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Mikrofinanzierung: Auch traditionelles Impact Investing erfordert einen kritischen Blick

TopicsMikrofinanzierung: Auch traditionelles Impact Investing erfordert einen kritischen Blick

Stefan Fritz, Investmentfonds & Research, GLS Bank, mit einem kritischen Blick auf Mikrofinanzierung als etablierte Form des Impact Investings in Teil 3 der Serie „Impact Investing – wie der Finanz-Mainstream einen Nischenmarkt entdeckt“.

Impact Investing gilt am Kapitalmarkt als der Königsweg, um die Sustainable Development Goals zu erreichen. In den vergangenen Jahren haben diese traditionell alternativen Investmentformen Verbreitung am ganzen Markt gefunden. Doch die sozial-ökologische Wirkung von OGAW-Investmentfonds ist schwer zu erfassen, da sie aufgrund regulatorischer und technischer Gründe das Geld i.d.R. nicht direkt den Unternehmen und Projekten zur Verfügung stellen und viele Unternehmen nicht stringent darüber berichten. Auch bei den am Markt sehr beliebten Green Bonds ist es umstritten, ob sie tatsächlich zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen.

Es stellt sich die Frage: Ist es nicht besser, sich auf den Markt für alternativen Investments zu konzentrieren, um impactstarken Projekten und Unternehmen direkt Kapital zur Verfügung zu stellen? So naheliegend dies erscheint, so sehr ist ein kritischer Blick notwendig. Ein gutes Beispiel dafür ist die Mikrofinanzierung, eine etablierte Form des Impact Investings.

Gründe für Mikrofinanzierung: Finanzielle Inklusion statt Armutsbekämpfung

Als in den 1970er Jahren spezialisierte Mikrofinanzinstitute gegründet wurden, wollten sie mit der Vergabe von Kleinstkrediten die Armut mindern. Muhammad Yunus, Gründer der Grameen Bank, einem Mikrofinanzinstitut in Bangladesch, erhielt dafür 2006 sogar den Friedensnobelpreis. Nach mehr als 40 Jahren ziehen viele Forscher*innen jedoch ernüchtert Bilanz: Mikrofinanzierung leistet keinen wesentlichen Beitrag, um Armut zu vermindern. Aber sie hat einen anderen positiven Effekt: Sie ermöglicht vielen benachteiligten Menschen auf dem Land eine finanzielle Teilhabe. Hintergrund ist, dass viele Mikrofinanzinstitute ihre Ursprünge in kleinen Nichtregierungsorganisationen in ländlichen Regionen haben, die über die Jahre gewachsen ist. Hier erhielten arme Menschen zum ersten Mal einen Zugang zu verlässlichen Leih- und Sparmöglichkeiten. Ein großer Markt: Mehr als 2 Mrd. Menschen haben immer noch keinen Zugang zu Bankdienstleistungen.

Mikrofinanzmarkt heute: erwachsen, vielfältig, herausfordernd

Mittlerweile ist der Mikrofinanzmarkt erwachsen geworden. Die Institute sind in nahezu allen Entwicklungs- und Schwellenländern präsent. Das Gesamtvolumen an Krediten lag Ende 2017 bei 114 Mrd. US Dollar (Microfinance Barometer 2018). Regulatorische Anforderungen und der Kostendruck zwingen Institute, sich professionell aufzustellen. Dazu gründen sie u.a. internationale Holdingsstrukturen oder Netzwerke, die zentral Kapital einsammeln und dann länderspezifisch verteilen. Viele Institute agieren mittlerweile auch als Vollbanken. Um die Mikrokreditvergabe zu refinanzieren, wenden sie sich immer stärker an ausländische Investoren, die zunehmendes Interesse am Markt zeigen. Neben der guten Tat bieten die Institute auch gut verzinste Darlehen an. Mikrofinanzfonds haben sich darauf spezialisiert, ausschließlich diese Institute zu finanzieren.


Quelle: Microfinance Barometer 2018

Bekanntlich ist dabei nicht alles Gold was glänzt. Wie finden und fördern Investoren profitable Institute, die zur finanziellen Inklusion beitragen und dabei keinen Schaden anrichten? Folgende Aspekte gilt es zu beachten:

1. Umfangreiche ökonomische Due Diligence mit lokaler Expertise durchführen

Mikrofinanzinstitute sind in Entwicklungs- und Schwellenländern aktiv. Es gibt diverse Gegebenheiten zu beachten: Die Menschen haben eine fremde Sprache und Kultur. Es gibt ein anderes Rechts- und Politiksystem. Deswegen ist es hilfreich, mit ausgewiesenen Kreditspezialisten aus dem Land bzw. der Region zusammenzuarbeiten, die den Markt kennen und sich bei Besuchen vor Ort oder auf lokalen Messen ein genaues Bild von der Qualität der Institute und Kreditangebote machen können. Dieser Prozess nimmt bei Neuprüfungen häufig mehrere Monate in Anspruch. Schließlich müssen Investoren neben den obligatorischen ökonomischen Berechnungen auch die politische als auch wirtschaftliche Situation des Landes erfassen und alle Einflussfaktoren und Zusammenhänge berücksichtigen, die auf das Institut wirken. Ein Beispiel: In Russland arbeiten viele Menschen aus Zentralasien, die regelmäßig einen Teil ihres Lohnes zurücküberweisen. Damit werden auch Mikrokredite bedient. Durch die Sanktionen gegen Russland erlahmten diese Geldströme und die Zahl notleidender Kredite stieg bei diesen Instituten merklich an.

2. Strenge sozial-ökologische Kriterien beachten

Es gibt in Deutschland eine gesetzliche Definition eines Mikrofinanzinstituts. So muss es einer Aufsicht unterstellt sein, darf bei mindestens 60 % der Darlehensvergaben den Betrag von 10.000 Euro nicht überschreiten und seine Haupttätigkeit soll die Kreditvergabe an Klein- und Kleinstunternehmer für deren unternehmerische Zwecke sein (siehe §222 KAGB). Diese Definition lässt aber viel Spielraum. Um sicherzugehen, dass das Kreditportfolio eine hohe sozial-ökologische Qualität aufweist, ist es ratsam für Investoren, weitere Kriterien anzuwenden. Zunächst sollten die Kredite keinen Schaden anrichten. Auszuschließen ist die Finanzierung von Aktivitäten, mit denen Kinder ausgebeutet, Landrechte der indigenen Bevölkerung verletzt oder Raubbau an der Natur betrieben wird.

Darüber hinaus sollten Mikrofinanzinstitute bzw. -fonds genau definieren, welchem Zweck die Kredite dienen. Neben der weit verbreiteten Unterstützung von Kleinbäuern*innen (u.a. zur Vorfinanzierung der Ernte) und speziellen Kreditprogrammen für Frauen gibt es viele weitere förderungswürdige Aktivitäten: Die Finanzierung von Erneuerbare Energien-Projekten, sozial-ökologische sowie ökonomische Bildungs- und Beratungsprogramme zum Aufbau einer beruflichen Existenz, die sanitäre Versorgung von Wohnungen oder auch Versicherungs- und Sparangebote, mit denen Endkreditnehmer*innen langfristige finanzielle Perspektiven aufbauen können.

Ebenso wichtig ist es, dass die Endkreditnehmer*innen geschützt sind. In der Branche haben sich dazu die Client Protection Principles der Smart Campaign-Zertifizierung etabliert, die Mindestanforderungen an den Kundenschutz stellen. Um die begehrte Zertifizierung zu erhalten, müssen die Institute sowohl eine hohe Kostentransparenz als auch ein System zum Kundenschutz nachweisen.


Quelle: Annapurna Finance Ltd.

3. Übersättigte Länder kritisch sehen

Das Kapital am Mikrofinanzmarkt ist ungleich verteilt. Manche Institute und Länder werden geradezu geflutet, andere gehen nahezu leer aus. Wenn das Angebot an Angeboten sehr hoch ist, sinken die Zinsen. Häufig nehmen Endkunden*innen dann weitere Kredite auf, die sie irgendwann nicht mehr bedienen können. Dies hat in der Vergangenheit bereits zu erhöhten Kreditausfällen bei den Instituten geführt – mit mitunter fatalen Folgen für Endkreditnehmer*innen. Um diesen Missstand zu beheben, wurde der sogenannte Microfinance Index of Market Outreach and Saturation (Mimosa-Index) entwickelt. Er zeigt an, wie hoch die Sättigung im Land ist, indem er den Human Development Index und die Kreditvolumina von Ländern in Beziehung setzt. Je höher die Sättigung, umso höher ist zumeist auch das Rückzahlungsrisiko. Daher sollten Investoren maßvoll in diesen Ländern Kredite vergeben.  Zu beachten ist beim MIMOSA-Index, dass die derzeit öffentlich zugänglichen Daten bereits 5 Jahre alt sind und daher nur als eine erste Indikation zu verwenden sind.

MIMOSA-Länderverteilung 2014

Quelle: Mimosa 2.0 – Mapping the (micro)credit cycle

4. Lokalwährungskredite fördern

Bis vor kurzem haben Mikrofinanzinstitute ihre Darlehen am Kapitalmarkt nahezu ausschließlich in Euro oder Dollar erhalten. So bequem dies für ausländische Investoren ist, so schwierig ist es für die Institute. Schließlich müssen sie die Währungsrisiken teuer absichern, oder das Risiko anderweitig steuern. Mit steigendem Investoreninteresse und aufgrund regulatorischen Drucks sind sie dazu übergegangen, Darlehen zunehmend in der landeseigenen Währung zu präferieren. Investoren wie z.B. Mikrofinanzfonds übernehmen die Absicherung, die für sie günstiger und oft überhaupt erst möglich ist. Je mehr Währungen sie im Portfolio haben, umso breiter wird das Währungsrisiko gestreut, was mittelfristig geringere Absicherungskosten zur Folge haben kann. Auch aus sozial-ökologischer Sicht ergeben sich Vorteile. Denn den Wegfall von Gebühren kann das Mikrofinanzinstitut in Form günstigerer Kreditzinsen oder mehr Krediten an die Endkreditnehmer*innen, beispielsweise den Kleinbauern*innen oder Nähern*innen, nun direkt weitergeben.

5. Technical Assistance unterstützen

Mikrokredite sollten dort vergeben werden, wo sie die höchste sozial-ökologische Wirkung entfalten. Um dies zu gewährleisten, wurden im entwicklungspolitischen Kontext bestimmte Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen konzipiert, die so genannte Technical Assistance. Sie können auf zweierlei Ebenen wirken. Einerseits erhalten Mitarbeiter*innen von Mikrofinanzinstituten in Schulungen wichtiges Wissen vermittelt, z.B. wie sich die positive Wirkung der Kredite erfassen lässt.  Andererseits können sich Endkreditnehmer*innen in Workshops über spezifische Themen austauschen, z.B. welche Rechte sie als Arbeitnehmer haben oder mit welchen Anbaumethoden sie nachhaltig erfolgreich wirtschaften. Investoren haben die Möglichkeit, mit ihren Fondseinnahmen oder Abschlussprovisionen gezielt diese Maßnahmen zu finanzieren.

6. Hohe Diversifikation im Portfolio anstreben

Um eine möglichst hohe sozial-ökologische Wirkung und Portfoliostreuung zu erreichen, bietet es sich für Investoren an, im hohen Maße in Länder anzulegen, die gemäß der Weltbank als Low Income- oder Low Middle Income-Staaten gelten. Eine weitere Möglichkeit ist es, in eine Vielzahl unterschiedlicher Institute zu investieren. Die Branche unterscheidet zwischen Tier 1, Tier 2 und Tier 3-Instituten. Bei Tier 1-Instituten handelt es sich um regulierte Institute, die eine Bilanzsumme von mehr als 50 Mio. US Dollar haben und spezifische Anforderungen an die finanzielle Nachhaltigkeit und Transparenz erfordern. Sie sind im Fokus internationaler Investoren. Darüber hinaus gibt es aber auch viele kleine, impactstarke Institute, die eine Bilanzsumme von nur wenigen Millionen US Dollar aufweisen und aufgrund ihrer Struktur kein regelmäßiges Reporting aufstellen. Auch hier können sich Investments lohnen. Zwar ist ein hoher Prüfaufwand notwendig. Jedoch ist der sozial-ökologische Impact besonders hoch, da diese Institute die Bedürfnisse ihre Kreditkunden*innen sehr gut kennen und maßgeschneiderte Kredite anbieten, aber häufig unterfinanziert sind.

7. Transparente Berichterstattung einfordern

Um über die Entwicklungen von Mikrofinanzinstituten auf dem Laufenden gehalten zu werden, sollten Investoren regelmäßig informiert werden. Bei Investments in einen Mikrofinanzfonds ist ein Monatsbericht hilfreich, der über die aktuelle Fondsperformance aber auch spezifische Mikrofinanzthemen und Neuinvestments informiert. Dies ist als Standard am Markt für Mikrofinanzfonds anzusehen. Ebenfalls bietet sich über die gesetzlichen Pflichtpublikationen hinaus ein jährlich erscheinender Bericht an, indem auch die sozial-ökologischen Aspekte umfassend gewürdigt werden. Als Wirkindikatoren bieten sich die Anzahl erreichter Mikrounternehmer, die durchschnittliche Kreditsumme, der Anteil finanzierter Frauen oder die Anzahl an Krediten an, die in ländlichen Regionen vergeben werden.

Fazit

Die Mikrofinanzierung ist ein am Markt etabliertes Finanzierungsinstrument, um die finanzielle Teilhabe von Menschen zu fördern. Investoren können damit positiv zur sozialen Entwicklung in vielen Ländern beitragen. Vor einem Investment, sei es direkt oder über einen Fonds, sollten sie neben einer umfassenden ökonomischen und sozio-ökologischen Prüfung auch die Eigenheiten und Instrumente des Mikrofinanzmarktes berücksichtigen und Transparenz einfordern. Denn nur so können sie sicher sein, dass sie wirklich eine positive Wirkung mit ihrer Anlage erzielen.


Stefan Fritz arbeitet als Spezialist Investmentfonds im Angebotsmanagement des Investmentfondsgeschäfts der GLS Bank. Zuvor war er für das französische Researchunternehmen Novethic mit Sitz in Paris tätig, von wo aus er die Entwicklung des europäischen Marktes für nachhaltige Investments begleitete.

Bei der GLS Bank ist Geld für die Menschen da. Die Genossenschaftsbank mit Sitz in Bochum finanziert und investiert nur in sozial-ökologische Unternehmen. Ihre Geschäfte macht sie umfassend transparent. Im Investmentfondsgeschäft bietet sie drei eigene Fonds im Gesamtvolumen von mehr als 400 Mio. Euro sowie zwei Partnerfonds (B.A.U.M. Fair Future Fonds und FairWorldFonds) an. (Stand 31.07.2019)

Weiterführende Informationen

www.gls-fonds.de
investmentfonds@gls.de