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Unternehmensstimmen zum Thema “Biodiversität”

OpinionsUnternehmensstimmen zum Thema "Biodiversität"

von Andreas Perauer, Mitarbeiter des Nachhaltigkeitsteams bei der Raiffeisen KAG.

Der im August 2019 vom Weltklimarat veröffentlichte Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme argumentiert, dass die derzeitige Landnutzung und die globalen Nahrungsmittelsysteme den Klimawandel, die Bodendegradation, den Verlust der biologischen Vielfalt und andere Umweltbedrohungen verschärfen. Die Art und Weise, wie wir uns ernähren, ist demnach ein wesentlicher Faktor für den Erhalt der Biodiversität. Umso wichtiger wird es sein zu beobachten, in welche Richtung sich die Lebensmittelindustrie bewegt.

Die Engagement-Aktivitäten des Nachhaltigkeitsteams von Raiffeisen Capital Management beim Thema Biodiversität beinhalten den Dialog mit einigen der größten börsennotierten Unternehmen der Lebensmittelindustrie. Dabei wurden folgende Fragen gestellt. Die Antworten auf diese Fragestellungen lassen sich zu nachstehenden Aussagen und Ergebnissen zusammenfassen.

Ist der negative Einfluss unserer globalen Nahrungsmittelsysteme auf die Biodiversität ein Problem, das Sie als für Ihr Unternehmen relevant erachten? Überwachen Sie aktiv Ihren positiven/negativen Einfluss auf die Biodiversität? Was sind die Ergebnisse?

Für Bayer, spezialisiert in den Bereichen Gesundheit und Agrarwirtschaft, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die intensivierte Landwirtschaft zu einem lokalen Rückgang der Artenvielfalt und zu einer Beeinträchtigung der Ökosysteme geführt hat. Aus diesem Grund investiert das deutsche Unternehmen in Forschung und Entwicklung, um ein besseres Gleichgewicht zwischen Produktivität und Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme zu erreichen. Die Definition von Indikatoren zur Messung der Auswirkungen von Produkten entpuppt sich dabei als eine sehr komplexe Aufgabe. Bayer versucht es mit einem erst kürzlich von der University of Denmark entwickelten Modell, das die Umweltauswirkungen jedes Pflanzenschutzmittels auf unterschiedliche Anbauflächen messen kann, und überprüft damit sein gesamtes Produktportfolio. Mit dieser Messung kann festgestellt werden, welche Produkte die höchsten Umweltauswirkungen haben, wo diese entstehen und wo Bayer dementsprechend für eine Verbesserung sorgen kann. Auch Nestlé, der größte Nahrungsmittelkonzern der Welt, sieht in der Messung von Auswirkungen auf die Biodiversität, speziell aufgrund der enormen regionalen Unterschiede, eine größere Herausforderung als zum Beispiel beim Thema CO2. Es sei dennoch möglich, etwa durch den Einsatz von Satellitentechnologie zur Überwachung von Entwaldungsrisiken und durch Pilotfarmen, die Nestlé speziell zur Überwachung, Messung und Wiederherstellung der Bodengesundheit errichtet hat. Der Zeitraum, bis diese Bemühungen messbare Ergebnisse liefern, kann dabei erheblich variieren. Während die Entwaldung nahezu in Echtzeit überwacht und gemessen werden kann, kann es bei der Regeneration des Nährbodens durchaus drei bis vier Jahre dauern, um Daten zu generieren, die Auswirkungen belegen können. Einer ähnlichen Vorgehensweise folgt der US-amerikanische Lebensmittelproduzent Campbell Soup, der im Jahr 2020 zur Risikobewertung des eigenen Beschaffungsprozesses mit der Non-Profit-Organisation The Sustainability Consortium zusammengearbeitet hat. Dabei wurden die mit den Herkunftsländern verbundenen Risiken von 30 Inhaltsstoffkategorien im Zusammenhang mit dem Verlust der biologischen Vielfalt, des Wasserverbrauchs und der Entwaldung bewertet und die Priorisierung der verwendeten Inhaltsstoffe auf Basis der Ergebnisse adoptiert.

Wie kann Ihr Unternehmen zum Sustainable Development Goal 15 beitragen? Haben Sie sich bestimmte Ziele gesetzt?

Der Erhalt und die Förderung der Biodiversität ist ein wesentlicher Punkt des nachhaltigen Entwicklungsziels SDG 15 Leben an Land. Für den britischen Konzern Unilever, mit Marken wie Knorr, Eskimo, Coral und Axe einer der weltweit größten Produzenten von Konsumgütern, bilden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) eine einmalige Gelegenheit, eine bessere Welt zu schaffen. Das Unternehmen weist darauf hin, dass allein für die Transformation des Lebensmittel- und Landsystems Geschäftschancen in Höhe von rund 3 Billionen US-Dollar ermittelt wurden. Das Wachstumspotenzial von Öko-Innovationen, die sowohl die Umwelt schützen als auch das Wohlergehen der Menschen fördern, sei daher enorm. Dementsprechend setzt der Lebensmittelproduzent auch selbst auf Rohstoffe von landwirtschaftlichen Betrieben, die nachhaltige Praktiken hinsichtlich des Erhalts der Fruchtbarkeit des Bodens, des Wasser- und Düngemittelverbrauchs sowie des Schutzes der biologischen Vielfalt anwenden. Nestlé verfolgt zur Erreichung des SDG 15 einen klaren Plan, der eine entwaldungsfreie Hauptzulieferkette sowie einen Anteil an Rohstoffen, die mit regenerativen Landwirtschaftsmethoden hergestellt wurden, von 20 % bis 2025 und 50 % bis 2030 vorsieht. Campbell Soup wiederum fordert von allen Lieferanten die Einhaltung sämtlicher geltenden Umweltgesetze. Darüber hinaus wird von den Lieferanten erwartet, dass sie Maßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der Böden sowie zum Schutz und zur Förderung natürlicher Lebensräume, einheimischer Arten und der biologischen Vielfalt ergreifen. Außerdem verbietet das Unternehmen die Produktion auf Ländereien, die in den letzten zehn Jahren nicht für Landwirtschaft genutzt wurden. Novozymes, ein dänisches Biotechnologieunternehmen, ist davon überzeugt, dass seine Enzyme und mikrobiellen Lösungen den Landwirten helfen, die Effizienz der Pflanzen- und Tierproduktion zu steigern, die Umweltauswirkungen zu verringern und gleichzeitig die Klimaresilienz zu stärken. Das Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, durch Effizienzverbesserungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Jahr 2022 zur Gewinnung von 500.000 Tonnen an zusätzlichen Lebensmitteln beizutragen. Im Jahr 2020 lag dieser Wert internen Schätzungen zufolge bereits bei 136.000 Tonnen.

Prognosen zufolge wird die Weltbevölkerung bis 2050 um weitere zwei Milliarden Menschen ansteigen. Wird es möglich sein, all diese Menschen nachhaltig zu ernähren? Welche Rolle könnte Ihr Unternehmen dabei spielen?

Bayer sieht in einer intensiven Landwirtschaft mit hohen Erträgen pro Hektar Ackerland einen entscheidenden Faktor für die kontinuierliche Verfügbarkeit hochwertiger und erschwinglicher Lebensmittel. Das liege daran, dass die Intensivierung der Landwirtschaft dazu führen wird, dass immer weniger Land für die Lebensmittelproduktion benötigt wird. Während die landwirtschaftlichen Erträge in den letzten 40 Jahren um 60 % gestiegen sind, hat sich die landwirtschaftliche Nutzfläche nur um 5 % erhöht. DigitaleTechnologien spielen dabei eine wichtige Rolle, ebenso wie verbessertes Saatgut und optimierte landwirtschaftliche Praktiken. Unilever sieht sich in derVerantwortung, ein globales Lebensmittelsystem mitzugestalten, das für alle fair ist. Aus diesem Grund hat das Unternehmen die „Future Foods“-Initiative gestartet und verpflichtet sich damit zu einem jährlichen Umsatzziel von einer Milliarde Euro durch pflanzliche Fleisch- und Milchalternativen innerhalb von fünf bis sieben Jahren, zu einer Halbierung der Lebensmittelabfälle im direkten Betrieb von der Fabrik bis zum Regal bis 2025, zur Verdoppelung der Anzahl der gesundheitsfördernden Produkte bis 2025 sowie zu einer fortwährenden Reduktion des Kalorien-, Salz- und Zuckergehalts aller Produkte. Auch Kellogg’s, ein weltweit führender Produzent von Getreideprodukten, will seinen Beitrag zu einer nachhaltigen Nahrungsmittelversorgung leisten und hat sich dazu verpflichtet, bis Ende 2030 eine Million Landwirte und Arbeiter durch Programme zu unterstützen, die auf Klima-, soziale und finanzielle Widerstandsfähigkeit ausgerichtet sind. Kellogg’s bietet dabei eigene Schulungen und technische Unterstützung an, um bewährte Verfahren zu vermitteln, die die Produktivität der landwirtschaftlichen Betriebe verbessern sowie zur Regeneration der Bodengesundheit, zum Schutz der biologischen Vielfalt und zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen.


Die vollständige Ausgabe 32 von Raiffeisen Capital Management’s Nachhaltig Investieren mit Grafiken finden Sie hier als PDF.