihebuch stark übergewichtet. Die zuvor bereits leicht übergewichteten Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen wurden aufgestockt. Daneben gibt es innerhalb der Aktien- und Anleihebücher eine ganze Reihe von unterschiedlichen Positionierungen auf regionaler und sektoraler sowie thematischer Ebene bzw. bei Zinskurvenstrategien. Weitere Aufstockungen bei den Aktien je nach Marktlage könnten in den kommenden Wochen bzw. Monaten folgen. Eine signifikante Longposition besteht zudem bei Rohstoffen, wobei sich diese auf breite Rohstoffsektoren erstreckt (ausgenommen natürlich landwirtschaftliche Rohstoffe).