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Flugverkehr und Umweltbelastung

OpinionsFlugverkehr und Umweltbelastung

von Gernot Mayr, Senior Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG.

Seit dem ersten Flug der Gebrüder Wright im Jahre 1903 in Kitty Hawk, North Carolina, hat sich viel getan. Der moderne Flugverkehr ermöglicht Reisen in die entlegensten Gegenden der Erde innerhalb kürzester Zeit, die Erschließung neuer Geschäftsfelder und einen globalen Warenaustausch ungeahnten Ausmaßes. Flugzeuge sorgen für Wohlstand und Wachstum und sind die Voraussetzung für viele Annehmlichkeiten des modernen Lebens. Neben den erwähnten Vorzügen hat der Flugverkehr allerdings auch massive Folgen für die Umwelt.

Flugzeuge werden mit Verbrennungsmotoren betrieben. Als Treibstoff kommt zumeist Kerosin, ein Mitteldestillat der Erdölproduktion, zum Einsatz. Kerosin besteht aus Kohlenwasserstoffen, zumeist Alkanen, mit einer Länge von 9 bis 13 Kohlenstoffatomen. Damit ähnelt Kerosin dem Diesel, enthält aber vermehrt etwas leichtere Moleküle (mit relativ geringer Streuung der Molekülgröße) und weist meist eine etwas geringere Dichte auf. Bei der Verbrennung von Kerosin wird Energie frei und als Nebenprodukt entstehen das vor allem für den Klimawandel – und damit für den Menschen – relevante Kohlendioxid und Wasser. In kleineren Mengen werden auch weitere Verbrennungsprodukte wie zum Beispiel Ozon oder Schwefeldioxid erzeugt.

Bei der Umweltbeeinträchtigung durch den Flugverkehr unterscheidet man vier Bereiche: den Beitrag zur Klimaveränderung, die allgemeine Verunreinigung der Luft, die Verunreinigung von Wasser und die Geräuschentwicklung. Während die Verunreinigung von Luft und Wasser sowie die Geräuschentwicklung lokale Phänomene sind, ist der Beitrag zur Klimaveränderung ein globales Problem, das durch die Entwicklungen der vergangenen Jahre verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.

Neben dem Kohlendioxid, dessen Beitrag zum Klimawandel mittlerweile relativ gut untersucht ist, haben auch andere bei der Verbrennung von Kerosin entstehende Stoffe wie Ozon (O3), Stickoxide (NOX), Schwefelverbindungen (u. a. SO2) und das erzeugte Wasser (H2O) Einfluss auf den Treibhauseffekt, wobei hier die Wechselwirkungen mit dem Klima zum Teil noch relativ unbekannt sind.

Insbesondere die Effekte von Kondensstreifen und der dadurch unter gewissen Umständen entstehenden Zirruswolken sind nicht geklärt. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass der klimatologische Gesamteffekt des Fliegens größer ist als der Beitrag des entstehenden CO2 alleine.

Schätzungen zufolge erzeugte der zivile, kommerzielle Flugverkehr im Jahre 2018 ca. 900 Millionen Tonnen CO2. Bei 38 Milliarden Tonnen anthropogener Kohlendioxidproduktion liegt der Beitrag von zivilen Flugzeugen bei ca. 2,5 %.Von den 900 Millionen Tonnen entfielen 80 % auf den Passagier-, 20 % auf den Gütertransport. Schreibt man die Emissionen jenen Ländern zu, in denen die Flugzeuge starten, dann sind die Top-5-Länder wenig überraschend die Vereinigten Staaten, China, das Vereinigte Königreich, Japan und Deutschland.1 Wäre die EU ein Land, wäre sie auf Platz zwei.

Als Passagier kann man mit ca. 80 g CO2 pro geflogenem Kilometer rechnen, bei Flügen von unter 500 Kilometern steigt dies auf ca. 160 g an. Zum Vergleich: Ein Golf VI 1.6 TDI (77 kW Automatik) erzeugt laut Herstellerangaben 123 g CO2/km. Das gilt natürlich pro Fahrzeug, fahren vier Personen mit dem Auto, sind das ca. 30 g pro Kilometer und Person. Sowohl über die CO2-Produktion der militärischen Luftfahrt als auch über jene der privaten Luftbewegungen (kleine Turbo-prop-Maschinen und Business-Jets) liegen keine genauen Daten vor.

In Summe beziffert das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, im Deutschen oft als „Weltklimarat“ bezeichnet) den Anteil des gesamten Flugverkehrs am anthropogenen Treibhauseffekt mit ca. 3,5 %. Die Schätzungen über die von Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen gehen von 38 Gigatonnen aus.2 In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass diese Schätzungen mit großer Vorsicht zu betrachten sind, viele Schätzungskomponenten sind nur äußerst vage. Die genaue Menge des von Menschen erzeugten sowie des auf natürliche Weise freigesetzten Kohlendioxids kennt niemand.

ALTERNATIVEN VORHANDEN?

Um die Effekte zu reduzieren, wird an alternativen Antriebskonzepten gearbeitet. Die Überlegungen reichen von Bio-Kerosin, Kerosin, das nicht aus Erdöl gewonnen wird, bis Ethanol. Unabhängig davon, ob diese Alternativen wirklich geeignet sind, um die Emissionen nachhaltig zu senken, ist ein flächendeckender kommerzieller Einsatz von alternativen Antrieben bis auf weiteres nicht absehbar.

Der Einsatz von Bio-Kerosin, hier werden die Kohlenwasserstoffe aus hydrierten Pflanzenölen gewonnen, ermöglicht es zwar, die gleichen Flugzeuge weiter zu verwenden, birgt aber die gleichen Probleme wie andere Bio-Treibstoffe. Wenn zum Anbau von Raps- oder Palmöl Wälder abgeholzt werden oder wenn durch die erhöhte Nachfrage die Nahrungsmittelpreise steigen, wird die Umwelt- bzw. soziale Verträglichkeit dieser Alternativen in Frage gestellt. Das Präfix „Bio“ deutet in diesem Zusammenhang nur auf den pflanzlichen Ursprung hin, nicht auf die Herkunft aus ökologischer Landwirtschaft. Aus diesen Gründen soll die nächste Generation von Bio-Kerosin aus biologischen Abfällen bzw. Recyclingmaterial hergestellt werden.3

Mit einem flächendeckenden Einsatz von Bio-Kerosin ist aber in naher Zukunft nicht zu rechnen, da der Preis von Bio-Kerosin weit über dem Preis von aus Erdöl erzeugtem Kerosin liegt.

Im Jahr 2018 wurden ungefähr 39 Millionen kommerzielle Flugbewegungen gezählt.4 Die Steigerungsraten im vergangenen Jahrzehnt sind enorm und dürften ca. 5 % pro Jahr betragen haben. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt schätzt für die nächsten 20 Jahre eine Verdopplung der Passagierzahlen. Auch wenn in Europa Flughäfen wie Berlin oder auch Wien Kapazitäten erhöhen, liegt das wahre Wachstum im Fernen Osten. Alleine in China sind in den nächsten 15 Jahren über 200 neue Flughäfen geplant.

Neben dem Beitrag zum Treibhauseffekt ist auch die allgemeine Verschmutzung von Luft sowie von Wasser ein Thema. Problematisch ist hier das aus Flugzeugen in der Regel nur in großen Höhen abgelassene Kerosin, von dem laut Spezifikation auch nur ein Bruchteil den Boden erreichen darf. Dennoch kann dieser Treibstoff Landschaften kontaminieren.5

Eine spezielle Umweltbeeinträchtigung ist die Lärmentwicklung, die aufgrund der steigenden Flugbewegungen ebenfalls zunimmt. Neben dem subjektiven Unwohlsein bei Lärmbelastung gibt es Hinweise auf physische oder psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Beschwerden.6 Der konkrete Nachweis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen gestaltet sich hier allerdings schwierig.

Moderne Flugzeuge werden aufgrund neuerer Technologien, aus Kostengründen und dank strengerer Vorschriften effizienter und geräuschärmer gebaut als früher, durch die zu erwartenden Kapazitätserweiterungen werden diese Effekte jedoch mehr als aufgehoben. Dementsprechend ist im Flugverkehr auf absehbare Zeit von keiner sinkenden Umweltbelastung auszugehen.


Diesen Beitrag finden Sie mit Grafiken sowie weiteren Informationen in der jüngsten Ausgabe des Nachhaltigkeitsletters „nachhaltig investieren“ der Raiffeisen KAG. Die vollständige Ausgabe zum Thema „Flugverkehr“ finden Sie links als PDF.

1) ICCT, international council on clean transportation, Graver, Zhang, Rutherford, CO2 emissions from commercial aviation, 2018
2) EU publications: Fossil CO2 and GHG emissions of all world countries 2019 report study
3) Aviations Fuel Guide,Version 2, Dezember 2018
4) ICCT, a. a. O.
5) Deutsches Umweltbundesamt, Häufig gestellte Fragen (FAQs) zum Treibstoffschnellablass, 2008
6) Deutsches Umweltbundesamt, Dr. Greiser, Greiser, Risikofaktor nächtlicher Fluglärm, 2010