Monday 29-Apr-2024
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Buffetts Investments teilweise nicht mit seinen eigenen Prinzipien vereinbar

Markets and NewsBuffetts Investments teilweise nicht mit seinen eigenen Prinzipien vereinbar

Ein Marktkommentar von Dr. Dirk Schmitt (Bild), Fondsmanager und Linus Schorn, Analyst, beide Wagner & Florack AG: Wir schätzen Warren Buffett und seinen Partner Charlie Munger sehr für ihr wertvolles investmentphilosophisches Gedankengut, ihre (eigentlichen) Investmentprinzipien sowie ihren eindrucksvollen Erfolg. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit einige Investments von Berkshire Hathaway tatsächlich in Einklang mit Buffetts eigenen Investmentprinzipien stehen. Neben den Beteiligungen an Banken und den 2020 komplett verkauften Fluglinien, bei denen Buffett einräumte, falsch gelegen zu haben, sind die Investments in der Öl- und Energiebranche ein weiteres Beispiel für extrem zyklische und noch dazu kapitalintensive Geschäftsmodelle, die in unseren Augen mit Buffetts langfristigem Investmenthorizont und seinen eigenen Prinzipien nicht vereinbar sind.

„Our favourite holding period is forever.“ Buffett betont immer wieder, er würde seine Beteiligungen am liebsten niemals verkaufen. Dabei ist im Fall von Ölfirmen wie der zuletzt weiter zugekauften Occidental Petroleum von vornherein klar, dass die explodierenden Free Cash Flows der jüngeren Vergangenheit nicht von Dauer sein dürften, sondern der Kombination aus verknapptem Angebot und zusammengestrichenem Capex geschuldet sind. Dessen wird sich auch Buffett bewusst sein, weshalb er unseres Erachtens im Fall seiner Öl-Investments opportunistisch handelt und somit bewusst gegen seine Maxime verstößt, sich mit dem „Prinzip der Ewigkeit“ an kapitalleichten, wenig zyklischen Firmen mit dauerhaft hohen Margen, hoher Preissetzungsmacht, hoher Kapitalverzinsung sowie substanziellen, langlebigen Wettbewerbsvorteilen und dadurch langfristig verlässlich steigenden Free Cash Flows zu beteiligen.

Sind Ölfirmen „Value“?

Buffett wird als langfristig und unternehmerisch denkender Value-Investor angesehen. Grundsätzlich ist die Frage, ob Ölfirmen als „Value“ angesehen werden können, durchaus legitim: Bei vielen „Börsenexperten“ sind die Aktien nach einer mehrjährigen Durststrecke en vogue und auch die Aktienkurse scheinen das zeitweise zu untermauern. Immerhin haben sich diese in den letzten zwei bis drei Jahren nicht selten verdoppelt oder sogar verdreifacht. Was steigt, landet auf den Empfehlungslisten von Banken und Analysten. Allerdings waren die Aktienkurse der Ölfirmen vor 2020 um etwa 50% bis 90% stark eingebrochen. Ökonomisch ist es simpel: Die Ölförderung wird immer teurer; Öl aus relativ leicht zugänglichen Quellen ist längst gefördert und verbraucht. Um die „Zitrone weiter auszuquetschen“, muss immer tiefer und aufwendiger gebohrt werden, heutzutage regelmäßig ein paar tausend Meter tief. Das ist teuer. Und zwar extrem teuer. Außerdem sind weitere Fördermöglichkeiten wie beispielsweise Fracking und Ölsandabbau aufgrund von Umweltauflagen weitaus kostenintensiver als noch vor ein paar Jahren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Free Cash Flows der Ölfirmen nach und nach dahinschmolzen. Selbst zeitweise hohe Ölpreise wie in den Jahren 2013 bis 2015 von über 100 USD pro Fass halfen nicht substanziell. Als die Ölpreise daraufhin ab 2016 absackten, etwa auf den Bereich zwischen 50 bis 75 USD pro Fass, fuhren die Ölfirmen ihre Investitionen in die Ölförderung deutlich bis teilweise massiv zurück, um nicht in die roten Zahlen zu geraten.

Buffetts Beteiligung an Occidental Petroleum: reduzierte Produktion trotz höherer Nachfrage

So hat Occidental Petroleum, das sechstgrößte Investment von Warren Buffett, 2019 bei einer Free Cash Flow-Marge von etwas über 4% noch bis zu 1,5 Mio. Barrel Öläquivalente (MBOE) pro Quartal gefördert, was auch im ersten Halbjahr 2020 fortgesetzt wurde. Im 2. Quartal 2020 folgte der dramatische Lockdown-Umsatzeinbruch. Seitdem erfolgt die Produktion im Bereich von 1 bis 1,2 MBOE pro Quartal, auch im ersten Halbjahr 2022 wurde diese Menge nicht erhöht. Occidental Petroleum hat die Produktion also um ein Fünftel bis ein Drittel reduziert. Dies wurde auch im Jahr 2022 fortgeführt (1,08 MBOE in Q1 und 1,15 MBOE in Q2), obgleich die Nachfrage konjunkturbedingt seit dem 2. Halbjahr 2021 angesprungen ist. Zugleich wurde der Capex massiv gekürzt. 2019 wurde noch im üblichen Bereich von 6,4 Mrd. USD investiert. Bei einem operativen Cash Flow von 7,4 Mrd. USD blieb folglich ein Free Cash Flow von 1 Mrd. USD übrig, eine wie üblich überschaubare Free Cash Flow-Marge von etwas über 4%. 2020 sackte der Capex wiederum auf 2,6 Mrd. USD und 2021 auf 2,9 Mrd. USD ab. Zwar beliefen sich die Investitionen im 1. Halbjahr 2022 mit 1,8 Mrd. USD im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf einen leicht höheren Wert, jedoch lagen sie nach wie vor weit unter dem Vor-Corona-Niveau. 2020 sorgte der gekürzte Capex trotz niedrigerer Öl- und Gaspreise für einen um 40% höheren FCF von 1,4 Mrd. USD (Verdopplung der FCF-Marge auf 8%). 2021 ist zudem noch der Ölpreis in die Höhe geschossen, wodurch der Umsatz um 60% anstieg. Der Free Cash Flow explodierte daher im Zusammenspiel mit dem weiterhin um 55% reduzierten Capex auf 7,5 Mrd. USD (Versiebenfachung gegenüber 2019, FCF-Marge rd. 28%). Dieser Trend setzte sich im ersten Halbjahr 2022 weiter fort, die Free Cash Flow-Marge erklomm in diesem Zeitraum einen Wert von über 35%!

Trotz höherer Nachfrage wird also weniger produziert. Und wie das Beispiel von Occidental Petroleum zeigt, wird auch ganz erheblich weniger investiert. Der Markt befindet sich in einem extremen Ungleichgewicht, das Gap zwischen Angebot und Nachfrage war noch nie über einen so langen Zeitraum so groß. Ursache ist offensichtlich die Angebotsreduktion plus Mini-Capex. Das Kartell funktioniert, die Cash Flows sprudeln. Bei den anderen Öl- und Gasförderern ist es strukturell genauso wie bei Occidental Petroleum: massive Capex-Reduktion und kaum neue Förderprojekte, zugleich ist die Produktion bei den aktiven Lagerstätten weit unter dem Niveau von 2019.

Free Cash Flow-Anstieg ist nicht von Dauer

Ist der Free Cash Flow-Anstieg also nachhaltig? Nun, Zitronen kann man nicht endlos ausquetschen, folglich auch keine Ölfelder. Grundsätzlich müssen Ölfirmen aber Öl fördern, wenn sie Geld verdienen wollen. Dafür werden sie mittel- bis langfristig exorbitant hohe Investitionen tätigen müssen. Trotz temporär hoher Ölpreise werden die Cash Flows und die Free Cash Flow-Margen der Ölfirmen dann wieder abschmelzen. Dann ist es aus und vorbei mit der Free Cash Flow-Herrlichkeit bei Occidental Petroleum & Co. Das dürfte Buffett wissen.

Es gibt bessere Langfrist-Investments

Kurzfristig lässt sich mit Aktien von Ölfirmen wie Occidental Petroleum, ein glückliches Händchen beim Timing vorausgesetzt, zwar durchaus Geld verdienen. Wir bei Wagner & Florack beteiligen uns dagegen lieber als langfristige Miteigentümer und mit unternehmerischem Blick an beständig wachsenden und dauerhaft profitablen Unternehmen mit kapitalleichten, skalierbaren und robusten Geschäftsmodellen, die wie z.B. Apple, Visa oder Procter & Gamble selbst unter schwierigen Rahmenbedingungen hohe Free Cash Flows erwirtschaften. Denn langfristig ist es der Free Cash Flow, der den Unternehmenswert und somit auch den Aktienkurs bestimmt.

Der Beitrag erschien bei https://boutiquenfonds.de/pro-boutiquenfonds/energie-aktien-meinungen-unabhaengiger-asset-manager/