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SDGs konkret: Wie die GLS Bank die Sustainable Development Goals konstruktiv-kritisch begleitet

TopicsSDGs konkret: Wie die GLS Bank die Sustainable Development Goals konstruktiv-kritisch begleitet

von Jan Köpper und Dr. Laura Mervelskemper, beide GLS Bank.

Die SDGs sind ein richtungsweisendes, internationales Abkommen zum Schutz der Umwelt und zum Abbau von sozialen Ungleichheiten. Doch sie sind auch massiver Kritik ausgesetzt. Die SDGs müssen daher kritisch hinterfragt, konstruktiv begleitet und weiterentwickelt werden. In der GLS Bank analysieren wir die SDGs ganzheitlich und stellen uns dafür verschiedene Fragen: Welche Folgen haben einzelne SDGs auf die Wirtschaft insgesamt? Welche institutionellen Voraussetzungen sind für Ihre erfolgreiche Umsetzung notwendig? Wie sollten betroffene Akteure damit umgehen? Wie sind die Unterziele inhaltlich zu bewerten?

Diesen ganzheitlichen Ansatz wollen wir anhand des SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion exemplarisch beschreiben:

Nachhaltiger Konsum / Produktion (SDG 12) – Was soll genau erreicht werden?

SDG 12 behandelt die Etablierung nachhaltiger Produktions- und Konsummuster zur Gewährleistung nachhaltigen Wirtschaftswachstums und nachhaltiger Entwicklung. Die wesentlichen Schwerpunktthemen des zehnjährigen Programmrahmens für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster (12.1) sind:

  • Ausgehend vom grundlegenden Gebot einer nachhaltigen Bewirtschaftung und einer effizienten Nutzung der natürlichen Ressourcen (12.2) richten sich die Anforderungen auf
    • eine Halbierung der Nahrungsmittelverschwendung und eine Verringerung der Nahrungsmittelverluste (12.3),
    • auf den umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien (12.4),
    • die Verringerung der Abfallentstehung (12.5),
    • die Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung für größere Unternehmen (12.6),
    • die Nachhaltigkeit bei der öffentlichen Beschaffung (12.7)
    • und die Bereitstellung der für Nachhaltigkeitsbewusstsein und eine nachhaltige Lebensweise erforderlichen Informationen (12.8).

Gefordert werden zudem

  • eine wissenschaftliche und technologische Stärkung der Entwicklungsländer (12.a),
  • die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus (12.b, siehe auch SDG 8)
  • sowie die Abschaffung von ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe (12.c).
  • Hinzu kommt, dass Wachstum und Wohlstand weitestgehend von der Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen entkoppelt werden.

Welche Bedeutung hat SDG 12 für die Wirtschaft insgesamt?

Die anhaltende Dominanz der Finanzmärkte und die Idee des unbegrenzten Wachstums als wesentlicher Treiber menschlicher Entwicklung konterkarieren das notwendige Umdenken im Sinne nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster. Dieser wesentliche Zielkonflikt wird in den SDGs nicht thematisiert. Im Gegenteil: Globalisierung und der damit einhergehende internationale Handel sollen als Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung Armut vermindern. Zentral sei, dass sich dabei der Anteil der Exporte der Entwicklungsländer am Welthandel verdoppelt. Diese Ansicht kann jedoch nur dann als vorteilhaft akzeptiert werden, wenn erstens Kapitalakkumulation und Kapitalverteilung einen realwirtschaftlichen Bezug und zudem eine gerechte Teilhabe erlauben, zweitens Klimawandel aktiv mitgedacht wird und drittens Konsum und Produktion kritisch im Hinblick auf die Bedürfnisbefriedigung hinterfragt werden. Dort, wo sich Kapital ohne Bezug zur Realwirtschaft vermehrt und Zentralbanken zusätzliche Liquidität produzieren, um Wachstum und Beschäftigung aufrechtzuerhalten, werden untragfähige Geschäftsmodelle durch günstiges Kapital am Leben gehalten. Parallel verringern sich Anreize, in zukunftsfähige, aber initialkostenintensive Veränderungsprozesse zu allokieren und so die SDGs zu fördern.

Welche institutionellen Voraussetzungen sind für Ihre Erreichung notwendig?

Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster benötigen ein Umfeld, das Menschenrechte achtet, eine unabhängige Justiz gewährleistet sowie politischen und bürgerlichen Rechten entspricht. Dies ist umso bedeutender, als dass die Rohstoffproduktion für Waren, die oft in Industrieländern veredelt werden, ihren Ursprung in einer globalisierten Welt vermehrt in autoritären und teilweise despotischen Staaten nimmt. Die Arbeits- und Umweltstandards in weiten Teilen der Welt sind weiterhin inakzeptabel und werden durch bestehende Konsum- und Produktionsmuster in den Industriestaaten in Kauf genommen und zum Teil aktiv ignoriert. SDG 12 tangiert diese grundsätzlichen Probleme nur an der Oberfläche, wenngleich deren Berücksichtigung implizit ist. Parallel dazu betreiben ressourcenstarke Industrie- und Lobbyverbände Interessenvertretung auf politischer Ebene und erzeugen dabei abermals eine Verwässerung und Verzögerung der demokratisch erlangten Entscheidungsfindung. Ein Struktur- und Wirtschaftswandel wird dadurch deutlich erschwert.

Wie können und müssen Hersteller und Verbraucher dazu beitragen?

Hersteller und Verbraucher vertreten weiterhin mehrheitlich den Grundgedanken eines konsumorientierten Lebensstils. Neben den Zielen des SDG 12 zur Förderung eines nachhaltigen und bewussten Lebensstils sowie der Kreislaufwirtschaft müssen Hersteller und Verbraucher die Diskussion der Reduktion und Suffizienz führen, um eine für alle Staaten skalierbare Lösung von Konsum- und Produktionsmustern zu tragen. Die Förderung mündiger Kaufentscheidungen muss durch gestärkte und leicht zugängliche Verbraucherinformationen

unterstützt werden. Werbemaßnahmen und Produktionsmuster müssen die Suggestion von immer neuen Konsumbedarfen aktiv einschränken und als Teil dessen Maßnahmen der künstlichen Obsoleszenz unterlassen.

Welche inhaltlichen Themen müssten darüber hinaus aufgegriffen werden?

In Ergänzung zu oben genannten Punkten ist die Politik zudem aufgerufen, durch die Internalisierung externer Effekte und die Monetärsteuerung Anreize für nachhaltige Alternativen in Produktion und Konsum zu schaffen. CO2-Bepreisung und die Abgabe auf Spritz- und Düngemittel können hier als Beispiele genannt werden. 

Fazit

Die SDGs sind insofern positiv zu bewerten, als dass sie

  • eine internationale Vereinbarung zu Nachhaltigkeit darstellen, die Entwicklungsleitlinien für alle Länder der Vereinten Nationen definiert und globale Partnerschaften sowie Engagement fordert.
  • Nachhaltigkeit a) im Einklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem verstehen b) Industrie sowie Schwellen- und Entwicklungsländer mitdenken c) unterschiedliche politische, wissenschaftliche, gesellschaftliche und privatwirtschaftliche Akteure auf d) nationalen, regionalen und lokalen Ebenen adressieren.

Die SDGs sind insofern kritisch zu bewerten, als dass

  • die Bekämpfung von Klimawandel nicht explizit mitgedacht wird und die in Konkurrenz zu einigen Zielen steht
  • das Zusammenspiel der Ziele nicht ausreichend berücksichtig wird, sodass einzelne Ziele im Konflikt stehen oder unerwünschte negative Implikationen erzeugen
  • die Erfüllung auf Basis von Freiwilligkeit zu wenig ambitionierten Maßnahmen und zu nur geringen Fortschritten führt
  • sie leicht zu Marketingzwecken im Sinne von Greenwashing (auch Rainbow-Washing oder SDG-Washing genannt) missbraucht werden können
  • traditionelle neoliberale Dogmen wie das Wachstumsdogma unkritisch fortgeführt werden und ein notwendiges systemkritisches Umdenken kaum Berücksichtigung findet
  • Aspekte, die für die persönliche Entwicklung im Einklang mit Körper, Geist und Seele relevant sind — wie zum Beispiel Kultur vernachlässigt werden

Als GLS Bank werden wir die SDGs konstruktiv-kritisch begleiten und gemeinsam mit den Menschen der Gemeinschaft unsere Aktivitäten weiterhin auf die Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten.


Hinweis: Dieser Text ist ein redaktionell leicht überarbeiteter Auszug aus dem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht 2019 der GLS Bank (Seiten 130-132), der unter folgendem Link verfügbar ist: https://www.gls.de/privatkunden/gls-bank/gls-nachhaltigkeit/

Jan Köpper leitet die Stabsstelle Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit in der GLS Bank in Bochum. In dieser Funktion verantwortet er die Konzeption, Koordination und Umsetzung der gesellschaftlichen Wirkungsmessung, der Nachhaltigkeitsprüfung im Firmenkundengeschäft sowie die Integration von Nachhaltigkeitsprozessen in das interne Nachhaltigkeitsmanagement und die Gesamtbanksteuerung. Nach Stationen bei dem Unternehmensnetzwerk CSR Europe in Brüssel und der Nachhaltigkeitsratingagentur imug in Hannover ist Jan Köpper seit April 2018 in seiner jetzigen Stelle verortet.

Dr. Laura Mervelskemper ist Co-Leiterin der Stabsstelle Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit in der GLS Bank. Als „Überzeugungstäterin“ setzt sie sich mit Herzblut für alle Themen rund um Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsrisiken, gesellschaftliche Transformation und die politischen Forderungen der GLS Bank ein. Vorher hat sie sich mehrere Jahre aus akademischer Perspektive mit der Verknüpfung von Nachhaltigkeit und dem Finanzwesen auseinandergesetzt und zu dem Thema promoviert. Nebenbei war sie sowohl in der Nachhaltigkeitsberatung als auch im Nachhaltigkeitsmanagement aktiv und hat mit der GLS Bank nun die perfekte Kombination der Themen gefunden, die ihr am Herzen liegen.

Über die GLS Bank

Bei der GLS Bank ist Geld für die Menschen da. Die Genossenschaftsbank mit Sitz in Bochum finanziert und investiert nur in sozial-ökologische Unternehmen. Ihre Geschäfte macht sie umfassend transparent. Im Investmentfondsgeschäft bietet sie drei eigene Fonds und den B.A.U.M. Fair Future Fonds im Gesamtvolumen von rund 750 Mio. Euro an (Stand 10.12.2020).

Weiterführende Informationen:

www.gls-fonds.de/klima
investmentfonds@gls.de
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