von Samuel Drempetic, Head of Ethics and Sustainability der Steyler Ethik Bank.
„Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“ heißt es in der Verfassung des Freistaates Bayern. Die Praxis zeigt leider, dass dies nicht immer der Fall ist. Gerade die Finanzwirtschaft beweist leider oft genug, dass das goldene Dreieck der Geldanlage – bestehend aus Rendite, Sicherheit und Liquidität – einen höheren Stellenwert erhält als gesellschaftliche Werte. Dennoch spielt für viele Menschen eine weitere Dimension eine immer wichtigere Rolle. Konkret geht es um die Frage, welche unternehmerische Aktivität gut und moralisch ist. Gewinne sind aus dieser Perspektive weder Selbstzweck, noch rechtfertigen sie die Wahl der Mittel.
In den vergangenen Jahren wurde gerade die Welt der Finanzwirtschaft um einige Begriffe reicher, die viele vor Jahrzenten dort nicht gesehen haben. Sie alle zielen auf Werte ab, die über reines Renditestreben hinausgehen: Nachhaltigkeit, ökologische, soziale und Governance-Kriterien (kurz ESG) sowie die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, bekannt als SDGs sind die prominentesten Beispiele hierfür. Mittlerweile wird in vielen Bereichen auch nicht mehr gefragt, ob die oben genannten Kriterien berücksichtigt werden sollen. Vielmehr stellt sich zunehmende die Frage, wie sie integriert werden können. Gerade das Engagement der EU für eine nachhaltige Finanzwirtschaft hat hier für einen enormen Schub gesorgt und jede Krise wird mittlerweile zurecht in den internationalen Kontext der Nachhaltigkeit gesetzt.
Ein Nischendasein hat jedoch weiterhin das ethische bzw. ethisch-nachhaltige Investment – der Ursprung des nachhaltigen Geldanlegens. Der Begriff ethisches Investment ist nicht eindeutig definiert, ebenso wie nachhaltiges Investment. In der wissenschaftlichen Literatur wird er mal als ursprünglicher Begriff für verantwortliches Investment gesehen, mal als Überbegriff. Als Ursprung gilt er, da die Religionsgemeinschaften der Quäker und Methodisten schon vor rund 200 Jahren Ausschlusskriterien für die Investition ihrer Gelder schufen, die als ethisches Investment bezeichnet wurden. Ähnliche Ansätze finden sich in diversen Religionen und religiösen Gemeinschaften. Die wichtigste Intention gläubiger Menschen ist dabei, kein Geld mit Produkten und Dienstleistungen zu verdienen, die sie grundsätzlich ablehnen.
Spricht man über ethisches Investment, so ist dies nicht klar von einem nachhaltigen Investment abzugrenzen. Und häufig kommen beide Begriffe im Doppelpack als ethisch-nachhaltiges Investment daher, was die Grenzen noch einmal mehr verschwimmen lässt.
Auch wenn ethisches-nachhaltiges Investment aufgrund der Begriffsherkunft und geschichtlicher Vorbilder überwiegend mit Kirche bzw. allgemein mit Religion assoziiert wird, ist diese Verbindung nicht zwangsläufig. Christliche, jüdische oder muslimische Wertvorstellungen sind häufig Ausgangspunkt für ethisch-nachhaltiges Investment, aber es gibt ebenso nicht-religiöse Begründungen. Unseres Erachtens nach sollte man das Thema auch nicht auf die moralischen Kategorien von „gut“ oder „schlecht“ reduzieren. Vielmehr stellt sich die Frage, mit welchen Produkten und Dienstleistungen man Geld verdienen will bzw. was man unterstützen möchte. Ein Nicht-Investment oder auch Divestment ist nicht automatisch mit einer Verurteilung gleichzusetzen. Ein Beispiel aus meiner eigenen Praxis als Nachhaltigkeitsexperte der Steyler Ethik Bank soll dies verdeutlichen: Die Bewaffnung der Polizei ist unseres Erachtens moralisch nicht verwerflich. Schließlich erfüllt die Polizei wichtige hoheitliche Aufgaben und dient damit unserer Gesellschaft. Dennoch möchten wir als nachhaltiger Investor mit christlichen Wurzeln nicht an der Produktion von Waffen Geld verdienen. Das staatliche Gewaltmonopol stellen wir damit selbstverständlich nicht infrage.
Ethik wird im allgemeinen Sprachgebrauch sehr oft mit Moral verwechselt. Die Ethik reflektiert jedoch nur das gesellschaftliche und individuelle Handeln. In der Reflexion ist es aber durchaus relevant, welche Wertevorstellung zugrunde gelegt wird.
Ethisches Investment ist kompliziert. Die Grenzen sind nicht eindeutig und durch individuell Vorstellungen bestimmt. Doch einer Gesellschaft, die allzu oft in den Schwarz-Weiß-Mustern denkt, fällt es manchmal schwer auszuhalten, dass es Graustufen gibt. Einige Investoren sehen ein Problem darin, dass die ESG Scores von Ratingagenturen nicht übereinstimmen. Der Frust ist einerseits verständlich, weil er die Arbeit der Investoren schwieriger macht. Andererseits zeigt sich hier schlicht, dass Nachhaltigkeit nicht auf einem Grundkonsens aufbaut, sondern ethisch begründet wird. Und je nach kulturellen Wertvorstellungen der Marktteilnehmer kommt es damit zu ganz unterschiedlichen Bewertungen. So sehen einige in der Nuklearenergie eine Chance, CO2-Emissionen zu reduzieren und dem Klima zu helfen. Andere lehnen die Technik als gefährlich für den Menschen ab und verweisen auf die ungelöste Frage sicherer Endlager.
Eine vergleichbare Bewertung ist also nur unter der Annahme möglich, dass alle dieselbe Wertevorstellung teilen. Beim nachhaltigen Investment wird in letzter Zeit der Ruf nach einer einheitlichen Definition lauter. Genau in diese Richtung führt auch die Taxonomie-Verordnung der EU. Dennoch wird ethisch-nachhaltigem Investment seine Individualität behalten. Und in den meisten Fällen wird ethisch-nachhaltiges Investment den gesellschaftlichen definierten Nachhaltigkeitszielen nicht im Weg stehen.
Ethische Geldanlage ist kein Selbstläufer. Wer in diesem Feld mitmischen will, muss bereit sein, immer wieder um die besten Lösungen und Ansätze zu ringen. Denn ehrenwerte Motive allein, führen noch nicht zum gewünschten Ergebnis. Ein Beispiel aus dem Bereich der Arbeits- und Menschenrechte. In der aktuellen Pandemie haben viele Näherinnen und Näher ihren Job verloren oder wurden über einen längeren Zeitraum nicht gebraucht und folglich nicht bezahlt. Das dies zu enormen sozialen Problemen führt, ist offensichtlich. Doch wem wollen wir hierfür die Schuld geben? Zumal in einer Welt, in der die Verantwortlichkeiten durch internationale Arbeitsteilung nicht so leicht zuzuordnen sind. Ist das Zulieferunternehmen, das mangels Aufträgen Personal freigestellt hat, der Bösewicht? Oder ist es eher der weltbekannte Hersteller von Sportartikeln, der die Aufträge wegen fehlender Nachfrage storniert hat, während er trotz Corona weiter große Gewinne einfährt? Kritisieren kann man auch die Staaten, die sich – anders als Deutschland – kein Kurzarbeitergeld leisten konnten, wodurch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Armut stürzten. Und welche Rolle spielt der ethisch-nachhaltige Investor selbst? Darf er auf Kosten der Arbeiterinnen und Arbeiter von den Gewinnen der Unternehmen profitieren, die Teil dieser Lieferkette sind, ungeachtet der oben beschriebenen Probleme?
Ein anderes Beispiel aus dem Bereich der nachhaltigen Entwicklungsziele, die bei immer mehr Finanzprodukten berücksichtigt werden: Handelt man als Investor ethisch und nachhaltig, indem man in ein Krankenhaus investiert. Reicht also als Begründung aus, dass der Gesundheitssektor nach der Logik der SDGs dem Entwicklungsziel 3 „Good Health & Well-Being“ zugeordnet wird? Wie geht man dabei mit privaten Krankenhausketten um, die in vielen Ländern die Corona-Pandemie als eine Gelegenheit der Gewinnmaximierung gesehen haben – teilweise auf Kosten des Staates oder der Angestellten? Dieses Verhältnis von Medizin und Ökonomie ist als ethisch-nachhaltiger Investor durchaus zu diskutieren. Dabei reicht es eben nicht die Dienstleistung einem SDG zuzuordnen und sich als Investor wegen der guten Tat auf die Schulter zu klopfen.
Ethisches Investment bedeutet Diskussion, Reflexion und ständiges Infragestellen der aktuellen Meinung. Ethisch-nachhaltiges Investment ist nicht aus einer Nachhaltigkeitsdatenbank abzulesen. Es ist mehr als nur das Anwenden von Zahlen und Scores. Es ist eine Auseinandersetzung mit sich und den eigenen Werten ohne die Verurteilung anderer Ansätze.
Samuel Drempetic
Als Head of Ethics and Sustainability verantwortet Herr Samuel Drempetic seit Mitte 2018 alle Themen rund um Nachhaltigkeit bei der Steyler Ethik Bank. Dies umfasst sowohl die eigene Nachhaltigkeit der Bank als auch die Überprüfung der Investments. Der diplomierte Volkswirt und Pädagoge betreut die beiden Gremien Ethik-Anlagerat und Ethik-Ausschuss.
Die Steyler Ethik Bank
Die Steyler Ethik Bank ist Anbieter von fairen Finanzdienstleistungen. Sie wurde 1964 vom katholischen Orden der Steyler Missionare gegründet und steht allen Privatkunden offen, unabhängig von ihrer religiösen Überzeugung. Die Bank investiert nach sozialen und ökologischen Kriterien und ist Initiator von drei nachhaltigen Publikumsfonds der Marke Steyler Fair Invest. Seit ihrer Gründung förderte die älteste ethische Bank Deutschlands mit über 100 Millionen Euro Steyler Hilfsprojekte in 80 Ländern. www.steyler-ethik-bank.de, www.steyler-fair-invest.de
Kontakt
Oliver Müller, Senior Sales Manager DACH | Steyler Fair Invest
Steyler Bank GmbH, Arnold-Janssen-Str. 22, D-53757 Sankt Augustin
Telefon: 02241 120 51 72, E-Mail: oliver.mueller@steyler-fair-invest.de
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