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Emerging-Markets-Anleihen: Chancen trotz schwächerer Weltwirtschaft

OpinionsEmerging-Markets-Anleihen: Chancen trotz schwächerer Weltwirtschaft

Emerging-Markets-Anleihen legten im ersten Halbjahr 2019 einen starken Start hin. Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen performten in diesem Zeitraum gut, aber eine noch bessere Entwicklung zeigte sich bei Staats- und Unternehmensanleihen in Hartwährungen – insbesondere bei in US-Dollar emittierten Anleihen – deren Erträge gegenüber den Lokalwährungen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres deutlich besser abschnitten. Viele Investoren fragen sich, ob diese Entwicklung Bestand haben wird. Uday Patnaik, Head of Emerging Markets Debt bei Legal & General Investment Management, geht davon aus, dass dies nicht bei allen Schwellenländern der Fall sein wird – er sieht aber auch im derzeitigen Marktumfeld attraktive Chancen bei ausgewählten Emerging Markets: „Die Weltwirtschaft einschließlich der US-Wirtschaft wird sich wahrscheinlich in den nächsten sechs bis zwölf Monaten abschwächen. Dazu gesellen sich idiosynkratische Probleme innerhalb der Schwellenländer. Ich bin aber weiter fest davon überzeugt, dass sich mit der richtigen Positionierung in den Schwellenländern ein bedeutendes Alpha generieren lässt – nicht zuletzt infolge der Informationsasymmetrie in den Emerging Markets.“

In Bezug auf die Risiken sorgt sich der Experte vor allem um eine Eskalation des Handelskrieges zwischen China und den USA und als Folge dessen auch um einen möglichen Handelskrieg mit der EU im Laufe dieses Jahres, beispielsweise im Automobilsektor. „Unter der Annahme, dass sich die aktuelle globale Handelsdynamik nicht verbessert und die Situation in den nächsten Monaten weiter anhält oder sich sogar verschlechtert, wird der Welthandel das schwächste Jahr seit der Finanzkrise erleben. Dies könnte zu einer Verschärfung der finanziellen Bedingungen insbesondere außerhalb der USA führen und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes dämpfen. Es versteht sich von selbst, dass sich das globale Wachstum in einem solchen Szenario weiter abschwächen wird“, so Patnaik.

In Bezug auf idiosynkratische Herausforderungen aber auch Chancen innerhalb der Emerging Markets liegt der Fokus für Uday Patnaik hauptsächlich auf dem Wachstum Chinas – und darüber hinaus auch auf der Politik und den geldpolitische Maßnahmen in der Türkei, den Wahlen von Argentinien Ende 2019 und der Inflation in diesem Land, dem US-Iran-Konflikt und den möglichen Auswirkungen auf die Rohölpreise im Falle einer Eskalation, der wirtschaftlichen und humanitären Krise in Venezuela und der brasilianischen Rentenreform.

Chancen in Ägypten und Nigeria

Im Hinblick auf renditestärkere Gelegenheiten im Subinvestment-Grade-Bereich schätzt Patnaik derzeit Hartwährungsanleihen in Ägypten und Nigeria, einschließlich ausgewählter nigerianischer Finanzwerte. „Ägypten ist eine große, diversifizierte Wirtschaft in Nordafrika, dessen BIP-Wachstum mit aktuell 5,5 Prozent an Fahrt aufnimmt. Die Inflation ist stark gesunken – von 33 Prozent Mitte 2017 auf 13 Prozent im April dieses Jahres. Ägypten wird 2019 zum ersten Mal nach 15 Jahren einen Primärüberschuss von voraussichtlich 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften“, so Patnaik. In nur zwei Jahren hätten Wachstums- und finanzpolitische Restriktionen dazu beigetragen, die Staatsverschuldung von über 100 Prozent des BIP im Jahr 2017 auf rund 85 Prozent des BIP in diesem Jahr zu senken. Darüber hinaus bleibe der externe Sektor mit diversen Zuflüssen unter anderem aus dem Tourismus, Einnahmen aus dem Suezkanal sowie ausländischen Direktinvestitionen, sogenannten Foreign Direct Investments – kurz FDI -, stark. Die Devisenreserven seien mit rund 44 Milliarden US-Dollar auf dem höchsten Stand aller Zeiten und decken einen Importbedarf von 6,5 Monaten ab.

„In Nigeria sind die Unsicherheiten, die sich im Vorfeld der Wahlen ergeben hatten, mit der Wiederwahl des Amtsinhabers beseitigt. Der Zentralbankgouverneur wurde erneut gewählt, was Kontinuität in der Geld- und Fiskalpolitik verspricht. Mit 400 Milliarden US-Dollar ist Nigeria die größte Volkswirtschaft in Kontinental-Afrika und zum Beispiel größer als die Südafrika oder Ägypten. Die Haushaltsdefizite sind stabil bei 4,5 Prozent des BIP, aber mit einem öffentlichen Schuldenstand von nur 20 Prozent des BIP und damit weniger als die Hälfte des regionalen Durchschnitts“, fährt Patnaik fort. Im Außenhandel verzeichnete die Leistungsbilanz einen Überschuss mit Devisenreserven von 45 Milliarden US-Dollar – die Leistungsbilanz übersteigt die Staatsschulden annähernd das Zweifache der Staatsschulden und bedeutet eine Abdeckung der Importe über einen Zeitraum von zehn Monaten. Nigeria sei zwar von Öl abhängig, weist aber einen niedrigen Schuldenstand und eine Verbesserung der Ölproduktion seit Mitte 2016 auf. „Dazu gesellt sich die Tatsache, dass die Überweisungen und Portfolioströme fast 60 Prozent der Gesamtexporte ausmachen, was der Investment-Story mehr Stabilität verleiht“, erläutert Patnaik.

Im Investment-Grade-Bereich übergewichtet der Experte schließlich Katar. „Die jährlichen Exporte des Landes belaufen sich auf fast 50 Prozent des BIP, und der Leistungsbilanzüberschuss betrug im vergangenen Jahr mehr als 9 Prozent des BIP. Darüber hinaus lag der gesamtstaatliche Überschuss im vergangenen Jahr bei 5 Prozent des BIP, und es wird erwartet, dass der Überschuss in diesem Jahr auf über 6 Prozent ansteigen wird“, so Patnaik. Die QIA-Vermögenswerte von rund 320 Milliarden US-Dollar entsprechen 170 Prozent des BIP und 350 Prozent der Staatsverschuldung. Die Größe der Vermögenswerte ist so bemessen, dass sie Steuerausgaben über einen Zeitraum von 5,5 Jahren auf dem derzeitigen Niveau finanzieren können. Katar ist allerdings von der regionalen Geopolitik betroffen, insbesondere in Bezug auf seine Nachbarländer. Dies könnte sich jedoch unter dem Druck der USA etwas abschwächen.

Für Venezuela sei es wahrscheinlich, dass das Maduro-Regime in den nächsten Quartalen enden wird. Mit dem Druck der US-Regierung, der Flüchtlingskrise, der Hyperinflation, einer implodierenden Wirtschaft und US-Embargos ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Maduro-Regierung genügend US-Dollar aufbringen wird, um das Militär weiterhin zu einer Unterstützung zu bewegen. Venezuela ist interessant, weil es über eine der größten, wenn nicht sogar die größten Ölreserven der Welt verfügt. In den späten 1970er bis frühen 1980er Jahren wurde Venezuela von den internationalen Ratingagenturen mit AAA bewertet. „Venezuela muss seine Wirtschaft umstrukturieren und Investitionen einleiten, um die Ölförderung wiederzubeleben. Um diese wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, muss jedoch zunächst die politische Situation gelöst werden. Wir halten unser Exposure auf venezolanischen Anleihen, da wir glauben, dass der ultimative Aufwärtstrend deutlich höher ist als aktuell eingepreist“, schließt Patnaik.

Top-down-Ansatz bei Investments in Schwellenländeranleihen erfolgversprechend Aus Sicht von Uday Patnaik sind Investoren bei Investments in Schwellenländeranleihen gut beraten, auf einen Top-down-Ansatz zu achten. „Die Schwellenländer und die Performance ihrer Schuldtitel werden von globalen Entwicklungen bestimmt. So müssen neben anderen Faktoren beispielsweise die US-Kurse, der US-Dollar, die Rohstoffpreise – insbesondere im Hinblick auf Rohöl und Metalle –, die Geopolitik, die Aktien- und Zinsvolatilität, die Weltwirtschaft und die Geldpolitik der Zentralbanken in den G7-Ländern plus China berücksichtigt werden. Deshalb ist ein makrothematischer Top-Down-Investmentansatz wichtig“, so Patnaik. „Ich verfüge über eine 30-jährige Erfahrung in Investments in Schwellenländeranleihen und habe in dieser Zeit noch nie einen Bottom-up-Ansatz erlebt, der in der Lage ist, das Kundenkapital zu schützen und Drawdowns so erfolgreich zu begrenzen wie ein Top-down-Ansatz.“